„Die Älteren ehren, die Jüngeren lieben“
Bulletin - Heft 117 (2019)
Inhaltsverzeichnis
EDITORIAL
Jean-Pierre Longeat OSB
LECTIO DIVINA
Der reiche Jüngling (Mt 19,16-26). Eine Frage als Ausgangspunkt
Escolástica Ottoni de Mattos OSB
MEDITATION
Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung. Die Kunst der Unterscheidung Schlussdokument der römischen Bischofssynode 2018
ZEUGNISSE
Mönch sein in einem jungen Mönchtum
Alex Echeandía OSB
Selbstfindung im Kloster
M. Terezinha Bezerra dos Santos OSB
Eine Erfahrung innerer Freiheit im Blick auf die Vereinigung mit Gott
Edmond Amos Zongo OSB
Schwäche und Kraft einer Klostergemeinschaft
Nichodemus Ohanebo OSB
Herausforderungen und Freuden des südafrikanischen Klosterlebens Antoinette Ndubane OSB
Erste Schritte im Klosterleben
Rosa Ciin OSB
ÖFFNUNG ZUR WELT
Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung. Drei Schwerpunkte
Schlussdokument der römischen
Bischofssynode 2018
WIRTSCHAFT UND KLOSTERLEBEN
Zwischen Kooperation und Konflikt: Beiträge des Klosters Bafor zur lokalen Entwicklung
Katrin Langewiesche
LITURGIE
Klosterleben und Dichtung. Liturgie, lectio und geschwisterliches Leben
Thérèse-Marie Dupagne OSB
MÖNCHE UND NONNEN ALS ZEUGEN FÜR UNSERE ZEIT
Geronda Aimilianos (1934-2019)
Erzpriester Serapion
NACHRICHTEN
Reise nach China
Jean-Pierre Longeat OSB
Reise in den Tschad
Christine Conrath OSB
Oberentreffen in Madagaskar
Agnes Brugère OCSO
Treffen der Ausbilder von ABECCA
Alex Acheandía OSB
Bericht über den Kurs „Ananie“
Moses Ilboudo OSB
Leitartikel
Besonders charakteristisch für klösterliches Leben ist das Zusammenleben verschiedener Generationen. Diese Eigenart wird gerade in der westlichen Welt heute
noch spürbarer, da die Lebenserwartung ständig steigt. Die moder- ne Gesellschaft hat sich daher für eine Trennung der Generationen entschieden, während die Klostergemeinschaften weiterhin – im Rahmen des Möglichen – sich zur Praxis einer Lebensgemeinschaft der unterschiedlichen Generationen bekennen. Nicht selten sieht man in Klöster, wie vier oder sogar fünf Generationen unter einem Dach zusammenleben.
Diese Ausgabe des AIM-Bulletins greift einige Aspekte dieses Themenbereichs auf, wenn sie sich mit der römischen Bischofssyn- ode 2018 und ihrem Dokument „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“ befasst. Einige der im Folgenden vorgestellten Lebenszeugnisse stammen von jungen Mönchen und Schwestern und beschreiben, wie sie ihre Berufung in der modernen Welt leben. Dabei interpretiert jeder auf ganz persönliche Weise die jeweils gestellte Frage, worin man als junger Mensch die Bedeutung des Klosterlebens für das eigene Land oder für die eigene Kultur sieht. Die Antworten vermitteln eine große Bandbreite möglicher Zugänge.
Die weiteren Teile des Bulletins präsentieren in gewohnter Weise die verschiedenen Rubriken und eine Reihe aktueller Informationen.
Jean-Pierre Longeat OSB
Präsident der AIM
Artikel
Die Älteren ehren, die Jüngeren lieben
1
Jean-Pierre Longeat, OSB
Präsident der AIM
Die Älteren ehren, die Jüngeren lieben
RB 4, 70, 71; 63, 10
Zu Beginn wollen wir uns vor Augen führen, was der hl. Benedikt uns zu diesem Thema zu sagen hat. Benedikt achtet innerhalb der Gemeinschaft vor allem auf ein gesundes Gleichgewicht zwischen den Beiträgen von jüngeren und älteren Mönchen und Schwestern. Im vierten Kapitel über die Werkzeuge der geistlichen Kunst findet er dafür die Formulierung: „Die Älteren ehren, die Jüngeren lieben“. Damit will er das Zusammenleben in den Zustand gegenseitiger Aufmerksamkeit bringen.
Schon ganz zu Beginn der Regel wird der Mönch als Sohn beschrieben, der auf die Stimme seines Vaters hört. Damit greift Benedikt bekanntlich einen Vers aus dem Buch der Sprichwörter auf (Spr 1,8), aber es handelt sich vor allem um eine Grundhaltung, die sich in den Evangelien findet. Denn Jesus sieht sich selbst in einem kindlichen Verhältnis zu seinem Vater, der der Vater aller Menschen ist. Daher lädt er dazu ein, dass wir uns auch als geliebte Kinder des himmlischen Vaters begreifen. Es ist auch ganz unwichtig, welches Alter ein Mönch, eine Schwester oder jeder Christ aufweist: Sie alle sind Söhne und Töchter, die auf die Stimme dessen hören, von dem sie alles geschenkt erhalten haben.
Auch das siebte Kapitel der Benediktsregel über die Demut befasst sich mit diesem Thema. Es vergleicht den Mönch mit einem Kind, das vertrauensvoll im Schoß der Mutter sitzt. In dieser Haltung lauscht der Mönch auf die Stimme seines Gottes (Psalm 130). Wenn man über diese Worte nachsinnt, gerät man ins Staunen. Das Ziel klösterlichen Lebens besteht also darin, wie ein Kind in Gottes Schoß zu ruhen, so wie sich ein Kind bei der Mutter vertrauensvoll birgt, ohne dass man in Stolz und Ehrgeiz eigene Projekte verfolgt, die der Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins dienen. Diese Haltung des Vertrauens und Glaubens führt zunehmend zu innerer Reife. Dies drückt die zwölfte Stufe der Demut aus, wo es heißt, dass der „Mönch alsbald zu jener vollkommenen Gottesliebe gelangt, die alle Furcht vertreibt“ (RB 7,67). Darin liegt der eigentliche Weg alles klösterlichen Strebens begründet.
Die Schule, welche Benedikt für alle gründen will, welche bereit sind, sich auf einen solchen Weg einzulassen, lässt innerhalb der Vielzahl an Geboten eine Zielgerade erkennen: „Wer aber im klösterlichen Leben und im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes“ (Prol. 49). Natürlich gibt es keine Garantie, dass dies jederzeit und bei jedem eintritt, aber es ist auf jeden Fall die Vision, die uns Benedikt schenkt. Man kann auch nicht vom Äußeren darauf schließen, was sich im Inneren des Herzens abspielt. Gott allein weiß es.
Auf der Grundlage des Gesagten stellt Benedikt die Zönobiten als Anfänger dar (RB 1 und 73), die in den Reihen einer brüderlichen Armee kämpfen. Nach und nach lösen sie sich vom schlichten Eifer des Anfangs, um in den eigentlichen Kampf gegen innere Widerstände einzutreten, bis sie im Alter zunehmend selbstständig werden. Bei manchen führt dies sogar zur Option zugunsten eines eremitischen Lebens. Auch in unseren Klöstern lässt sich beobachten, dass der überwiegende Teil der Mönche in fortgeschrittenem Alter die Einsamkeit sucht, sei es in der Infirmerie oder auch noch als Teil des aktiven Klosterlebens. Auch wenn diese älteren Mitbrüder weiterhin Anteil am Gemeinschaftsleben nehmen, entwickeln sie vielfach eine gewisse Gelassenheit gegenüber den Alltagsgeschäften und helfen damit den Mitbrüdern, vor allem den jüngeren, sich gleichfalls etwas zurückzunehmen bei Auseinandersetzungen, Gegensätzen und den zwar nötigen, aber auch nur relativen Alltagsfragen. Diese innere Freiheit führt auch oft zu einem schönen Einklang zwischen älterer und jüngerer Generation, da erstere nichts mehr und die letzeren noch nichts zu verlieren haben.
Benedikt weiß sehr genau um die unterschiedlichen Beiträge der Generationen zum Gemeinschaftsleben. Daher ist ihm wichtig, dass in wichtigen Fragen die gesamte Gemeinschaft zu Rate gezogen wird (RB 3,1). Er findet dafür die Formulierung: „Dass aber alle zur Berufung zu rufen seien, haben wir deshalb gesagt, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist“ (RB 3,3). Es tut gut, so etwas aus dem Mund eines erfahrenen geistlichen Lehrers wie Benedikt zu hören. Der Verfasser der Regel leitet nicht etwa aus der Gotteskindschaft eine unmündige Abhängigkeit ab, sondern kommt im Gegenteil zum Schluss, dass den Jüngeren in der Gemeinschaft gleichfalls besondere Aufgaben mit eigenen Schwerpunkten zukommen. Damit wird den infantilen Rollenspielen, die man in manchen kirchlichen Einrichtungen beobachten kann, eine Absage erteilt. Vor allem in den Klöstern der alten Welt erlebt man immer noch, dass selbst Mönche, welche die fünfzig überschritten haben, als Jungspunde angesehen werden, die sich keine eigene Meinung erlauben dürfen. Das führt dann auch zu Infantilismus, den man mit allen Mitteln bekämpfen sollte. Dies gilt um so mehr, als die sogenannten „Jungen“, die zur Gemeinschaft stoßen, heute vielfach schon erwachsene Menschen mit dreißig, vierzig oder noch mehr Jahren sind, die eine Vielzahl von Erfahrungen mitbringen.
Nachdem Benedikt in den ersten Kapiteln der Regel sein geistliches Programm entworfen hat, geht er zu praktischen Fragen über, bei denen die großen Grundlinien, die am Anfang behandelt wurden, zur Anwendung kommen.
Das lässt sich gut an Kapitel 22 sehen, in dem Benedikt die Bedeutung einer Mischung der Generationen anspricht, wenn es um die Nachtruhe der Gemeinschaft geht, die sich in Dormitorien abspielte: „Die jüngeren Mönche haben ihre Betten zwischen denen der älteren“. Damit sollen Verirrungen in den Beziehungen zwischen den jüngeren Mönchen verhütet werden, aber diesen auch Ermutigung durch das Beispiel der älteren geschenkt werden, die ihrerseits vom Schwung der Jugend profitieren sollen. Das wirkt heute vielleicht seltsam, weil wir zunächst einmal an den Missbrauch jüngerer Menschen durch ältere denken. Aber müssen solche Befürchtungen jeden Gedanken dominieren? Die gegenseitige Ermutigung der Generationen muss in irgendeiner Weise äußeren Ausdruck finden. Und jeder Ausdruck bringt auch die Gefahr eines Missbrauchs mit sich. Bei einer Klostergemeinschaft gibt es nun einmal auch die Möglichkeit homosexueller Grenzüberschreitungen, um vom Sonderfall klösterlicher Schulinternate ganz zu schweigen. Daher braucht es Wachsamkeit und Eingreifen, auch wenn sie nicht dazu führen sollten, dass darüber der reiche menschliche Austausch innerhalb einer Gemeinschaft beeinträchtigt wird.
Im Kloster Benedikts gab es auch Kinder, welche die Eltern den Mönchen zur Erziehung anvertraut hatten (so RB 59). Sie wurden wie erwachsene Mönche behandelt, wenn sie Fehler begingen. Zu den Strafen gehörte zunächst der zeitweise Ausschluss. Wenn ihnen diese Strafe nichts ausmachte, griff man zu handgreiflicheren Methoden. Dennoch glaubte Benedikt an die geistliche Formbarkeit dieser jungen Menschen, welche die Klöster bevölkerten und sicher nicht einfach zu begleiten waren (RB 20).
Im Kloster Benedikts gab es auch Kinder, welche die Eltern den Mönchen zur Erziehung anvertraut hatten (so RB 59). Sie wurden wie erwachsene Mönche behandelt, wenn sie Fehler begingen. Zu den Strafen gehörte zunächst der zeitweise Ausschluss. Wenn ihnen diese Strafe nichts ausmachte, griff man zu handgreiflicheren Methoden. Dennoch glaubte Benedikt an die geistliche Formbarkeit dieser jungen Menschen, welche die Klöster bevölkerten und sicher nicht einfach zu begleiten waren (RB 20).
Das 68. Kapitel, welches die Aufnahme von Klosterkandidaten beschreibt, enthüllt uns zweifellos am ehesten, was Benedikt sich hinsichtlich der jungen Mönche wünscht. Zunächst einmal wird ihnen der Eintritt nicht leicht gemacht: „Man muss die Geister prüfen, ob sie von Gott sind“ (RB 58,2). Darin liegt auch eine Anfrage gegenüber der Leichtigkeit, mit welcher heute gelegentlich Kandidaten aufgenommen werden. Klosterleben stellt hohe Ansprüche und es braucht Prüfungen, damit bewusst wird, was auf dem Spiel steht.
Zur Zeit Benedikts wurde ein Kandidat zuächst einmal im Gästebereich aufgenommen. Wenn er beharrlich blieb, durfte er in den Bereich umziehen, der für Novizen gedacht war. Dort lebten sie für sich, schliefen, nahmen ihre Mahlzeiten ein und durchliefen verschiedene geistliche Übungen.
Ein alter erfahrener Mönch, „der Seelen gewinnen kann“, sollte sie begleiten. Für die geistliche Begleitung werden drei Kriterien genannt: prüfen, ob der Kandidat tatsächlich Gott sucht, ob er Ausdauer im Chorgebet zeigt und ob er gehorsam ist und Prüfungen aushält, an denen es nie mangelt.
Aus diesen Vorgaben lässt sich ersehen, dass die Jungen zur Zeit Benedikts keine verzogenen Königskinder sind, aber auch ihre besonderen Bedürfnisse berücksichtigt werden. Daher werden sie auch an einem gesonderten Ort unter Anleitung eines erfahrenen Mönches ausgebildet. Die Integration in die Gemeinschaft geht stufenweise vor sich, wobei dem geistlichen Weg der Vorrang eingeräumt wird. Auch hierin lässt sich eine Anfrage hinsichtlich unserer heutigen Tendenz herauslesen, Neuankömmlinge möglichst schnell und umfassend zu integrieren und zugleich ihre besonderen Anlagen wahrzunehmen und zu fördern. Zwischen solchen verschiedenen Wegen sollte man ein gesundes Gleichgewicht finden. Denn immerhin geht es dabei um die Zukunft des Klosterlebens selbst. Man unterschätzt nämlich oft zu sehr, wie unterschiedlich die Generationen geprägt sind. Die Generationsunterschiede beschleunigen sich noch in der modernen Welt und verlangen nach einer stufenweisen Annäherung, damit ein gesunder Dialog zwischen Personen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Mentalitäten stattfinden kann, selbst wenn die gemeinsame Regel eine vermittelnde Rolle spielt.
Die schrittweise Integration ist auch deswegen besonders bedeutsam, weil dem Lebensengagement heute nur noch eingeschränkt ein besonderer Wert beigemessen wird. Man erlebt immer wieder Mönche und Nonnen, die auch nach den ewigen Gelübden ohne größere Skrupel ihr Versprechen zurücknehmen. Man erlebt sogar, dass sie ohne jede Vorwarnung das Kloster einfach verlassen, was beispielsweise im Berufsleben ganz untragbar wäre. Doch wird das Klosterleben eben mehr dem Bereich der Familie zugeordnet, wo gleichfalls Bindung und Lösung mit immer weniger Hemmschwellen verbunden sind.
Benedikt unterstreicht die Rangordnung innerhalb der Gemeinschaft (RB 63). Er legt fest, dass sich diese nach dem Eintrittszeitpunkt in die Gemeinschaft richten soll und nicht nach Alter oder sozialem Status. „Wer zum Beispiel zur zweiten Stunde des Tages ins Kloster kam, muss wissen, dass er jünger ist als jener, der zur ersten Stunde des Tages gekommen ist“ (RB 63,8). In gleicher Weise bestimmt Benedikt, dass „nirgendwo das Lebensalter für die Rangordnung den Ausschlag geben oder sie bestimmen darf, haben doch Samuel und Daniel, obgleich noch jung, Gericht über die Ältesten gehalten“ (RB 63,5-6). In diesem Kapitel wiederholt auch Benedikt nochmals, dass die Jüngeren die Älteren ehren und die Älteren die Jüngeren lieben sollen. Dafür führt er einige Regeln des mitbrüderlichen Umgangs an, welche auch für das Alltagsleben Konsequenzen haben: Die Jüngeren sollen „Bruder“ oder „Schwester“ genannt werden und die Älteren „nonnus“ oder „nonna“, was übrigens der Ursprung des Wortes „Nonne“ ist. Im Italienischen benützt man diese Worte heute noch für den Großvater und die Großmutter. Der Ausdruck „Bruder“ und „Schwester“ drückt seitens der Älteren die Anerkennung christlicher Geschwisterliebe aus und will keine Bevormundung vermitteln. Der Ausdruck „nonnus“ und „nonna“ für die Älteren will dagegen Respekt, aber auch eine gewisse Vertraulichkeit andeuten. Man kann diese Wörter mit „Väterchen“ oder „Mütterchen“ übersetzen. So würde man heute zwar niemand mehr nennen, aber vielleicht sollte man sich vergleichbare Ersatzwörter überlegen.
Benedikt prägt auch einige elementare Höflichkeitsformen ein, beispielsweise, dass man sich bei einer Begegnung grüßt und dabei der Jüngere die Initiative ergreift. In der Regel wird das so begründet, dass man dabei um den Segen Gottes bittet, der vom Älteren vermittelt wird. Benedikt erinnert auch daran, dass sich Jüngere erheben sollen, wenn ein Alter kommt und ihm einen Platz anbieten. Es sind kleine Gesten, die aber einen grundlegenden Respekt und gegenseitige Wertschätzung ausdrücken.
Gerade in der westlichen Gesellschaft, in welcher ältere Menschen in Sondereinrichtungen abgeschoben werden, kann das Beispiel der Klöster mit dem friedlichen Zusammenleben verschiedener Generationen Zeugnischarakter annehmen. Das verlangt freilich auch von den Älteren, die ja in vielen Gemeinschaften die Mehrheit bilden, eine gewisse Selbstdisziplin. Die Versuchung liegt nämlich nahe, dass sie die wenigen Jüngeren für sich in den Dienst nehmen. Eine solche Situation spitzt sich noch zu, wenn man dafür Mönche und Schwestern aus dem Ausland kommen lässt.
Ein weiteres Thema besteht für Benedikt darin, dass sich Mitglieder derselben Familie nicht gegenseitig in Schutz nehmen. Daraus könnten nämlich Unruhen und Spaltungen entstehen. Er unterstreicht auch, dass die Jüngeren und Älteren aufgrund ihrer Schwäche geschont werden sollen und man sich auf keinen Fall an ihnen abreagieren darf.
Ganz am Schluss der Regel heißt es, dass sie für Anfänger geschrieben ist. Daher dürfen auch die Mitglieder einer Klostergemeinschaft sich ein kindliches Herz bewahren, das danach strebt, auf dem gebotenen Weg in Liebe voranzuschreiten. So sollen sich die Herzen weiten und alle gemeinsam in Freude zum Ziel eilen, das in der Vereinigung mit Gott besteht. Dieses Endziel erzeugt auch die dynamische Spannung, welche in einer Klostergemeinschaft für fortlaufende Kreativität und Erneuerung sorgt. Das Alter spielt dabei keine Rolle!

Der reiche Jüngling (Matthäus 19,16-26)
2
Lectio divina
Escolástica Ottoni de Mattos OSB
Äbtissin von Santa Maria, São Paulo (Brasilien)
Der reiche Jüngling
(Matthäus 19,16-26)
Eine Frage als Ausgangspunkt einer Suche
19,16 Und siehe, da kam ein Mann zu Jesus und fragte: Meister, was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen? 17 Er antwortete: Was fragst du mich nach dem Guten? Nur einer ist der Gute. Wenn du aber in das Leben eintreten willst, halte die Gebote! 18 Darauf fragte er ihn: Welche? Jesus antwortete: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst kein falsches Zeugnis geben; 19 ehre Vater und Mutter! Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! 20 Der junge Mann erwiderte ihm: Alle diese Gebote habe ich befolgt. Was fehlt mir noch? 21 Jesus antwortete ihm: Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib ihn den Armen; und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach! 22 Als der junge Mann das hörte, ging er traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen. 23 Da sagte Jesus zu seinen Jüngern: Amen, ich sage euch: Ein Reicher wird schwer in das Himmelreich kommen. 24 Nochmals sage ich euch: Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. 25 Als die Jünger das hörten, gerieten sie ganz außer sich vor Schrecken und sagten: Wer kann dann noch gerettet werden? 26 Jesus sah sie an und sagte zu ihnen: Für Menschen ist das unmöglich, für Gott aber ist alles möglich.
Wenn wir den Text von Matthäus 19,16-26 lesen, sollten wir bei den Eingangsworten etwas verweilen: „Ein Mann kam zu Jesus“. Betrachten wir die vielen Personen, die im Matthäusevangelium zu Jesus kommen und ihre unterschiedlichen Motive. Auch wir selbst wollen uns dabei in diese Annäherung einschließen und Jesus entgegengehen.
4,3: Der Versucher kommt zu Jesus, um ihn auf die Probe zu stellen.
4,11: Engel kommen zu Jesus, um ihm zu dienen.
8,2: Ein Aussätziger kommt zu Jesus, um geheilt zu werden.
8,19-20: Ein Schriftgelehrter kommt, um Jesus seine Nachfolge anzubieten.
13,36: Die Jünger kommen, um die Bedeutung eines Gleichnisses zu erfragen.
17,14: Ein Mann kommt und bittet um Erbarmen für seinen mondsüchtigen Sohn.
26,7: Eine Frau kommt mit einem Alabastergefäß, um das Haupt Jesu zu salben.
26,49: Judas kommt, um Jesus den Todeskuss zu geben.
In unserer Textstelle (19,16) kommt ein Mann mit der Frage: „Was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ Diese Person wird im Griechischen lediglich „jemand“ genannt („eis“). Es kann sich um jeden von uns handeln. Für diesen „jemand“, der sich an Jesus als „Meister“ wendet, gilt folgende Beschreibung:
– Er sucht nach ewigem Leben.
– Es handelt sich um einen jungen Menschen.
– Er beachtet die Gebote.
– Er ist kompromisslos eingestellt und entfernt sich traurig, weil es ihm unmöglich scheint, sich auf das von ihm erstrebte Ziel einzulassen.
Ganz am Schluss steht dann die Botschaft, dass man nichts braucht, wenn man einen „Schatz im Himmel“ besitzt. Wir wollen den Text nun etwas genauer betrachten. Er besteht aus zwei Teilen, die literarisch klar aufgebaut sind.
I. Dialog eines „Jemand“ mit Jesus
a) Zu Jesus kommen (Vers 16a)
b) Jesus fragen (Vers 16b)
c) Eine Antwort von Jesus erhalten (Vers 17)
b’) Jesus fragen (Vers 18a)
c’) Eine Antwort von Jesus erhalten (Vers 18b-19)
b’’) Jesus fragen (Vers 20)
c’’) Eine Antwort von Jesus erhalten (Vers 21)
a’) Von Jesus weggehen (Vers 22)
Dieser Dialog kreist um eine Gegenüberstellung, die letztlich einen inneren Konflikt ausdrückt, der um so stärker ist, weil es um den Sinn des ganzen Lebens und letztlich um das „jenseitige“ Leben geht. Und wenn es um das Ganze geht, wird auch alles eingefordert.
Vers 16: Dem „Kommen“ wird das „Weggehen“ (Vers 22 gegenübergestellt.
Vers 16: Das „ewige Leben Haben“ steht im Gegensatz zum Besitz eines „großen Vermögens“.
Innerhalb dieses Gesprächs spitzen sich die Gegensätze im Vers 21 zu. Dort werden gegenübergestellt: gehen – kommen, verkaufen – besitzen, den Armen geben – einen Schatz besitzen. Diese Gegenüberstellungen stehen wiederum im Kontrast zu der durchgehenden Frohbotschaft Jesu: in das ewige Leben eintreten, in den Himmel kommen, in das Reich Gottes gelangen (Verse 17, 23 und 24).
Der Jüngling sorgt sich um das Haben. Nachdem er bereits reich ist und daran gewöhnt ist, alles zu besitzen, will er in guter Absicht und auf der Spur seiner bisherigen Logik auch das ewige Leben besitzen. Jesus konfrontiert ihn mit einer neuen Logik: „Wenn du vollkommen sein ... und mir nachfolgen willst“, musst du auf jeden Besitz verzichten. Es handelt sich um vollkommene Enteignung angesichts des Absoluten, das ihn zu sich ruft. In diesem Sinne äußerte Romano Guardini: „Schon der Umstand, dass man irgendetwas besitzt, bedeutet reich sein. (...) Warum es hier geht, ist der Besitz an sich und für sich genommen.“ Benedikt erinnert uns daran, wenn er im Kapitel über die Werkzeuge der geistlichen Kunst schreibt: „Der Liebe zu Christus nichts vorziehen“ (RB 4,21). Ähnlich schreibt er am Schluss seiner Regel als glaubwürdiger Zeuge des christlichen und monastischen Lebens: „Christus sollen sie überhaupt nichts vorziehen. Er führe uns gemeinsam zum ewigen Leben“ (RB 72,11-12). Die Gebote des Gesetzes, die in negativer Form ausgedrückt werden, zeigen bereits die Notwendigkeit einer Verneinung, welche erst die Leere schafft, die neu zu füllen ist: es geht um Enteignung des Naturtriebs zu töten, Ehebruch zu begehen, zu stehlen und falsches Zeugnis abzulegen. Paul Beauchamp schreibt dazu: „Diese Verbote schaffen einen leeren Raum, in dem Gott nichts verlangt“.[1] In solchen Geboten ist das ganze Gesetz zusammengefasst.
Dann die Frage: „Was fehlt mir noch?“ (Vers 20) – „Wenn du vollkommen sein willst...“ (Vers 21). Das dabei verwendete Adjektiv teleios, abgeleitet vom Verb teleio, kann wörtlich so übersetzt werden: „auf eine abgeschlossene Handlung bezogen“, „an sein Ziel geführt“, „zur Reife gebracht“. Dieselbe griechische Wortwurzel findet sich in dem Text beim Wort „Gebote“ – entolé, was auf en teleios zurückzuführen ist, also die Vollendung im Blick haben. Der Jüngling ist also noch nicht bis zur Vollendung gelangt, auch wenn er die Gebote einhält. Er ist gefangen in einem Zwischenzustand von Verkauf und Besitz, mit den Armen teilen und persönlichen Besitz zurückhalten. So steht er erst am Beginn seines Weges. Baal Schem Tov, ein Rabbi des 17. Jahrhunderts und der Begründer der chassidischen Bewegung, hat uns folgende Perle der jüdischen Tradition überliefert:
„Das sind die Worte, die Mose vor ganz Israel gesprochen hat. Er sprach sie jenseits des Jordan, in der Wüste (Dt 1,1). Es gibt mehr als einen, der meint, Gott gefunden zu haben, und dennoch kennt er ihn nicht. Es gibt mehr als einen, der meint, nur aus der Ferne zu Gott seufzen zu müssen, und doch ist Gott ihm ganz nahe. Denke immer daran, dass du dich noch jenseits des Jordans befindest und noch nicht das gelobte Land betreten hast. Und auch wenn du viele Gebote eingehalten hast, denke daran, dass du noch nichts getan hast.“[2]
Der Jüngling mit all seinen vielfältigen Bemühungen ist noch ganz erfüllt von seinem persönlichen Besitz. Er kann für sich nicht akzeptieren, dass der Christus gerade im Verzicht zu finden ist.
II. Dialog zwischen Jesus und seinen Jüngern
a) Die Worte Jesu:
1. Ein reicher Mensch wird nur schwer hineingehen (Vers 23)
2. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr (Vers 24)
b) Die Frage der Jünger an Jesus: „Wer kann dann noch gerettet werden?“ (Vers 25)
a’) Die Worte Jesu:
1. für Menschen unmöglich (Vers 26)
2. für Gott ist alles möglich (Vers 26)
Im Zentrum des zugespitzten Gegensatzes – „Leichter geht ein Kamel...“ – springt dann dramatisch die Frage der Jünger auf: „Wer kann dann noch gerettet werden?“ (Vers 25). Dieser Ausdruck „gerettet werden“ findet sich häufig im Matthäusevangelium. Wir wollen seinem Vorkommen etwas nachspüren:
– Der Ausdruck ist mit dem Namen Jesu verbunden: „Du sollst ihn Jesus nennen, denn er wird sein Volk von seinen Sünden erretten“ (Mt 1,21);
– Der Ausdruck kann sich auf eine Gefahr beziehen: „Herr, rette uns, denn wir gehen unter“ (Mt 8,25);
Die Kernbotschaft unseres Textes lässt sich mit den Worten beschreiben: „Wer bis zum Schluss (eis telos) standhaft bleibt, wird gerettet werden (sotesetai)“ (Mt 10,22). Damit wird erneut die Perspektive der Vollendung eröffnet. Außerhalb dieser letzten Sichtweise kann nichts Vollendung finden. Für Jesus bedeutet „bis zum Schluss“ auch ganz konkret die Annahme des Kreuzes, das die Tür zum Leben darstellt. Dieses Vorhaben ist derart weitreichend, dass es nach den Worten Jesu nur mit Gottes Beistand gelingen kann. Damit lehrt uns Jesus die unverzichtbare Abhängigkeit von Gott, um Rettung zu erfahren. Auch er selbst hat sich selbst errettet. Dies war ja die spöttische Aufforderung, als er am Kreuz hing: „Wenn du wahrhaft Gottes Sohn bist, rette dich selbst und steige vom Kreuz herab“ (Mt 27,40). Und anschließend: „Andere hat er geholfen, aber sich selbst kann er nicht retten“ (Mt 27,42).
Jesus als Gott und Mensch wollte sich selbst nicht vom Verzicht ausnehmen, wie es Paulus im Philipperbrief 2,6ff sagt: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich […]. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.“ Sich selbst erretten hätte bedeutet, nicht in letzter Konsequenz auf alles zu verzichten, sondern stattdessen vom Kreuz herabzusteigen, dessen man nicht weiter bedarf. Doch gerade im Kreuz liegt der Schlüssel der Selbstentäußerung.
Schluss
Im Hebräerbrief heißt es, dass Mose die „Schmach Christi für einen größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens“ hielt (Hebr 11,26). Nach jüdischer Tradition erlangte Mose das ewige Leben aufgrund des Kusses Gottes.[3] Selbst wenn wir hundert Jahre alt werden und ständig im Dialog mit Gott leben, müssen wir uns wie er von mutig von äußeren Sicherheiten und Selbsttäuschungen trennen. Von „Anfang zu Anfang“[4] immer auf dem Weg in der Nachfolge Christi durch den faszinierenden Abgrund hindurch und ständig von der Frage angetrieben: „Was fehlt mir noch?“
1. Paul BEAUCHAMP, D’une montagne à l’autre, la Loi de Dieu, Paris, Ed. du Seuil, 1999, S. 33.
2. Martin BUBER, Vivre en bonne entente avec Dieu selon le Baal-Shen-Tov, Ed. du Rocher, 1990. S. 106.
3. Ovadiah CAMHY, Paroles du Talmud, Ed. Stock, 1951, S. 79.
4. Gregor von Nyssa, Leben des Mose, n. 1.

Mönch sein in einem jungen Mönchtum
3
Zeugnisse
Alex Echeandía OSB
Prior von Kloster Lurín (Peru)
Mönch sein in einem jungen Mönchtum
Das Wort „Erfahrung“ wird üblicherweise für ältere Personen angewandt, Männer oder Frauen, die über lange Zeit den Rahmen einer traditionsreichen Einrichtungen voller Gebräuche, Gewohnheiten und eines bestimmten Lebensstils kennengelernt haben. In diesem Sinn muss die Tradition des peruanischen Mönchtums als vergleichsweise jung bezeichnet werden, denn sie wurde erst mit einem benediktinischen Kloster in den 1960er Jahren begründet.
Es gab zwar schon früher die Bettelorden, aber die Tradition des „Mönchtums“ war in der Kirche von Peru nicht bekannt. Die spanische Krone verwehrte kontemplativen Mönchen den Zugang zu Südamerika, da dieser Kontinent als Missionsland betrachtet wurde. Christoph Columbus führte auf seiner zweiten Amerikafahrt zwei Franziskaner mit sich, wobei das Hauptziel in der Mission der Neuen Welt bestand. Mission bedeutete dabei vor allem Katechese und die Unterdrückung jeder Form nicht-christlicher Religion.
Tatsächlich unternahmen jedoch Mönche bereits Missionsaufgaben, bevor es überhaupt Bettelorden in der Kirche gab. In der frühmittelalterlichen Kirche gab es bedeutende Mönchsmissionare wie Columban, Augustinus von Canterbury, Bonifaz von Fulda und viele andere, welche das Evangelium in den nord- und osteuropäischen Raum trugen.
Der Umstand, dass die Bettelorden Ende des 15. Jahrhunderts eine derart dynamische Präsenz aufwiesen, war ausschlaggebend dafür, dass die spanische Krone gerade Franziskaner und Dominikaner auswählten, um die Mission Amerikas voranzutreiben. Dagegen befand sich damals das monastische Leben Spaniens in einer Reformphase. Das trug dazu bei, dass die Krone auf eine Anfrage bei den kontemplativen Orden verzichtete. Lediglich die Nonnen wurden gebeten, durch ihr Gebet und ihre Lebensform die Mission zu unterstützen. Dennoch gab es in der Geschichte Perus auch eine kleine Gruppe spanischer Mönche, die sich für einige Zeit ansiedelten. Es handelte sich um Hieronymiten und Mönche des Montserrat, die einfach still im Land lebten, ohne sich in irgendeiner Weise zu entfalten.
Beeindruckend ist auch die Geschichte eines Zisterzienserinnenklosters, das im 16. Jahrhundert von einer Witwe und ihrer Tochter, Lucretia de Sanzoles und Mencia de Vargas, in Lima gegründet wurde: das Kloster zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Mit Zustimmung des Papstes wurde dieses Kloster durch den damaligen Erzbischof von Lima errichtet, den hl. Toribio de Mogrovejo (1538-1606). Die Gemeinschaft bestand bis zu ihrer Auflösung in den 1960er Jahren. Doch kamen 1992 Zisterzienserinnen von Las Huelgas (Spanien), um das Kloster in einem südlichen Vorort Limas, nämlich in Lurín, neu zu gründen und so die traditionsreiche Geschichte weiterzuführen. Als sich jedoch keinerlei Nachwuchs einstellte, kehrten sie 2017 nach Spanien zurück und haben uns ihr Kloster übergeben, wo die Gründerinnen und die ersten Nonnen beerdigt sind. Wir leben jetzt an diesem Ort und setzen die Geschichte, die Tradition und vor allem das Gebet unserer Vorgängergemeinschaft innerhalb der peruanischen Kirche fort. Diese geschichtlichen Wendungen zeigen wohl, dass Gottes Führung auf ungewöhnlichen Wegen verläuft.
Ich wollte diesen geschichtlichen Hintergrund kurz erläutern, weil man daran erkennen kann, dass nach vier klösterlichen Anläufen, es vor allem Gottes Gnade ist, die uns überleben lässt. In Peru selbst sind wir die erste benediktinische Gemeinschaft, die allein aus peruanischen Mönchen besteht. Bislang ist das männliche Mönchtum in Peru praktisch unbekannt. Es ist der Herr selbst, der Männer dazu eingeladen hat, einen Lebensstil in Peru einzuführen, der seit den frühesten Zeiten der Kirche eine reiche Tradition aufgebaut hat.
Mir selbst war früher kaum etwas über das Mönchtum bekannt, da es dazu kaum Informationen innerhalb der Kirche Perus gab. Natürlich wusste man ungefähr Bescheid über die bereits im Land ansässigen Ordensgemeinschaften. Doch es gibt auch eine andere Berufung, bei welcher der Herr bei Männern und Frauen die Sehnsucht erweckt, ihn in einem dynamischen Lebensrahmen von Gebet und Arbeit, Stundengebet, lectio und Studium, Gastfreundschaft und geistlicher Begleitung innerhalb des Klosters, aber mit einer Ausstrahlung in die Welt und die Kirche hinein.
Mit zwanzig Jahren trat ich in das Kloster ein. Dabei traf ich auf eine kleine Gemeinschaft, die 1981, also zwei Jahre vor meiner Geburt, von der englischen Abtei Belmont gegründet worden war. Man hatte mich zu einem Aufenthalt eingeladen, und ich war überwältigt von der gewaltigen Freude, welche schon die erste Gebetszeit in mir hervorrief. Es war die Komplet. Ich fühlte mich gefangen genommen und berührt in meinem tiefsten Innern. Für mich war es eine seltsame und neue Erfahrung, diese erste Berührung mit dem klösterlichen Leben. Die konkrete Gottesbegegnung fand nun für mein Glaubensleben vor allem im Psalmengebet statt. Damals wusste ich kaum etwas von der monastischen Kultur. Erst nach und nach erfuhr ich immer mehr von ihrer Geschichte, den Reichtum, den Ursprung und die Ziele dieser Lebensform. Für mich war es eine Gottesbegegnung auf einem geheimnisvollem Weg. Der Herr offenbarte mir meine Berufung und meine Antwort darauf im Rahmen einer monastischen Lebensform.

Wie schon gesagt, gibt es im spanischsprachigen Südamerika kaum eine kontemplativ-klösterliche Tradition. Im Unterschied zum portugiesischen Brasilien entstanden die ersten Klostergründungen erst Ende des 19. Jahrhunderts. Interessanterweise hat sich damit im Unterschied zur Gesamtkirche die Entwicklung umgedreht: In der Gesamtkirche erwuchsen die aktiven Orden aus den kontemplativen, während hier die kontemplativen Orden erst am Schluss hinzutraten.
Meine Gemeinschaft und ich haben die Gegenwart Gottes im Laufe unseres Aufenthaltes im wüstenhaften Umfeld der peruanischen Gesellschaft erfahren dürfen. In meiner Gemeinschaft leben sieben Mönche mit Feierlichen Gelübden, es gibt zwei Postulanten und eine Reihe von Kandidaten.
Der Herr hat mich zum klösterlichen Leben in einem konkreten zeitlichen und geographischen Rahmen berufen. Dabei folgen meine Mitbrüder und ich Christus nach, indem wir uns nach der Regel Benedikts ausrichten. Wir wollen in dieser Weise in unserem Land das klösterliche Leben einführen, damit in allem Gott verherrlicht werde.
Selbstfindung im Kloster
4
Zeugnisse
Maria Terezinha Bezerra dos Santos OSB
Kloster Encontro (Brasilien)
Selbstfindung im Kloster
Ich wurde um ein Zeugnis über meine Erfahrungen im klösterlichen Leben gebeten. Persönlich würde ich meine Niederschrift lieber Teilen meines klösterlichen Weges nennen und was ich dabei bei meinem menschlichen, christlichen und spirituellen Reifen aufnehmen durfte.
Zunächst zu meiner Person: Als Benediktinerin gehöre ich zur Gemeinschaft von Encontro, die in Mandirituba im brasilianischen Bundesstaat Paraná lebt. Geboren bin ich weiter im Norden, nämlich in der Stadt Palmeira dos Índios, die im Bundesstaat Alagoas liegt. Mittlerweile habe ich 15 Jahre im Kloster verbracht und vor neun Jahren meine Feierlichen Gelübde abgelegt.
Für das christliche Leben gebraucht man gerne Verben, die Bewegung ausdrücken. Das ändert sich auch nicht im Kloster, denn auch dort geht die spirituelle Suche weiter.[1] Nach der Benediktusregel gilt bekanntlich die Gottsuche als erstes Kriterium, um eine monastische Berufung zu erkennen.[2] In erster Linie suchen wir Gott im Chorgebet, nach dem sich auch die Strukturierung des Tagesablaufes richtet. Dies war für mich eine wichtige Entdeckung, denn nun begriff ich, dass meine eigentliche Arbeit von niemand „gesehen“ und nur von wenigen Menschen geschätzt wird. Anerkennung und Lob kann ich nicht erwarten. Das war für mich anfangs nicht leicht, aber mit der Zeit verstand ich, dass mein oder vielmehr unser Dienst im Kloster Encontro, auch wenn er weniger geschätzt wird, als man sich wünschen würde, zunächst einmal geschenkte Gnade ist. Ich bin sicher, dass unser Gebetsleben und unsere Bitten für Kirche und Welt Früchte tragen, nur dass sie eben vom Herrn geerntet werden.
Ganz ehrlich: Früher konnte ich mir nie vorstellen, Ordensfrau zu werden und erst recht nicht Nonne. Aber dann hat Gott mein Leben so gelenkt, dass ich am Schluss nicht mehr Nein zu diesem Ruf sagen konnte. Das klösterliche Leben also lag mir ziemlich ferne, aber ein Freund war Benediktiner. In seinem Kloster, nämlich Santa Rosa im Bundesstaat Rio Grande do Sul, verlebte ich Exerzitien, die mir Klarheit darüber verschaffen sollten, ob ich in einen apostolischen Orden eintreten wollte. Bei meiner ersten Teilnahme an der Abendvesper geschah etwas, was ich mir selbst nicht erklären kann. Aber mir war anschließend klar, dass mich Gott zu einer solchen Lebensform berufen hatte. Daraufhin war ich zum Klostereintritt entschloss, wusste aber nicht wo. Mein Freund gab mir daraufhin die Adressen einiger Klöster, worunter sich auch meine jetzige Gemeinschaft in Encontro befand.

Als ich hier ankam, wollte ich zuerst am liebsten gleich wieder abfahren. Es sagte mir nicht zu, aber dann blieb ich doch die vorgesehenen acht Tage. Anschließend bat ich um eine Probezeit von drei Monaten. Und nun lebe ich bereits 15 Jahre hier. Mein „Ja“ wurde immer wieder geprüft und ging und geht durch viele Reinigungen hindurch. Dafür bin ich Gott sehr dankbar! Als ich ins Kloster eintrat, dachte ich, dass Heiligkeit irgendwie automatisch eintrifft. Ich kreiste stark um mich selbst und meinte, dass ich nun im Kloster friedlich in einem Winkel für mich leben könnte. Es fiel mir schwer, mich umzustellen und darauf einzulassen, dass Klosterleben eben nicht bedeutet, in seiner eigenen Privatwelt zu beten und leben. Ich entdeckte zunehmend, dass es eigentlich gerade das Gegenteil ist: Es bedeutet, seine Mauern zu verlassen und mich ständig auf andere einlassen, sei es im Gebet, im Gemeinschaftsleben oder in unserer Gastfreundschaft.
Unser Klostername ist Programm: „Encontro“ bedeutet „Begegnung“ und das entspricht auch dem Programm, das Papst Franziskus den Menschen nahelegt, nämlich eine Kultur der Begegnung zu schaffen. Diese Erfahrung habe ich bereits oft gemacht, will hier aber nur von drei Erlebnissen berichten, bei denen mir das Geheimnis der Begegnung unvermittelt aufleuchtete.
Die erste Begegnung bezieht sich auf mich selbst. Schon zu Beginn meiner Klosterzeit begegnete ich in mir einer Schwester Maria Terezinha, die ich so nie erlebt hatte. Es gab sie natürlich auch schon vorher, aber ich hatte sie vor mir selbst verborgen. Bisher lebte ich meine Gefühle und Beziehungen eher oberflächlich aus Angst davor, verletzt zu werden. Ich hatte auch Angst, dass die Leute einer Frau mit anstößigen Gefühlen begegnen könnten, wie Zorn und Eifersucht. Es war mir unerträglich, meine menschlichen und spirituellen Grenzen offen einzugestehen. Letztlich konnte ich meine eigene Menschlichkeit nicht ertragen. Eben diese Begegnung erwies sich jedoch als unerlässlich, um einen Weg der Selbstannahme und der Versöhnung mit meiner persönlichen Heilsgeschichte zu beginnen. Im Kloster wurde ich angenommen, so wie ich bin, ohne dass ich mich verstellen musste. Offen ich selbst zu sein mit meinen Vorzügen und Schwächen gab mir auch den Mut, meinen Bekehrungsweg weiterzugehen. Ich erfuhr, dass meine Mitschwestern Geduld mit mir haben und sogar in ihrem Schweigen mir vermitteln, dass sie mir vertrauen.
Damit komme ich zur zweiten Begegnung, nämlich der mit meiner Gemeinschaft. Die Erfahrung, dass die Gemeinschaft mich annimmt, schenkte mir die Einsicht, dass gerade der Austausch mit anderen mir hilft, aus mir herauszugehen. Dank des Gemeinschaftslebens habe ich in mir Fähigkeiten entdeckt, die ich selbst nicht kannte und entwickeln konnte. So wurde das Klosterleben für mich zur „Neugeburt“. Jeden Tag spüre ich, wie der Herr mich neu erschafft dank der Formung über meine Gemeinschaft. Er hilft mir, einen neuen Anfang zu suchen, heilt meine Wunden und erweist mir seine Liebe durch Menschen, denen ich früher eher aus dem Weg gegangen wäre. Ich musste lernen, wie ich mit Menschen zurechtkomme, die nicht unbedingt meine Ansichten teilen, ebensowenig wie ich ihre teile, die ich aber trotzdem respektiere. Dieser oft schwierige Weg half mir, den wahren Lebenssinn zu suchen und das im Rahmen des Klosters. Dank des Gemeinschaftslebens verstehe ich immer besser, dass ich nicht allein meinen Weg gehen kann und echte Beziehungen brauche, um meine Berufung so zu leben, wie der Herr es von mir will.
Nachdem ich begriffen hatte, dass ich mein Ordensleben nicht im Rückzug in einer Privatwelt, sondern nur gemeinsam mit den Mitschwestern leben konnte, ging ich daran, meinen Eigenwillen zunehmend zurückzudrängen. Dabei entdeckte ich, was es heißt, schon hier und jetzt am Aufbau des Gottesreiches mitzuwirken. Indem ich in einer Gemeinschaft lebe, diene und mitgestalte, erfülle ich meine Sehnsucht nach Christusnachfolge.

Eine dritte Erfahrung von Begegnung ereignet sich mit Gästen. Benedikt sagt uns, dass Gäste wie Christus empfangen werden sollen.[3] In der alltäglichen Praxis ist das jedoch gar nicht so einfach. Beispielsweise war mir zu Anfang unklar, warum ich mich zu ganz unpassenden Zeitpunkten auf Gäste einlassen sollte. Warum sollte ich meine Arbeit oder eine Gebetszeit verlassen, um mich mit Besuchern zu treffen? Langsam wurde mir dann klar, dass unsere Gäste hier den Frieden suchen. Für sie ist wichtig, dass sie als Menschen empfangen, angehört und geschätzt werden. Viele Besucher könnten sich jeden Luxus leisten, haben dabei aber noch keine erfüllende Erfahrung gemacht. Ich erfasste, dass sie bei ihrem Besuch bei uns letztlich den suchen, der allein ihren Hunger sättigen und ihre Leere füllen kann. Es handelt sich um Gottsucher und meine Art, mit ihnen umzugehen, kann bei ihrer Begegnung helfen. Jedes Mal, wenn ich einen Gast empfange, werde ich möglicherweise für diese Person zu einem Bindeglied zu Gott. Auch für mich sind diese Menschen ein Bindeglied, durch das Gott in mein Leben hineinwirkt. Gott braucht die Menschen und gebraucht Schwestern und Brüder dazu, um uns seine Gnade und Gegenwart mitzuteilen.
Das Teilen meiner Erfahrungen möchte ich beenden, indem ich dem Team von AIM meinen Dank ausspreche. AIM war in meinem ganzen Klosterleben präsent, zunächst durch den Beistand bei meiner Grundausbildung, dann durch die Organisation des Kurses für Novizenmeister und -meisterinnen und schließlich beim zisterziensischen Ausbilderkurs in Rom. Der Herr schenkt uns sicher seine Gnade, aber dafür muss ich mich auch öffnen können. Dank also an AIM, dass sie die klösterliche Ausbildung derart fördert und damit die Möglichkeit, sich für die Gnade des Herrn zu öffnen. Auf diese Weise erhalten wir das notwendige Rüstzeug, um das Klosterleben in guter Weise annehmen zu können.
1. Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben zum Jahr des geweihten Lebens, Nr. 2.
2. RB 58,7.
3. RB 53,1.
Eine Erfahrung innerer Freiheit im Blick auf die Vereinigung mit Gott
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Zeugnisse
Edmond Amos Zongo OSB
Kloster Koubri (Burkina Faso)
Eine Erfahrung innerer Freiheit
im Blick auf die Vereinigung mit Gott
In meinen folgenden Ausführungen versuche ich darzustellen, was Klosterleben in der Kirche und auch für mich zu bedeuten hat.
Heute erscheint vielen jungen Christen das Klosterleben ein Überbleibsel längst vergangener Zeiten zu sein. Das hängt damit zusammen, dass Mönchen kein direktes Apostolat zukommt. Ich muss meine Lebensform deswegen nicht eigens rechtfertigen, da die Quelle des Klosterlebens das Evangelium selbst ist, das lebendige Wort, und daher immer auf seine Weise nützlich ist. Aus der äußeren Sicht ist es leicht, sich positiv oder negativ über das Klosterleben zu äußern. Entscheidend ist jedoch die damit verbundene einzigartige Erfahrung, deren Beschreibung schwierig, aber auch lohnend ist. Ich selbst bin noch jung und mir fehlen viele der Erfahrungen, über die ich mich äußern soll. Im Grunde wäre das eher eine Aufgabe für echte Mönche, also Menschen mit einer Erfahrung von wenigstens dreißig Jahren im Ordensleben. Dennoch will ich im Folgenden nach besten Kräften meine Erfahrungen mitteilen.
Mein Name ist Edmond Amos Zongo. Ich fühlte mich wie viele andere zum Ordensleben berufen, als ich noch sehr jung war. So vertraute ich mich dem Priester an, der in meiner Heimatpfarrei für Berufungen zuständig war. Er wollte mich zuerst auf ein Kleines Seminar schicken, wo man für das Priestertum ausgebildet wird. Doch ich teilte ihm mit, dass ich mich eher für ein kontemplatives Leben berufen fühlte. Da ich bis dahin aber kein Kloster kannte, schien mir das selbst eher fernliegend. Der Priester kannte jedoch ein Benediktinerkloster im Erzbistum Ouagadougou und vermittelte mich dorthin. Gott sei es gedankt!
Mein erster Kontakt mit diesem Kloster fand im August 1995 statt. Nach mehreren Probeaufenthalten trat ich im Oktober 1997 in die Gemeinschaft ein. Nach Noviziatsende legte ich am 18. Oktober 2001 die Zeitlichen und am 10. Februar 2007 die Feierlichen Gelübde ab.
Wie in allen anderen Formen des Ordenslebens verpflichtet sich auch der Mönch auf die evangelischen Räte, die in der Tradition mit Armut, Keuschheit und Gehorsam zusammengefasst werden. Ordensleute in der Nachfolge der Benediktusregel legen ihre Gelübde in der Form von Gehorsam, Stabilität und conversatio morum ab, wobei letztere auch die evangelischen Räte umfasst. Das Mönchtum ist die älteste Form des christlichen Ordenslebens. Für mich ist wichtig, dass das Gebet wichtiger als die Arbeit ist. Als Ordensmotto wird gerne der Ausspruch „Ora et labora“ verwendet, wobei bewusst das Gebet am Anfang steht. Es steht nach der Tradition am Anfang, weil Benedikt nicht wollte, dass die Arbeit gegenüber dem Gebet den Vorrang hat. Bei uns gibt es ein Sprichwort für Kaufleute, das besagt: „Kunden vergehen, Gott bleibt bestehen.“ In ähnlicher Weise geht auch die Arbeit vorbei, aber das Gebet kann man immer pflegen. Andererseits ermahnt der Apostel Paulus auch die Christen: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“ (2 Tim 3,10). Denn Gott hat dem Menschen diese Erde anvertraut, damit dieser sein Werk fortsetze: „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du arbeiten“ (Gen 3,17-19). Zu den besonderen Verdiensten der Regel gehört die Wertschätzung der Arbeit: „Müßiggang ist der Feind der Seele“ (RB 48). So spielt also innerhalb der monastischen Werte jeder seine eigene und ergänzende Rolle. Dennoch steht im Zentrum das Gebet, da der Mönch jederzeit beten soll und damit auch bei der Arbeit.

Zur Armutsverpflichtung sei gesagt, dass man hier unterscheiden sollte. Es gibt die Armut des Evangeliums, die Jesus nahelegt, und eine Armut, die mit Elend zu tun hat. Im Elend kann man Gott nicht suchen. Ein Sprichwort drückt es so aus: „Wer vom Hunger zerfressen wird, ist taub für alle guten Worte.“ Die evangelische Armut ist freiwillig und hat als Ziel, was Jesus in den Seligpreisungen verheißt: „Selig die Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich.“ Als Jünger des Herrn habe ich mich bewusst für diese Form der Armut entschieden, um mich von allen Abhängigkeiten zu lösen und in Freiheit dienen zu können. Das gibt es wohl nur im christlichen Leben und im Ordensleben, dass Armut als Tugend betrachtet wird. Die meisten Menschen haben Angst davor, denn alle – ob jung oder alt – möchten die Freiheit genießen, während Armut zur Abhängigkeit zu zwingen scheint.
Das Versprechen der Keuschheit hilft gleichermaßen den Ordensleuten, sich ganz in den Dienst der Kirche zu stellen, um für jeden Bruder oder Schwester zu sein, egal zu welcher Rasse oder Kultur er gehört. Da wir weder Ehepartner noch Kinder haben, versuchen wir jeden Menschen mit der Liebe Christi anzunehmen: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ Ohne das Versprechen der Keuschheit scheint es mir schwierig, vielleicht sogar unmöglich, sich bedingungslos in den Dienst der universalen Kirche zu stellen. Aber mir ist natürlich bewusst, dass es sich um eines der am schwersten zu erfüllenden Gelübde handelt. Die aktuellen Skandale der katholischen Kirche rühren zu einem guten Teil eben vom Bruch dieser Verpflichtung her. Nach meiner Einsicht kann nur ein gelingendes Gemeinschaftsleben dabei helfen, dieses Gelübde in seiner Fülle zu leben. Es bleibt aber anspruchsvoll und kann uns manchmal an unsere Grenzen führen.
Ich komme zum Gelübde des Gehorsams. Benedikt befasst sich damit in den Kapiteln 5, 68 und 71, wobei das Kapitel 72 wohl nur eine Fortsetzung des vorhergehenden Artikels ist. Da ich in Burkina Faso dem Stamm der Mossi angehöre, bereitet mir dieses Ideal kaum Schwierigkeiten. In meiner Kultur wird man von Kindheit an zum Gehorsam gegenüber den Älteren erzogen. Doch handelt es sich dabei um denselben Gehorsam, von dem Benedikt spricht? Ich möchte das nicht ausschließen, weil Benedikt zwei Arten des Gehorsams kennt. Im Kapitel 5 spricht er vom Gehorsam gegenüber Vorgesetzten, während es im Kapitel 71 um den gegenseitigen Gehorsam geht. Die Kunst der Unterscheidung ist also gefragt, denn es fällt schwer, einer nachgeordneten Person zu gehorchen. Damit das möglich ist, muss der Mönch von der klösterlichen Lebenswelt durchdrungen sein. Ihm muss bewusst sein, dass er nicht Menschen gehorcht, sondern Gott selbst, der durch Menschen spricht. Wer eine derartige Spiritualität in sich aufgenommen hat, leidet nicht mehr unter dem Gehorsam.
Stabilität als Kerngelübde des Mönchtums bindet den Mönch an einen bestimmten Ort. Dort, wo sich der Mönch einsetzt, wird die Klostergemeinschaft zu seiner neuen Familie. Mehr noch als eine adoptierte Familie wird die Gemeinschaft zum Schatz für ihn. Stabilität hilft und verpflichtet uns zu einer Kultur des Friedens. Denn von nun an sehen wir tagtäglich dieselben Gesichter, also dieselben Personen. Dank der Stabilität können wir uns gegenseitig vertieft entdecken. Wir kennen jemand, weil wir mit ihm 15, 40 oder noch mehr Jahre in demselben Kloster gelebt haben. Solche Phänomene sind charakteristisch für das Klosterleben und eben der Stabilität zu verdanken.
Warum ziehen sich Mönche aus der Welt zurück, um in Verborgenheit zu leben? Je mehr sich die Seele ablöst, um so freier wird sie, um so sehnsüchtiger erwartet sie ihren Schöpfer und um so bereitwilliger lässt sie sich auf die Gnade ein. Jesus selbst weist uns auf den Wert der Zurückgezogenheit hin, um uns auf die Begegnung mit Gott einzulassen. Wenn Jesus sich zurückzog, ging es nicht um Erholung, sondern um das Gebet zu dem, den er Vater nannte. Die Mönche haben also weder das Gebet noch den Rückzug von der Welt erfunden als Wege der Gottesvereinigung. Denn jedes Mal, wenn Jesus etwas Wichtiges tun oder entscheiden wollte, zog er sich in die Einsamkeit der Berge zurück. Diese Berge stehen für die Wüste, von der die Mönchsväter immer wieder sprechen. In jeder Religion gibt es das Gebet. Es ist ein Zustand innerer Stille, die uns den Kontakt mit dem jenseitigen Gott erlaubt. Diese Liebe zur Stille drängt den kontemplativ veranlagten Menschen zu einer Zeit der Zurückgezogenheit und des Rückzugs in die Wüste. Das Schweigen gestattet ihm, eins mit dem Einzigen zu sein. Dank des Rückzugs von der Welt kann ich mehr Zeit dem Gotteslob und gleichzeitig dem Bittgebet für die Menschheit widmen.
Besonders gefällt mir beim Mönchtum das Gemeinschaftsleben, das Gebet in der Stille und die Arbeit. Leben muss geteilt werden. Der zönobitische Mönch lebt für sich, ohne allein zu sein. Gott geht mit ihm und lässt ihn in eine Gemeinschaft hineinwachsen. Dort lebe ich mit Mitbrüdern zusammen, die mit mir gemeinsam voranschreiten. Tagtäglich gehen wir kleine Schritte weiter, wobei jeder seinem eigenen Rhythmus folgt, um zur Vollendung zu gelangen. Diese Unterstützung und das Teilen betrifft alle Lebensbereiche: gegenseitige Dienste, Ermutigung und Wohlwollen. In der Gemeinschaft finde ich die Familie wieder, die ich hinter mir gelassen habe. Und die Gemeinschaft schöpft aus dem Gebet die Kraft für ein geschwisterliches Zusammenleben. Eine Gemeinschaft, der das Gebet fehlt, kann sich nicht als Ordensgemeinschaft bezeichnen. Es handelt sich allenfalls um eine Zweckvereinigung.
Aus der Arbeit gewinnt die Gemeinschaft ihren Lebensunterhalt: Benedikt wünscht, dass die „Brüder von der Arbeit ihrer Hände leben“ (RB 48,8). Für mich hat das Klosterleben innerhalb der Gesamtkirche eine ähnliche Funktion wie der Atem für den Körper. Wenn es kein Leben gäbe, das sich allein dem Gebet für sich und andere widmet, wäre unsere Welt dem Bösen ausgeliefert. Ich bin glücklich, dass ich Mönch bin, weil ich von der Nützlichkeit des monastischen Lebens überzeugt bin. Auch wenn mein Dienst unsichtbar bleibt, steht er fest und ist unersetzbar. Mein ganz persönlicher Dienst liegt im Gebet für die gesamte Menschheit. Nur Gott allein kann darüber entscheiden, für wen oder was mein Gebet gut ist. Er nimmt täglich meine kleinen Bemühungen entgegen. Andere Formen des Ordenslebens sind natürlich ebenfalls wichtig und sogar sehr wichtig, aber nicht unersetzbar. Selbst wenn es keine kirchlichen Schulen mehr geben sollte, kann der Staat diese Aufgabe weiterführen. Das gilt nicht für das Gebet. Selbst in den Staaten mit einer gewissen religiösen Tradition, kann die Regierung den Menschen nicht einfach Gebetspflichten auferlegen.
Beten im monastischen Rahmen bedeutet, dass wir Gott unser Leben, unseren Glauben und unser ganzes Sein übergeben. Er wird unsere Sicherheit, unsere Kraft und ganz einfach zur Quelle unseres Lebens. Mein Nächster kann mich verraten, Gott niemals. Mein Glaube und mein Vertrauen ruhen auf dem gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn, der so den sündigen Menschen retten wollte, wobei ich an vorderster Stelle stehe. Was liegt näher, als ihm meine tiefeste Dankbarkeit zu erweisen? Gott ist barmherzig und gerade im Klosterleben spürt man tief diese Barmherzigkeit, weil ich täglich auf sie zählen kann. Die Besonderheit unserer Lebensform beruht vielleicht auch darauf, dass wir zeigen, wie die Liebe (agápe) Gottes konkret wird oder vielmehr werden muss, denn wir lieben ja Gott entsprechend seiner Gebote. Wenn ich mit dem Psalm 132 singe: „Wie gut ist es und wie schön, wenn Brüder miteinander leben in Eintracht“, dann steht mir das schöne und schwierige Ideal des klösterlichen Lebens vor Augen. Im Gebet begegne ich Gott und kann mich an ihn als meinen Herrn und Retter wenden. Ich bin geschaffen, um in der ständigen Gegenwart Gottes zu leben. Ihm gegenüber habe ich mein Ordensleben zu verantworten. Denn der Ordensmann ist dem höchsten Wesen verbunden, das uns dazu anleitet, es immer tiefer zu entdecken. Dabei führt kein Weg am Gebet vorbei. In mein tägliches Gebet nehme ich alle Menschen hinein, die das Gebet dringend brauchen. Das Klosterleben richtet uns immer wieder neu auf das Ideal der Vollkommenheit aus: Den Herrn zu lieben ist mein größtes Glück.
Erwähnt sei noch eine andere Gebetsform, die mit dem Klosterleben eng verbunden ist: die lectio divina. Sie kann als Studium oder Lektüre geistlicher Werke verstanden werden. Im eigentlichen Sinn bezieht sie sich jedoch auf die Heilige Schrift. In anderen Religionen gibt es gleichfalls Formen der Meditation. Auch bei der lectio divina führt die Lektüre zur Meditation hin. Auf das Essen folgt die Verdauung. In ähnlicher Weise beruht die Meditation auf der Erinnerung, die emporsteigt und sich in Gebet oder Kontemplation verwandelt. Diese Schriftbetrachtung ähnelt dem Wiederkäuen von Nahrung und wird daher mit lateinischen Ausdruck „ruminatio“ bezeichnet. Das Nachsinnen der biblischen Texte führt zu einer Verwandlung des Lesers, dem der geistliche Sinn der Schrift aufgeht. Dieses Eindringen in den geistlichen Sinn geht von Christus selber aus. Aufgrund dieser Lesetradition ist jeder Mönch tief mit der Heiligen Schrift vertraut. Sie ist freilich auch eine Kunst, die gelernt und vermittelt werden muss. Auch wer das Alphabet beherrscht, kann deswegen noch nicht gleich lesen. Bei der lectio geht es um ein tieferes Verstehen.
Seit meinem Klostereintritt fühle ich mich ungeachtet aller Herausforderungen ausgesprochen wohl. Bei uns gibt es ein Sprichwort, wonach es kein schlechtes Land gibt, sondern man sich an die Umstände anpassen muss. Mein Lebensziel war immer die Vollkommenheit. Wenn man ein solches klares Ziel hat, kann man auch seine persönliche Mutlosigkeit überwinden, da das Ziel weiterhin Gültigkeit bewahrt.
Am Schluss möchte ich Sie um Nachsicht für diese Darlegungen bitten, die von einem jungen und unerfahrenen Mönch stammen. Was kann ein Anfänger schon fortgeschrittenen Ordensleuten mitteilen, welche die Werke Benedikts, Anselms von Canterbury und anderer großer geistlicher Lehrer studiert haben? Danke an alle, die dennoch Anteil an meiner Erfahrung nehmen.
Schwäche und Kraft einer Klostergemeinschaft
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Zeugnisse
Nichodemus Ohanebo OSB
Kloster Ewu-Ishan (Nigeria)
Schwäche und Kraft
einer Klostergemeinschaft
An einer Stelle seines schönen Buches „Briefe aus der Wüste“ schreibt Carlo Caretto: „Gott erbaut seine Kirche aus Steinen, die so zerbrechlich sind wie wir selbst.“ Das beschreibt treffend die Erfahrungen, die ich in meiner Gemeinschaft mache. Ob ein Gotteshaus oder ein Teil des Leibes Christi gesund ist, hängt weniger von den Tugenden oder Schwächen der Mitglieder ab als vielmehr von Gott selbst, der darüber entscheidet, ob eine neue Gemeinschaft entstehen und eine Verbindung zwischen einem kleinen Teil und dem großen Leib Christi entstehen soll. Anders ausgedrückt: Nicht die zerbrechlichen Steine machen das Bauwerk stabil, sondern die Gottesliebe, die in diesen Steinen glüht.
Wie es sich gehört, will ich zunächst kurz etwas zu meinem Kloster sagen. Das Kloster St. Benedikt wird meist Kloster Ewu genannt, weil es auf einem Hügel oberhalb des Dorfes Ewu-Esan im südlichen Nigeria liegt. Wir gehören zur Kongregation von der Verkündigung. Zum Tagespensum zählen Stundengebet, Arbeit und Gastfreundschaft und vor allem das geteilte Gemeinschaftsleben. Doch was bedeutet das konkret?
Ohne hier in Grundsatzüberlegungen über das Klosterleben eintreten zu wollen, möchte ich ganz allgemein sagen, dass unsere Gemeinschaft aus gestandenen Männern besteht, bei denen man alle spontanen und normalen (manchmal auch unnormale) menschlichen Gefühle findet und das ohne jeden Abstrich. Da wir ganz konkret mit unserer Menschlichkeit konfrontiert werden, ist uns nur zu gut bewusst, dass die Bekehrung und die Disziplin der Mönche ihren Sinn hat. Jeden Moment gilt es aufs Neue, die Ohren des Herzens auf das Gotteswort auszurichten. So wie in jedem Winkel des Klosters alle möglichen Pflanzen sprießen, so schießen unter uns Mönchen von Ewu die Blumen der Menschlichkeit empor, die bei jedem entsprechend seiner Anlagen anders aussehen. Um die Mönche hier zu verstehen, müsste man beinahe ein Gedicht schreiben, das ganz schlicht wäre und sich vom ständig wechselnden Alltag inspirieren ließe. Denn unser Alltag in seiner Natürlichkeit und konkreten Wirklichkeit erklärt vieles in unserem Leben. Meine Mitbrüder sind in unterschiedlicher Weise rational oder spontan veranlagt oder beides zugleich. Insgesamt befindet sich die Gemeinschaft ständig im Umbruch und erfindet sich immer wieder neu.

Für mich bedeutet das Klosterleben in Ewu eine lebendige Erfahrung des christlichen Lebens, das einerseits natürlich, aber auch übernatürlich ist und zutiefst menschlich. Wenn man hier lebt, entdeckt man sich selbst oder entdeckt sich neu und das auf eine Weise, die über das äußerlich Sichtbare hinausgeht. Wir nehmen die Gebet, die Arbeit und das Studium ernst, achten dabei aber auch sehr auf die Eigenheiten jedes Mönches. Der eine braucht Hilfe, der andere weist viele Schwächen auf und wieder ein anderer geht seinen klaren Weg. Ein Beispiel für unseren Alltag: Bei einer Mahlzeit nahm einmal ein Novize den Platz neben dem Prior ein, da alle älteren Mönche abwesend waren. Nach dem Essen fragte man ihn, wie es ihm dabei ergangen sei. Er meinte, dass er sich gefühlt habe, als ob er zum Subprior ernannt worden sei. Alle lachten. In einer anderen Gemeinschaft hätte man über eine solche Antwort vielleicht nicht gelacht und ihn sofort entlassen, da er einen Mangel an Demut gezeigt habe. Bei uns in Ewu werden solche Vorkommnisse einfach hingenommen. Natürlich heißt das nicht, dass alle Auswüchse und Grenzüberschreitungen akzeptiert werden. Aber als Gemeinschaft unvollkommener Menschen erlauben wir auch, dass jedes Mitglied auf seine Weise die ihm gegebenen Saiten anschlägt und dabei mit besten Kräften sein Lied spielt, so wie es geheimnisvoll aus seinem Herzen und dem Alltag emporsteigt.
So finden wir in Ewu trotz Konflikten und Versöhnungen, Missverständnissen und Konfrontationen letztlich zu einer harmonischen Vision, welche die Unterschiede überbrückt. Dabei werden viele Wunden geheilt, aber manche bleiben auch sichtbar wie ein Narbe im Gesicht. Diese Gesichtsnarben halten der Gemeinschaft einen Spiegel vor und erinnern an die Folgen schlechter Entscheidungen. Wenn ich unser Gemeinschaftsleben betrachte und dabei meine eigene Schwäche berücksichtige, sehe ich bei jedem Mitbruder gewisse Grenzen und dennoch steckt in jedem ein potentieller Heiliger. Unsere Lebensweise erweckt in mir manchmal das Gefühl, dass wir dringend Hilfe benötigen und zugleich denke ich, dass wir auch anderen helfen könnten. Und das spirituell, psychologisch, medizinisch, emotional und sogar im sexuellen Bereich, also bei allem, wo sich Berührung und Unsagbares, das Konkrete und das Geheimnisvolle durchdringen.
Wer unter seinen eigenen Möglichkeiten bleibt, verweigert sich letztlich, in der Wahrheit und in der Tiefe Fortschritte zu erzielen. Wir Mönche in Ewu sind uns unserer Unvollkommenheit bewusst. In spiritueller Hinsicht müssen wir auch den Finger in diese Wunde legen, unsere Schattenseiten erkennen, ihnen einen Namen geben und sie ins Licht bringen, um sie so Gott vor dem Hintergrund unseres Ordenslebens anzuvertrauen. Nach meiner Aufassung suchen wir hier aufrichtig nach Gott, dem Vater Jesu. Das bedeutet aber auch, dass wir eine Gemeinschaft von Sündern sind. Wenn Sie also vollkommene Mönche treffen wollen, besuchen Sie uns besser nicht. Dennoch möchte ich nicht ausschließen, dass unter uns einige Heilige leben.
Das alles sage ich nicht, weil ich Werbung für Ewu machen möchte. Mir geht es lediglich um die nüchterne Feststellung, dass wir eine Gemeinschaft im Aufbruch sind und auf der Suche nach einem authentischen Leben, das aus der Mitte des Herzens und der konsequenten Gottessuche entspringt. Dabei durchlaufen wir Krisen wie jede menschliche Gruppierung, aber auch im Bemühen, unseren Alltag in Schlichtheit und Gewissenhaftigkeit zu bewältigen und immer auf der Suche nach unserer persönlichen Note und unserer individuellen Musik, die wir zum Lob Gottes erklingen lassen wollen. Letztlich wollen wir so in Harmonie mit dem großen Leib Christi leben. Täglich beten wir darum, dieses letzte Ziel zu erreichen, damit Christus in allem verherrlicht werde und er „uns alle zum ewigen Leben führe“ (RB 72,12).
Herausforderungen und Freuden des südafrikanischen Klosterlebens
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Zeugnisse
Antoinette Ndubane OSB
Kloster Elukwatini (Südafrika)
Herausforderungen und Freuden
des südafrikanischen Klosterlebens
Einleitung
Bei meinen erläuterungen zum Klosterleben in Südafrika werde ich folgende Themen berühren:
– die Realität unseres Klosterlebens;
– Anziehungspunkte, um in Südafrika in ein Kloster einzutreten
– Herausforderungen und Freuden unseres Klosterlebens.
Die Realität des Klosterlebens in Südafrika
Als ich 2002 in ein Benediktinerinnenkloster eintrat, wusste ich praktisch nichts über das Klosterleben. Ich dachte, es handele sich um eine Ordensgemeinschaft nach Art vieler anderer, die mir bereits bekannt waren. Es bedurfte einiger Zeit, bis mir bewusst wurde, dass zwischen apostolischen und monastischen Orden ein erheblicher Unterschied besteht. Diese Verwirrung gilt nicht nur für mich, da wohl viele Ordensgemeinschaften ihre eigene Identität nicht klar erfassen.
Mir wurde also zunehmend klar, dass Klosterleben nicht nur bedeutet, dass man innerhalb eines Klostergebäudes wohnt. Es bedeutet, dass man mit seiner gesamten Persönlichkeit sich für eine Gemeinschaft entschieden hat. Für mich ähnelt Kloster in gewisser Weise einer Universität oder einer Schule, deren Studien sich auf Leben an sich beziehen. Was man dabei mitnimmt, kann ganz unterschiedlich ausfallen: Man kann beispielsweise allein die negativen Seiten studieren oder sich auf die positive Seite konzentrieren oder auch beide Zugänge vertiefen.
Wie ist so etwas möglich? Gelegentlich höre ich den Satz: „Früher wusste ich bei Streitigkeiten nicht, wie ich mich wehren soll. Aber jetzt weiß ich es.“ Man kann also durchaus auch schädliche Dinge lernen. Aber natürlich gibt es sehr viel Gutes, das man aufnehmen kann: Handarbeit, Gebet, Lebensgewohnheiten, wie man ein guter Christ und ein ernstzunehmender Mensch wird und vieles mehr. Ein Kloster ist ein Haus des Gebetes, wo Menschen des geweihten Lebens wohnen. Es ist ein wenig, als ob Gott selbst in diesem Haus wohnt und über sein Wohlergehen wacht. Nach meiner bisherigen Erfahrung ähnelt das Kloster auch einer Quelle, aus der man schöpft, um Menschen zu trinken zu geben, die nicht dem Ordensstand angehören. Daher dienen die Gebets- und Meditationszeiten auch dazu, um aus der Quelle zu schöpfen und an andere Menschen weitergeben zu können, die auf der Suche nach Gott und seiner Gnaden sind. Daher ist auch eine Atmosphäre des Schweigens so wichtig: Erst im Schweigen kann ich die Stimme Gottes vernehmen.
Ist das Klosterleben in Südafrika eine Realität?
Wie steht es um die Realität des Klosterlebens in unserem Weltteil? Darauf muss man mit einer gewissen Unterscheidung antworten. Einerseits gibt es eine Realität, da Klöster in Südafrika vorhanden sind und dort Ordensleute wohnen. Die andere Seite ist, dass es nur wenige sind und noch weniger einheimische Ordensleute.
Eine weitere Frage lautet: Sind sich die Bewohner der Klöster über ihre Berufung im Klaren? Es kommt durchaus vor, dass manche Ordensleute ihre Berufung nicht mehr richtig verstehen, obwohl sie schon älter sind und schon lange dem Orden angehören. Ständige Anforderungen von außen lassen gleichfalls die Frage aufsteigen, ob Klosterleben bereits Wirklichkeit in Südafrika ist. Auch die Herausforderungen der modernen Welt werfen die Frage auf, ob heutzutage überhaupt noch klösterliches Leben in aller Konsequenz umsetzbar ist. Natürlich sollte es möglich sein, aber die drängende Frage lautet: „Wie?“ Diese Frage kann man sich durchaus bis ans Lebensende stellen und solches Fragen hilft dabei, die eigene Berufung lebendig zu halten, sie klarer zu erfassen und zu vertiefen. In mancher Hinsicht wirkt das Klosterleben wie ein importiertes Produkt aus dem Ausland, in anderer Hinsicht aber auch schon verwurzelt. In gewisser Weise wirkt es immer noch wie mit dem Schiff antransportiert. Es war stark mit den Menschen aus dem Ausland verbunden, die es hierher gebracht haben. Darum verbinden die südafrikanische Kirche und die Menschen das Klosterleben vielfach noch mit dem Ausland. Andererseits entsprechen viele Seiten dieser Lebensform einheimischen Traditionen wie Respekt und Gastfreundschaft und anderes mehr.
Wie fühlt man sich als Klostermitglied in Südafrika?
Jedes Klostermitglied hat wohl manchmal das Gefühl, dass ihm ein Stück Leben entgeht. Doch diese Gefühle gehen wieder vorbei, vor allem, wenn man sich einer Klosterfamilie zugehörig fühlt. Zu den wesentlichen Seiten des Klosterlebens gehört die Ausbildung, und zwar nicht nur am Anfang, sondern in der gesamten Klosterzeit. Dieses Thema spielt eine wichtige Rolle bei den Ordenskonferenzen, vor allem bei südafrikanischen Ordenskonferenzen wie BECOSA (Benediktinische Gemeinschaften in Südafrika). Die hier angebotenen Veranstaltungen helfen uns südafrikanischen Ordensleuten sehr. Bei jedem Ordenstreffen spielt auch die Aus- und Weiterbildung eine Rolle. Dank dieser Bemühungen können wir unser Ordensleben bewusster leben und weiterentwickeln. Daher spielen auch die verschiedenen Kurse und die Jahrestreffen von BECOSA eine bedeutende Rolle in unserem klösterlichen Alltag und stärken auch das Gefühl, zu einer größeren Familie zu gehören. Besonders die BECOSA-Treffen stärken die einzelnen Gemeinschaften und Ordensleute und man fühlt sich nach jeder Teilnahme wieder neu aufgebaut. Daher sind auch die dort organisierten Kurse ausgesprochen beliebt, vor allem bei denen, die der geistlichen Stärkung besonders bedürfen, also Ausbilder und Ordensleute in der Grundausbildung.

Herausforderungen und Freuden
Das Klosterleben kann ganz und gar erfüllend gelebt werden. Für mich ist dadurch meine größte Sehnsucht erfüllt worden, konsequent christlich zu leben. Als junge Südafrikanerin fühle ich mich in der benediktinischen Welt in zwei in positiver und negativer Weise herausgefordert. Meine Altersgenossen haben überwiegend schon Verantwortung übernommen, haben eigene Familie, Beruf, Eigentum und so weiter. Diese Werte sind ihnen wichtig. Wenn man mich anschaut, scheine ich nichts zu besitzen. Aber trifft das wirklich zu? Was mich betrifft, fühle ich mich glücklich und vermisse nichts. Natürlich erwartet man in Südafrika, dass ein erwachsenes Kind seiner Familie in irgendeiner Weise hilft. Ich kann meiner Familie in sichtbarer Hinsicht nicht beistehen, aber ich bete für sie. Diese Haltung einzunehmen, fiel mir anfangs nicht leicht. Ich denke aber, dass mein Beitrag dennoch für meine Familie wichtig ist, weil ich ihr Jesus Christus schenke, der mein größtes Gut ist. Ich bete auch nicht nur für meine Familie, sondern auch für meine Freunde und alle, die meine Zuwendung brauchen.
Eine große Herausforderung ist heutzutage der Umgang mit den sozialen Medien. Wohl ziemlich jeder südafrikanische Jugendliche hat ein Handy. Beim Umgang mit den sozialen Medien braucht es eine gewisse Selbstdisziplin. Daher frage ich mich auch jedes Mal, wenn ich zum Handy greife, ob meine geplante Kommunikation wirklich nötig ist. Hilft es meinem Ordensleben? Wo setze ich Grenzen? Als ich vor 17 Jahren hier eintrat, war es noch üblich, dass unsere Vorgesetzte ein- und ausgehende Briefe las. Heute kommunizieren wir mit Emails und Whatsapp, wie wir wollen. Diese Kontrolle besteht nur noch aus meinem Gewissen.
Ein anderer Umstand des Ordenslebens muss noch bedacht werden. Jeder Mensch hat ein Grundgefühl, dass ihm viele oder wenige Chancen geschenkt sind. Dazu zählen Studien, Entdeckungen, Freiräume und vieles mehr. Von außen betrachtet, scheinen wir Klosterangehörige kaum derartige Chancen zu besitzen. Doch bei genauerem Hinsehen eröffnen sich im Raum des Klosters enorme Unternehmensfelder, je nach dem jeweiligen Einsatzbereich.
Schweigen
Das Schweigen ist ein Kernelement des Klosterlebens. Obwohl es so wichtig ist, fällt es schwer, im Schweigen zu verharren. Man muss dabei auch bedenken, dass jemand noch lange nicht schweigt, nur weil er nichts sagt. Ebenso gut kann es bedeuten, dass ihn gerade im Innern zahlreiche Sorgen belasten und mit ihrem Lärm erfüllen. Ein Kloster kann eine Atmosphäre der Ruhe schaffen, welche den Bewohnern und Besuchern den Raum für eine Gottesbegegnung eröffnet. Dazu ist nötig, dass man seine eigene Form des Schweigens findet, um sich im Lauschen auf Gottes Wort einzulassen. Viele Fragen können unser inneres Schweigen beeinträchtigen, aber man kann auch seinem persönlichen Schweigen den Vorrang geben. Dieses erkämpfte Schweigen ist äußerst befriedigend und schenkt uns die Freude, Gottes Nähe zu erfahren. In der Welt herrscht viel Lärm, aber im Kloster findet man doch eine hilfreiche Grundatmosphäre der Stille. Natürlich muss man sich gegen die Zerstreuung zur Wehr setzen.
Es gibt noch weitere Strukturelemente unseres Klosterlebens: das Gemeinschaftsgebet, das wir mehrmals täglich beten, die tägliche Eucharistiefeier, die lectio divina, das Gemeinschaftsleben an sich, die Konventexerzitien, geistliche Begleitung und vieles mehr. Diese Tätigkeiten tragen uns, und wenn man sie ernst nimmt, wird das Klosterleben möglich, das manchmal auch aufreibend sein kann. Ich war immer davon überzeugt, dass Christus unter uns weilt. Gelegentlich treten aber Umstände ein, die uns für seine Gegenwart blind machen. Wir meinen dann, dass er weit weg ist oder unsere Lebensform ihre Gültigkeit verloren hat. Dann muss man um so fester an seine Gegenwart und seinen Ruf glauben. Das hat mich bisher immer getragen. Der Herr schenkt dann echte Freude und wahren Trost.
Schluss
Für einen jungen Südafrikaner des 21. Jahrhunderts ist das Klosterleben eigentlich keine ernsthafte Option. Es handelt sich um eine spezielle Berufung von Gott, die nur wenige betrifft, die dazu ausersehen sind. Wir dürfen diese Lebensform jedoch als kostbaren Schatz annehmen, der uns aus Liebe geschenkt wurde. Gott beruft Menschen zu dieser Lebensform, wenn sie ihm auf diesem Weg besser dienen können. Das schließt nicht aus, dass trotz Berufung manche im Chorgebet ständig falsch singen. Man muss das entweder so hinnehmen oder sich ununterbrochen ärgern. Im Kloster als einer Schule des Herrn leben auch alle möglichen Arten von Schülern. Man kann sich die Frage stellen: Zu welcher Schülerart zähle ich? Und wie gehe ich mit den anderen Schülern um? Mit diesen Fragen will ich abschließen.
Erste Schritte im Klosterleben
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Zeugnisse
Rosa Ciin OSB
Kloster Shanti Nilayam (Indien)
Erste Schritte im Klosterleben
An den Anfang möchte ich einen kleinen Bericht stellen, wie die Stimme des Herrn zu mir gelangte. Als Jugendliche führte ich ein unbeschwertes Leben mit meinen Freunden und beschäftigte mich mit den Sachen, die alle in diesem Alter interessiert. Eines Tages kam ich an unserer Pfarrkirche vorbei und sah ein Papier auf der Straße liegen. Ich nahm es neugierig in die Hand und las es. Es ging darin um ein Benediktinerkloster. Mir gefiel sofort alles, was da stand, und mir war klar, dass ich in ein Kloster eintreten wollte.
Auf einmal begann ich über den Sinn des Lebens nachzudenken. Ich fühlte, dass mein spontaner Entschluss und sein Auslöser ein Zeichen Gottes waren. So war es für mich beschlossen, dass ich im Klosterleben meine Nachfolge des Herrn verwirklichen wollte. Die Sehnsucht, Gott nahe zu sein, wurde mir auf einmal zu einem drängenden Bedürfnis. In der Welt gab es viele Zerstreuungen, die mich von Gott wegzogen. Ich schloss mich also meinem jetzigen Kloster an, auch wenn meine Eltern darüber nicht sonderlich glücklich waren. Meinerseits muss ich auch eingestehen, dass mir die Trennung von Eltern, Geschwistern und dem Freundeskreis schwer fiel.
Doch sobald ich im Kloster eintraf, fühlte ich mich zu Hause. Die Schwestern gingen auf mich zu und vermittelten mir das Gefühl, dass ich hier eine Heimat gefunden hatte. Mein Kloster ähnelt der Urgemeinde in Jerusalem, wo allen alles gemeinsam war, und die Christen in Eintracht zusammenleben, auch wenn sie unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedlichen Kulturen angehören. So war ich von Herzen froh. Die Gemeinschaft ist von einem schönen Familiengeist beseelt. So vergaß ich auch, dass mir früher die sozialen Netzwerke und das Handy so unglaublich wichtig gewesen waren. Natürlich bereiten diese Dinge Freude, die allerdings auch schnell vorübergeht. Doch im Kloster lernte ich eine tiefere Freude kennen, die aus der Liebe zum Herrn und zu jeder einzelnen Schwester der Gemeinschaft entspringt. Nachdem ich diese geschwisterliche Zuwendung kennengelernt habe, sind die Freuden der Welt für mich in den Hintergrund getreten. Ich schätze inzwischen die Welt und ihre Chancen auf andere Weise: Alles ist gut, wenn es zum Besten der Mitmenschen verwendet wird.
Obwohl am Anfang alles wunderbar schien, traten irgendwann Schwierigkeiten auf. Von Natur aus möchte man gerne unbeschwert leben und sich das Leben leicht machen, aber jede Lebensform hat nun einmal ihre Herausforderungen, auch wenn mir das Klosterleben nach wie vor eine tiefe Freude bereitet.
In meiner Gemeinschaft ist allen alles gemeinsam. Handy und Internet benutzen wir nur, wenn es unbedingt nötig ist. Es fällt manchmal schwer, mit Leuten zusammenzuleben, die ganz andere kulturelle Hintergründe haben. Aber als ich immer mehr in das Klosterleben hineinwuchs, fühlte ich mich dennoch von einem tiefen Frieden und einer inneren Heiterkeit erfüllt. Hilfreich ist auch das Schweigen und die Ruhe, die im Kloster herrscht. So können wir auch den Hilfeschrei der Armen und Entrechteten hören, der aus der Welt zu uns dringt, und ihnen durch Gebet und Verzicht beistehen.
Das Gemeinschaftsleben hilft mir dabei, mit jeder Schwester im Frieden zu leben und uns gegenseitig zu dienen. Dadurch gehe ich aus mir heraus und nehme Anteil an den anderen, indem ich ihre Probleme und Anliegen teile. So verringert sich mein Kreisen um mich selbst und die Mitmenschen werden mir wichtig. An der Lebensorientierung der Benediktusregel gefällt mir vor allem die Gastfreundschaft und die Zuwendung zu den Armen. Als Kandidatin habe ich kaum Kontakt mit der äußeren Welt, doch ich versuche, sie durch mein Gebet und Opfer zu segnen. Die geschwisterliche Gemeinschaft und uneigennützige Liebe sind ein Zeichen für unsere Welt, dass unser Leben und unsere Liebe stärker sind als alle Gegensätze. Mit zunehmendem Alter schätze ich das Klosterleben immer mehr. Benedikt sagt selbst im Prolog, wer im Klosterleben voranschreitet, dessen Herz wird weit und er eilt den Weg der Gebote Gottes mit unaussprechlicher Liebe. Meine bisherige Erfahrung geht dahin, dass das Klosterleben leicht und freudig ist, und ich jedes Erlebnis mit dem Herrn teilen kann. Meine Annahme dieser Lebensform ist jedoch nur möglich, weil Gott mir beisteht und ich in ihm geborgen bin. Seine Last ist leicht und sein Joch drückt nicht, wenn ich meine Schwierigkeiten auf ihn werfe. Viele Leute können mit dem Klosterleben nichts anfangen, aber mir wird es jeden Tag wichtiger und lieber. Ich bete darum, dass auch viele andere in sich diese Berufung entdecken, dass sie dem Herrn im Ordensleben tiefer folgen können.

Beiträge des Klosters Bafor zur lokalen Entwicklung
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Wirtschaft und klosterleben
Katrin Langewiesche
Institut für Ethnologie und Afrikastudien,
Universität Mainz
Zwischen Kooperation und Konflikt: Beiträge des Klosters Bafor zur lokalen Entwicklung
Zusammenfassung der Master Diplomarbeit in Soziologie von Anne Nonna Dah an der Katholischen Universität Bobo-Dioulasso, Burkina Faso, betreut von Prof. Amandé Badini und Dr. Jacques Thiamobiga: „Intégration des Cisterciennes de Notre Dame de Bafor dans les villages environnants”.
Anne Dahs Masterarbeit analysiert die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen, die durch die Anwesenheit des Klosters der Bernardinerinnen von Esquermes in Bafor, Burkina Faso, ausgelöst wurden. Die Ergebnisse ihrer Forschung sind zweifellos sowohl für die Entwicklungssoziologie, Disziplin zu der Anne Dah gehört, als auch für die Soziologie des Mönchtums interessant. Die Nonnen des 2005 in Bafor gegründeten Zisterzienserklosters der Bernardinerinnen von Esquermes führen ein kontemplatives Leben. Trotz ihres Rückzugs aus der Welt haben ihre Handlungen unweigerlich Auswirkungen auf die Gesellschaft, in der sie etabliert sind, und bewirken ökologische und soziale Veränderungen, die Anne Dah in ihrer Arbeit analysiert. Der erste Teil der Studie widmet sich den sozialen Wahrnehmungen des Klosters und seiner Bewohnerinnen durch die lokale Bevölkerung. Wie nehmen die Nachbarn des Klosters die Nonnen wahr? Der zweite Teil analysiert die Wechselwirkungen zwischen dem Kloster und seiner Umgebung und den Beitrag des Klosters zur Entwicklung des Dorfes. Die Autorin konzeptualisiert Entwicklung als einen Transformationsprozess in Verbindung mit ökologischen und sozialen Dimensi onen, eine Form des sozialen Wandels, die durch voluntaristische Handlungen induziert wird und manchmal zu unerwarteten Ergebnissen führt.
Das Dorf Bafor liegt im Südwesten Burkina Fasos, fünfzehn Kilometer südlich von Dano, der Hauptstadt der Provinz Ioba. In der Diözese Diébougou gelegen, beherbergt es seit den 2000er Jahren den beginnenden Klosterbau. Auf Einladung von Bischof Jean-Baptiste Somé ließen sich die Zisterzienser-Bernardinerinnen von Esquermes in diesem Bistum nieder. Die ersten fünf Nonnen aus Goma, aus der Demokratischen Republik Kongo, zogen am 19. November 2005 nach der Einweihung des neuen Klosters Notre Dame de Bafor dort ein. Bafor ist ein Dagara-Dorf dessen Bevölkerung zum größten Teil nach wie vor an die Kulte der Vorfahren gebunden ist. Dass diese Bevölkerung das Kloster willkommen geheißen hat, bedeutet nicht, dass sie auch dessen Religion übernommen oder die Lebensweise der Nonnen akzeptiert hat.

„Wenn du zu ihnen gehst, musst du die Glocke läuten“: Repräsentationen im Umfeld des Klosters.
Nach den Vorstellungen der Dagara werden Frauen mit dem Haus assoziiert und die Bestimmung jedes Mädchen sind Ehe und Kinder. Frauen habe kein Anrecht auf Landbesitz. Sich das Leben einer Frau außerhalb dieser Konventionen vorzustellen, ist in dieser Gesellschaft kaum denkbar. Demzufolge erscheinen kontemplative Frauen der Bevölkerung als radikal andere Wesen. Ihre Lebensweise wird toleriert, da sie Fremde sind, bleibt aber dennoch suspekt, da sie den Dagara-Mädchen zeigt, dass das Leben außerhalb von Haus und Ehe möglich ist. In den Augen der Bevölkerung sind aktive Schwestern bereits eine Kuriosität, die toleriert wird, während Nonnen als marginal wahrgenommen werden: ohne Ehemänner, ohne Kinder und ohne Väter und Mütter. Ohne diese Lebensweise zu bewerten, akzeptieren die Bewohner von Bafor, dass sich die Nonnen nach ihrer Weltsicht entfalten und passen sich an einige ihrer Praktiken an:
„“Wenn du zu ihnen gehst, musst du die Glocke l.uten“. Sie erlauben es ihren Kindern, ins Kloster zu gehen und an Messen und Gebeten teilzunehmen. Manchmal begleiten Eltern ihre kleinen Kinder anlässlich der großen Feiertage wie Weihnachten und Ostern.
Die Gemeinschaft der Nonnen ist klein. Ihre Anzahl variiert zwischen 5 und 7 Mitgliedern. Ihre Ausgänge sind begrenzt, was für die Bevölkerung unverständlich bleibt. Ein Kioskverkäufer ist überrascht: „Ich habe eine von ihnen das letzte Mal getroffen und sie sagte mir, dass sie seit zw.lf Jahren hier ist, aber sie war noch nie im Zentrum des Dorfes von Bafor. Ihre Grenze ist die asphaltierte Stra.e.“ Das Bild, das die Nonnen der Gesellschaft vermitteln, ist das von „Frauen des Gebets“, die eingeschlossen leben und unter sich bleiben wollen. Dazu tragen die Regeln, um mit ihnen kommunizieren zu können, die Stille des Ortes und der regelmäßige Aufruf zum Gebet bei. „Für mich sind das Frauen des Gebets. Wenn ich dorthin gehe, sehe ich sie selten. Sie kommen nicht heraus, nur das Gebet z.hlt.“
Die Nachbarn des Klosters haben somit zwei der wesentlichen Merkmale des weiblichen Klosterlebens verstanden: Gebet und Klausur. Dagegen wird die Arbeit, die notwendig ist, um die Gemeinschaft zu ernähren und den Armen zu helfen, nicht als ein wesentliches Element im Leben der Nonnen erwähnt. Die Repräsentationen des Klosters verändern sich offensichtlich durch die Wechselwirkungen der Bernardinerinnen mit dem sie umgebenden Milieu. Tatsächlich kommunizieren die Nonnen nicht häufig mit der Bevölkerung, sowohl auf Grund der Einschränkungen der Klausur, als auch der mangelnden Beherrschung der Dagara-Sprache, der Isolation des Ortes und dem Wunsch, die Interaktionen zu begrenzen, um nicht von den vielen Anfragen der Bevölkerung überwältigt zu werden.
Ein Zusammenleben zwischen Kooperation und Konflikt
Das Zusammenleben der Nonnen und der aufnehmenden Bevölkerung ist gekennzeichnet durch ein Nebeneinander, das zwischen gegenseitigem Unwissen, Kooperation und Konflikt um den Zugang zu Land und der Nutzung natürlicher Ressourcen schwankt. Die verschiedenen Interessengruppen haben in diesen Fragen nicht die gleichen Ansichten. Für einige pflegen die Nonnen seit ihrer Ankunft vertrauensvolle Beziehungen zur lokalen Bevölkerung dank ihrer Freundlichkeit und Disponibilität. „ihre Art, mit Menschen in Kontakt zu treten, zu wissen, wie man Menschen aufnimmt, diese Freundlichkeit und dieses Verständnis, denke ich, das trägt viel“ zur Verständigung bei, erklärt der Priester. Für andere ist es vor allem ihre Fähigkeit, die Umwelt zu verändern, die Sympathie erregt. Die Nonnen übernehmen Aktivitäten wie Baumpflanzungen, Gartenarbeit und Viehzucht. Sie exportieren ihren Joghurt in die südwestliche Region, wo ihr Know-how sehr geschätzt wird. Darüber hinaus gehört das Kloster aufgrund seiner gemeinnützigen Dimension (Übernahme des Schulgeldes) und seiner im Laufe der Zeit erworbenen Infrastrukturen (Brunnen, Elektrizität) zu den Institutionen, in deren Nähe die Menschen sich gerne ansiedeln. „Früher gab es nur zwei Familien neben dem Kloster. Jetzt gibt es drei oder vier weitere Gebäude, weil es dort Wasser gibt. Die Frauen holen sich das Wasser. ». Um das Kloster herum entfaltet sich eine neue Bevölkerungsdynamik und damit neue soziale Bedürfnisse. Nachdem die Nonnen den Nachbarfamilien den Zugang zu Wasser erleichtert haben, fordern diese nun den Zugang zu Strom. So hat ein Teil der Bauarbeiten, die die Nonnen für ihre eigenen Bedürfnisse durchführten, der umliegenden Bevölkerung großen Nutzen gebracht und die Ankunft neuer Familien erleichtert.
Gutnachbarschaftliche Beziehungen können zu Konflikten ausarten, wenn Land und seine Ressourcen zum Gegenstand des Neides werden. Die Klostergründung in Bafor und der Bedarf an Anbauflächen haben zu Spannungen zwischen der örtlichen Kirche und der Dorfgemeinschaft geführt. Als das Kloster Notre-Dame de Bafor eingerichtet wurde, war viel Platz erforderlich, damit die Nonnen genügend Anbaufläche für ihre Subsistenzwirtschaft hatten. Ein Teil der Anlage des heutigen Klosters gehörte den Schwestern von Bobo (Soeurs de l’Annociation de Bobo), die es den Bernardinerinnen von Esquermes überließen. Der anfängliche Grundbesitz wurde erweitert, damit das Kloster 30 Hektar Land erwerben konnte. Zu diesem Zweck mussten einige angrenzende landwirtschaftliche Produzenten ihr Land verkaufen, um das Anwesen des Klosters zu erweitern. Dies verlief nicht ohne Schwierigkeiten. Wie überall führt der steigende Bedarf an Land unter dem Einfluss intensiver interregionaler Migration, der Integration der Kleinbauern in den Markt, der Instabilität traditioneller Landvergaberegeln und der Schwächung traditioneller Autoritäten, aber auch unter dem Druck von Interessengruppen, wie im Falle von Bafor der katholischen Kirche, zu Konkurrenz und Wettbewerb. Was die Gesprächspartner mit „es war nicht einfach“ übersetzen, deutet darauf hin, dass die soziale Rolle des Erdherrn als Verwalter des Dorflandes nicht wirksam war. Tatsächlich hat die Grundstückssituation um dieses Kloster herum die traditionellen Autoritäten mobilisiert, wie es bei Landkonflikten üblich ist, aber auch kirchliche Akteure, die wissen, dass Grundbesitz ein Mittel zur Sicherung ihrer Investitionen und eine Garantie für die Stabilität ihres Unternehmens ist. Die Nonnen sind sich des Problems bewusst und wissen, dass einige Bauern befürchteten, ihre Anbauflächen zu verlieren. Infolgedessen lehnten diese Bauern die Abtretung ihrer Felder radikal ab. Sie zu überzeugen, „war gar nicht so einfach“. Wie auch anderswo sind Konflikte um Landfragen mit der sozialen Position und den Interessen der verschiedenen Akteure verbunden: des Erdherrn, der Landwirte und der Diözese. Das Problem dreht sich um Land und Macht: Der größte Landwirt der Ortschaft versucht, sein Land und seine Wirtschaftskraft zu erhalten, der Erdherr will seinerseits seine Reputation und seine Autorität über die Verwaltung von Gemeinschaftsland behalten, während die Diözese seine Vision von Privateigentum durchsetzen will. Diese Streitigkeiten führten sogar zu Todesdrohungen und die verschiedenen Protagonisten wurden zur Gendarmerie geladen. Der Einsatz der staatlichen Verwaltung und ihrer Institutionen hatte jedoch wenig Einfluss auf die Regulierung dieser Konflikte. Die Tradition der Dagara, insbesondere das System der Scherzverwandtschaft (lõlυorυ) spielte dagegen eine Schlüsselrolle für die friedlichen Lösung des Konflikts. Die Scherzverwandtschaft ist ein wichtiges Vermittlungssystem für die Dagara-Gesellschaft, wie für viele andere westafrikanische Gesellschaften auch, ein Versöhnungsinstrument, das mit einem Nichtangriffspakt vergleichbar ist, der die Patriklane vereint und zusammenbringt. Der Scherzverwandte heisst tãpεlυ-sob, was wörtlich „der Mann mit der Asche“ bedeutet, denn die Asche wird als Element der Versöhnung und Befriedung wahrgenommen. Die Intervention des letzteren ermöglicht es, Frieden, Harmonie, Verständnis und Freude wiederherzustellen. Dieses System spielte auch eine wichtige Rolle bei der Regelung des Konflikts um das Kloster in Bafor durch die Intervention des Priesters, der gleichzeitig ein Scherzverwandter der Gegenpartei war. Dieser Vermittler, der sowohl von den Nonnen als auch vom Dagara-Landwirt anerkannt wurde, hat eine dauerhafte Versöhnung ermöglicht. Nach dem Eingreifen der Gerichte, kirchlicher Mediatoren und des Scherzverwandten wurde eine Einigung zwischen den verschiedenen Protagonisten gefunden. Wie wirkt sich nun aber die Anwesenheit dieses Klosters im Zuge seiner widersprüchlichen Anfänge auf die Entwicklung des Dorfes von Bafor aus?

Der Beitrag des Klosters zur Entwicklung von Bafor
Neben der Dreyer-Stiftung in Dano, die wegen ihrer Lage mit Blick auf den Damm und ihrer Architektur Touristen anzieht, ist die Klosteranlage im Hinterland, nur wenige Kilometer von der Kleinstadt Dano entfernt, ein wichtiger Ort der Ruhe und Ausflugsziel im Südwesten. Das Kloster Bafor trägt zweifellos zum architektonischen und touristischen Gesamtbild der Region bei. Obwohl auch die lokale Bevölkerung den ästhetischen Wert des Ortes schätzt – „Sie haben es verstanden, den unbewohnten Raum zu humanisieren, es ist so schön, um das Kloster herum zu spazieren“ – profitieren sie mehr noch von den Arbeitsplätzen, die das Kloster jungen Menschen, Arbeitern und Frauen als Tages- oder Festangestellte bietet.
Neben dem regulären Gehalt profitieren die Mitarbeiter und ihre Familien davon, dass sie neue Arbeitsformen und die Verwaltung ihres Einkommens erlernen. Die Nonnen motivieren ihre Mitarbeiter, Viehzucht mit Landwirtschaft zu verbinden, auf chemische Düngemittel und Pestizide zu verzichten, Buschbrände zu reduzieren und Ersparnisse anzulegen. Die von den Mitarbeitern erworbenen Fähigkeiten haben einen offensichtlichen Einfluss auf ihre Familien, wie dieser Angestellte einräumt: „Wir haben Schafe bei den Nonnen und Nachbarn gekauft und angefangen sie aufzuziehen. Im Moment besitze ich etwa 16 Schafe. Außerdem habe ich den Dung für die Felder. All das hilft.“ Die Umstellung der Gewohnheiten steht auch im Zusammenhang mit dem Vorbild, dass die Schwestern bezüglich des Schutzes der Umwelt gesetzt haben. Obwohl sie zögerlich und anfangs sogar ablehnend waren, nahmen ihre Dagara Nachbarn im Laufe der Jahre die Initiativen der Schwestern auf. Insbesondere die Praxis der Brandsicherung, um Buschbrände zu vermeiden wird von der Bevölkerung allmählich nachgeahmt. „Ich denke, einige Nachbarn fangen sogar an zu bereuen, dass sie ihr Land verbrannt haben. Sie pflanzten viel an und pflegten die Flora, die bereits vorhanden war.
Die Bernardinerinnen von Esquermes haben ein Bildungscharisma, das sich in der Errichtung von Schulen und Begegnungsstätten an allen Orten, an denen sie sich niederlassen, widerspiegelt. Das Kloster Bafor ist diesbezüglich eine Ausnahme innerhalb des Ordens, die mit der Bitte des Bischofs verbunden ist, einen Ort zu schaffen, der ausschließlich dem Gebet und der Kontemplation gewidmet ist. Doch auch in Bafor tragen die Bernardinerinnen von Esquermes aktiv zur Bildung der Kinder bei, obwohl das Kloster hier keine Schule geründet hat. Ihre Anwesenheit beeinflusst die Kinder, die ins Kloster kommen und denen sie Katechismus Unterricht geben. Die Schwestern überlegen derzeit, wie sie ihr Lehrcharisma in Bafor umsetzen können, indem sie versuchen, es an den lokalen Kontext anzupassen, insbesondere im Rahmen der ländlichen Bildung.
Vor kurzem in einer eher zurückhaltenden Umgebung gegründet und nach konfliktträchtigen Anfängen, werden die Aufgaben, die die Zisterzienserinnen täglich erfüllen, erst langfristig ihren Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft zeigen. Ihr zurückgezogenes Leben hat sich in der Tat als Nährboden für soziale Veränderungen erwiesen. Die Arbeit von Anne Dah beschäftigt sich mit dem Thema des Beitrags des Klosters Bafor zur lokalen Entwicklung, auch im Hinblick auf die Grenzen von Austausch, Transfer und Interaktion. Der Bau von Klöstern geht überall Hand in Hand mit Konflikten, Brüchen, Widerstand und Verhandlungen über Hierarchien. Die monastische Forschung ist immer auch Konfliktforschung und produziert oft mehr Fragen und Ambivalenzen, als sie Antworten und Garantien liefert.
Klosterleben und Dichtung
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Liturgie
Thérèse-Marie Dupagne OSB
Priorat Hurtebise (Belgien)
Klosterleben und Dichtung[1]
Liturgie, lectio und geschwisterliches Leben
Wenn ich das Wort „Dichtung“ höre, gemahnt es mich eher an eine Beschwörung, weniger an einen fest definierten Ausdruck. Ein Wort, das mehr verschleiert als enthüllt, das auf etwas hinweist, das ein Anderes andeutet, ein Jenseits, das es aber nicht klar ergreifen will, das es nur anrührt und von dem es angerührt wird... Ein Wort, das zu einer Gemeinschaft führt, ohne sie aufzuzwingen. Ein Wort, das eine Beziehung umreißt, die Freiheit, Sehnsucht, Durst verheißt, ein Wort, das die Tür in ein unbekanntes Land öffnet, das Entdeckungen verspricht, das die vierte Dimension erschließt...
Und dieses dichterische Wort finde ich in der Liturgie.
Liturgie ist das Uhrwerk des Mönches, sein Rhythmus und sein Atem. Die Liturgie ist Werk Gottes, Handeln Gottes, eine Einladung. Sie ist auch Antwort der menschlichen Gemeinschaft, Gesang und Schweigen, Hören und Sehnen. Die Liturgie besteht in ihrem ganzen Aufbau aus dichterischen Worten, Worten, die uns geschenkt sind.
Natürlich werden Hymnen, Fürbitten und Gebete auch gemacht, aber vieles in der liturgischen Dichtkunst ist Geschenk. Man muss sie als solche annehmen, sich von ihr berühren lassen, ob sie uns gefällt oder nicht, ob sie sich uns eröffnet oder nicht, ob sie uns inspiriert oder nicht. Und in der Aufnahme ist auch immer eine Einladung zur Zustimmung enthalten, was nicht immer ohne Kampf möglich ist.
Wenn man sich in die liturgische Poesie hineinbegibt, findet man dort Worte, die zunächst nicht die unsrigen sind. Sie müssen auch gar nicht unsere Worte werden, es sollte sogar ein Abstand bleiben. Liturgische Dichtung enthüllt ist gerade einen solchen Abstand und eine Beziehung, die eine Distanz enthält. Sie deutet die Gemeinschaft nur an.
Zur liturgischen Dichtung gehören die Psalmen, alte Gebete, gelesen, gesungen, rezitiert – Lob, Klage, Jubel, geschichtliche Erinnerung, stammelnde Vergegenwärtigung eines Gesetzes... Psalmen sind ein Geschenk. Sie bieten uns Widerstand, entstammen einer fremden Welt, sind antikes Gemurmel eines Gottesfreundes, wie der jüdische Denke Nathan Chouraqui einmal sagte.
Man kann einen Psalm nicht einfach ergreifen. Er ist uns anvertraut wie ein Musikstück einem Flötenspieler. Die Psalmen warten darauf, dass wir ihnen Atem schenken. Dann durchfahren sie uns, gewinnen Leben und begeistern uns gelegentlich. Sie lassen uns Abstand von uns selbst gewinnen, führen uns über uns hinaus zur Gemeinschaft mit einem jenseitigen Volk, in eine andere Zeit und einen anderen Raum. Wir schicken die Psalmen hin und her, von einer Chorseite zur anderen, ohne sie jemals zu erschöpfen. Man spricht sie, singt sie, hört sie. Es ist ein Kommen und Gehen, immer alt und immer jung.
Die Liturgie ist auch Hymnus. Der Hymnus erhebt das Herz zum Anderen hin, dem Anderen, das uns einlädt und das wir nur in Beschwörung und im Tasten erahnen. Der Hymnus bahnt uns einen Weg, den wir selbst nicht kennen. Er wirft sich in die Höhe oder bohrt sich auch in die Tiefe. Er reißt mit, er zeigt einen Weg, er ist erfüllt vom Leben des Dichters wie auch die Psalmen und dennoch über dieses Leben weit hinausgewachsen, vertieft und durchkreuzt es. Ebenso berührt er das Leben desjenigen, der ihn gerade singt.
Der Psalm und der Hymnus entflammen, bezähmen und öffnen. Sie sprechen zum Herzen, doch wer kennt schon sein Herz und kann es festhalten? Der Hymnus berührt es und fordert es heraus oder er streift es nur und lässt es ohne Stimme zurück. Der Hymnus schafft die Magie des folgenden Schweigens.
Liturgie wird Dichtung in den langen Litaneien. Dort wird gefordert und wieder gefordert und aufs Neue gefordert. Es handelt sich um Rufe des unbefriedigten Herzens oder eines übersättigten Herzens, das nicht genug bekommen kann. Litaneien erwecken das Kind in uns, das mit Worten spielt...
Liturgie ist Erfahrung solcher Poesie, die bezaubert, beschwört und niemals festhält. Poesie lehrt uns Tanzschritte, die tragen, annähern und entfernen. Wenn jemand solche Poesie festhalten will, so wird sie ihm zwischen den Fingern zerrinnen wie Schnee in einer Kinderhand, die ihn behalten will.
Liturgische Dichtung ist Dialog zwischen uns und ... wem eigentlich? Sie erweckt ein Gegenüber, aber welches genau? Sie spricht vom Anderen und ist daher auch anders. Indem sie mich zum Freund Gottes erhebt, zeigt sie mir auch die Abgründe meiner Menschlichkeit. Vor diesem unerschöpflichen „Du“ zeigt sie mir, was eigentlich mein „Ich“ bedeuten kann.
Dichtung hat einen Ursprung. Für mich liegt er im Geist, diesem lebendigen Atem, der zwischen Vater und Sohn weht. Der Atem vereint sie und ist zugleich drückt er die Trennung aus zwischen beiden aus. Diese Zweiheit ist derart stark, dass sie zur Dreiheit wird. Poesie ist wie der Raum, der zwischen den beiden erahnbar ist, eine Öffnung, ein Spalt, der mich im Herzen Gottes nicht nur Gott allein, sondern auch die Öffnung zum Anderen und zu den anderen entdecken lässt. Die Poesie, welche im Schweigen der Dreiheit ihren Gesang erhebt, teilt mir mit, dass im Herzen Gottes nicht allein Gott zu finden ist, sondern auch Raum für den Gesang und der Anruf an die anderen. Im Herzen Gottes gibt es einen Raum unendlichen Schweigens, der Erwartung und Öffnung zum anderen hin ist. In diesem Sinn heißt es in einem Hymnus von Bruder Pierre-Yves Emery: „Nähe Gottes, geöffnet ohne Maß, um – welch’ Wunder – die anderen aufzunehmen, die Menschen, seine Geschöpfe.“
Liturgische Dichtung ist auch Doxologie: Ehre dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Im Rahmen dieser Doxologie lädt uns Benedikt jeweils zu einer Standortveränderung ein: Erhebe dich und verneige dich tief. Erhebe dich, nimm deine Menschheit an, du hast Würde und Sinn. Atme aus, atme ein, strebe nach oben. Verneige dich vor ihm, der deinen Blick, dein Leben und deine Liebe kennt, verneige dich vor dem Unbegreiflichen und Unsagbaren, von dem du nur sprechen kannst, wenn du dich vor ihm im Schweigen niederwirfst. Geheimnis des Blicktauschs, der sich ereignet, wenn das Herz sich zu Boden wirft.2 ... Verneige dich, atme aus, atme ein ... und finde die innere Freude, dass du dich von dir selbst gelöst hast.
Die Dichtung der Liturgie lädt zu einem respektvollen Umgang mit dem Anderen ein, sie verzichtet auf Vereinnahmung und findet Worte wie Kelche, die sich öffnen um aufzunehmen. Die liturgische Dichtung ist auch für ein ganzes Volk gedacht, sie gehört nicht mir, sondern uns und übersteigt unser individuelles Maß.
In die Liturgie bricht die lectio ein, folgt ihr und lädt erneut dazu ein. Tagtäglich sind wir zu dieser betenden Bibellektüre eingeladen. Es gibt eine Zeit der Lektüre, eine Zeit, um sie zu studieren, zu meditieren, wiederzukäuen, herunterzuschlucken, und gerade dann, wenn man glaubt, alles verdaut zu haben, entdeckt man einen neuen unbekannten Horizont, der sich nicht fassen lässt. Lesen, studieren, meditieren und betrachten... Die Heilige Schrift nicht wie eine Theorie, einen Beweisgang, eine Definition verstehen, sondern als Dichtung und Beschwörung.
Man wird sagen, dass die Heilige Schrift doch ein Gesetz enthält, wie lässt sich das mit Poesie vereinbaren? Das Gesetz des Volkes Israel beginnt mit einer Stimme und dem Anruf „Höre“ und führt zu einer Einladung „Entscheide dich“ und endet mit dem Verheißung „Du wirst leben“. Es ist Weg und kein Gefängnis.
Das Gesetz ist wie zwei Flussufer, zwischen denen ein Strom verläuft und kein sumpfiges Gewässer. Diese Flussufer führen ins Weite und das Gesetz verweist auf etwas Jenseitiges.
In der Heiligen Schrift gibt es auch Prophetenworte, Aufschrei und Sektion des Alltags, um den Einbruch des Ewigen zu ermöglichen.
Dann gibt es Weisheit, ein Raum, in dem die Erfahrung der Vergangenheit weitergegeben wird wie Schneisen, in denen man neue Wege hineinlegen kann.
Lectio ist eine Zeit der Aufnahme und der Öffnung, in der sich die Stimme eines erhabenen Schweigens erhebt. Dieses Schweigen ist sicher die schönste Form des Dialogs.
Durch diese Erfahrungen eröffnet sich schließlich der Weg in eine geschwisterliche Gemeinschaft. Wie werde ich leben mit dem Anderen, meiner Schwester, meinem Bruder, hier und im Jenseits?
Das Gemeinschaftsleben wird im Alltag zunächst einmal nicht als Alltag wahrgenommen. Und dennoch gibt es Anteil an einem Lebensraum, einem Gesang, einem Geflecht an Beziehungen. Worin ist es gegründet? Ist es nicht in erster Linie die liturgische Erfahrung? Die Entdeckung, dass im Herzen Gottes ein geöffneter Raum existiert, der mir einen Weg zu einer geschwisterlichen Gemeinschaft schenkt? Respekt vor der Verschiedenheit und noch weit mehr als nur Respekt, nämlich Ermutigung, das der und die andere immer mehr er oder sie werden, also ihre Andersheit immer mehr annehmen. Auf diesem Weg wird die Gemeinschaft zum Bild und Gleichnis. Den anderen annehmen und gerade in seiner Andersheit schätzen, seinen abweichenden Glauben annehmen, seinen anderen Weg und sich für einen gemeinsamen Gang entscheiden.
Dichtung gibt mir ein Werkzeug, um das Unaussprechliche des Anderen zu sagen und zu leben, seine Unverzichtbarkeit als Chance zu ergreifen, als Ausgang aus einer in sich geschlossenen Welt, einem erstickenden Universum hin zu einem freien Aufatmen.
Wenn in unseren Beziehungen Worte nur noch der Selbstbestätigung dienen und abweisen, dann stirbt die Beziehung. Wenn dagegen der Austausch in Beschwörung und Einladung besteht, dann öffnet sich ein innerer Raum und ein gemeinsamer Gesang kann sich erheben, der Leben ermöglicht, freisetzt und verzaubert. Dichtung eröffnet einen Raum, der uns vom Kreisen um uns selbst erlöst und öffnet. Sie erinnert an die Gemeinschaft aller Menschen, die weit über die Menschen hinausreicht.
Am Fuß der Mauer von Gewalt,
auf dem Schlachtfeld der Ausgrenzung und und Abweisung
ein Gedicht der Hoffnung dagegen setzen,
einen Raum der Gemeinschaft öffnen,
ein Wort sprechen, das nur Einladung ist
und niemand gefangen nimmt.
Dichtung ist eine Chance für die ganze Menschheit, um jeden Menschen mit Respekt zu begegnen und ihn als Geschenk zu betrachten.
1. Verfasst im Oktober 2014.
2. Vgl. in Numeri 24,4 das Orakel des Balaam, wonach sich der Blick öffnet, sobald man niedersinkt.
Geronda Aimilianos
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Mönche und Nonnen als zeugen für unsere zeit
Erzpriester Serapion
Kloster Simonos Petra auf dem Berg Athos (Griechenland)
Geronda Aimilianos (1934-2019)1
von Kloster Simonos Petra
„Du lässt mich den Weg des Lebens erkennen,
Freude in Fülle vor deinem Angesicht.“ (Psalm 16,11)
Der Archimandrit Geronda Aimilianos, der mit bürgerlichem Namen Alexander Vafidis hieß und 1934 in Nikea (Piräus) geboren wurde, leitete das Kloster Simonos Petra als Hegumen von 1973 bis 2000.
Im Jahr 1906 siedelte sich seine Familie in Simandra (Kappadokien) an und gelangte dann nach den Zwangsumsiedlungen nach dem Zweiten Weltkrieg nach Griechenland. Die Eltern des kleinen Alexanders pflegten einen monastischen Lebensstil und beteten viel, unter anderem die nächtlichen Vigilien. Als die Mutter Witwe geworden war, trat sie in eine Kloster ein und wurde Nonne, womit sie dem Beispiel der Großmutter folgte.
Alexander studierte nach dem Schulabschluss an der Universität von Athen Jura, doch wechselte nach zwei Jahren zur Theologie, was mehr seinem Herzenswunsch entsprach. Mit mehreren Freunden war er an der Universität missionarisch tätig und versuchte mit beachtlicher Anstrengung, den Glauben und das christliche Leben zu fördern. Seine damaligen Pläne gingen in Richtung Priestertum und er dachte sogar daran, Missionar zu werden. Doch schien es ihm vor allem wichtig, zunächst einmal eine klösterliche Ausbildung zu beginnen.
Der Bischof von Trikala wurde auf ihn aufmerksam und der junge Alexander vertraute ihm im Jahr 1960 seine Pläne an. So wurde er Mönch unter dem Namen Aimilianos im Kloster St. Vissarian in Doussiko. Schon nach kurzer Zeit weihte ihn der Bischof zum Diakon und sandte ihn zu verschiedenen Meteora-Klöstern, bis er dann schließlich die Priesterweihe erhielt. Er lebte dann für einige Zeit im Kloster St. Vissarion, wo er die Einsamkeit und den inneren Frieden suchte. Die Wiederbelebung des Mönchtums wurde ihm zu einem tiefen Bedürfnis.
Nach einiger Zeit wurde er zum Hegumen des Klosters der Verklärung in Meteora bestimmt. Dort lebte er zu Beginn beinahe ganz allein ein streng asketisches Leben. Er wachte, betete und übernahm zunehmend alle Elemente der monastischen Tradition. Angesichts eines derartigen Eifers vertraute ihm der Bischof auch seelsorgliche Aufgaben an. Immer mehr Gläubige fanden sich ein und baten um Seelenführung. Auch viele junge Christen wählten ihn zum Beichtvater. So wurde er für viele Menschen zum geistlichen Vater.
Unter diesen jungen Gläubigen gab es eine ganze Reihe Interessenten für ein klösterliches Leben und aus ihnen entwickelte sich eine neue Klostergemeinschaft, während wieder andere sich für den Dienst in Pfarreien oder zum Familienleben entschieden. Auf jeden Fall fühlten sich alle als Teil einer großen geistlichen Familien, deren Zentrum das Kloster war. In dieser Zeit begab er sich öfters auf den Berg Athos, um sich dort spirituell weiter unterweisen zu lassen. Dort lernte er unter anderem Vater Paissios und Vater Ephrem von Katounakia kennen, wobei er vor allem mit letzterem eine tiefe spirituelle Freundschaft pflegte. 1972 begründete er in der Meteora ein Frauenkloster.
Im Jahr 1973 wählten ihn die alten Mönche des Klosters Simonos Petra zum neuen Hegumen. Diese Mönche auf dem Berg Athos verbanden mit der Übersiedlung der Mönchsgemeinschaft von Meteora große Hoffnungen. Auch andere Klöster auf dem Berg Athos folgten diesem Beispiel, so dass die Zahl der dortigen Mönche beträchtlich zunahm.
Vater Aimilianos führte auf dem Berg Athos sein bisheriges monastische Leben uneingeschränkt weiter, feierte die Heilige Liturgie und vollzog seine sonstigen Amtspflichten, bemühte sich aber auch intensiv um eine Neuorganisation des inneren Lebens seiner Gemeinschaft. Mit viel Geschick, Respekt und Wohlwollen verstand er es, die Erfahrung der älteren Mönche mit dem Eifer der jüngeren zusammenzuführen, denen das Wachstum der Gemeinschaft zu verdanken war. Seine gute Verwaltung und ein väterlicher Umgangsstil erneuerten das Ansehen und die jahrhundertelange Tradition des berühmten Klosters.
Nachdem Vater Aimilianos seine Gemeinschaft auf dem Berg Athos angesiedelt hatte, veranlasste er auch, dass die Frauengemeinschaft von Ormylia am 5. Juli 1974 in ein abhängiges Haus (metochion) in Vatopédi einzog. Dieses Haus, das der „Verkündigung der Gottesmutter“ geweiht war, wurde von Kloster mit Zustimmung des Bischofs erworben. Der Umzug der Nonnen in dieses von Simonos Petra abhängige Kloster geschah nicht ohne Mühen und Schwierigkeiten.
Geronda Aimilianos nahm auch eine gewisse Zahl von Ausländern auf, die unter seiner Leitung Mönche wurden. Dazu zählten vor allem die französischen Patres Placid Deseille und Élie Ragot samt Gefährten, wo in den Jahren 1979 bis 1984 zur Gründung von drei abhängigen Häusern in Frankreich führte: das Kloster „St. Antonius der Große“ für die Männer und die Klöster „Gottesmutter Schutz der Menschen“ und „Verklärung des Herrn“ für die Frauen. Vater Aimilianos sollte in der Folge oft in diesen Klöstern zu Besuch weilen.
Vielfach wurde er zu Vorträgen eingeladen oder um seine geistliche Begleitung gebeten, wobei er jede Bitte als Segen verstand.
Mitte der 1990er Jahre verschlechterte sich seine Gesundheit zusehends. Daher gab er nach und nach seine Aufgaben ab. Im Jahr 2000 zog er in das Kloster Ormylia um, wo er nahezu zwanzig Jahre in Schmerzen und Geduld leben sollte.
Seine geistlichen Lehren wurden von den Nonnen von Ormylia in mehreren Bänden zusammengefasst, die auch ins Englische und Französische übersetzt wurden. Sein Nachfolger Geronda Elischa beschreibt ihn mit folgenden Worten:
„Das Hegumenat von Geronda Aimilianos im Heiligen Kloster Simonos Petra stellt einen wichtigen Wendepunkt innerhalb der jüngeren Klostergeschichte dar. In dieser gesegneten Zeit ging vom Kloster eine beträchtliche Ausstrahlung aus und die Zahl der Mönche nahm erheblich zu. Damit verband sich auch insgesamt eine beachtliche Blüte des monastischen Lebens auf dem Berg Athos, was vor allem dem Schutz der heiligen Gottesmutter zu verdanken ist. Zu beachten ist hierbei allerdings auch, was Geronda Aimilianos selbst in der Klosterregel (Typikon) von Ormyilia (I,9) festhält: ,Die Klostergemeinschaft, die einem eigenen Lebensrhythmus folgt, lebt vor allem in der Kirche und für die Kirche, so wie das Herz eines Körpers. Ihr sind nicht irgendwelche Aktivitäten aufgetragen, sondern in erster Linie die liebevolle Suche nach Gott. In dieser Weise werden die Nonnen zu vollkommenen Ebenbildern Gottes und führen auch andere Menschen zum göttlichen Leben hin‘.“
Nach einem langen Leidensweg, den er im Schweigen verbrachte, ist Geronda Aimilianos am 9. Mai 2019 in die ewige Heimat zurückgekehrt. Ihm möge ein ewiges Gedenken geschenkt sein!
Archimandrit Basilius Prohegumen
Kloster Iviron
Ansprache bei der Beerdigung
von Geronda Aimilianos
Ormylia, 27. April / 10. Mai 2019
Heute hat uns durch die Gnade Gottes Geronda Aimilianos alle zu dieser österlichen Feier versammelt. Vater Aimilianos war mir seit unserer Studienzeit bestens vertraut. Wir gehörten beide einer Gruppe von Katechisten an, die von Anastasios Yannoulatos, dem heutigen Erzbischof von Albanien, geleitet wurde. Die Jahre vergingen und er entschloss sich, Mönch in der Meteora zu werden. Sein folgender Lebenslauf, sein geistliches Wachstum, die Anziehungskraft, die er auf junge Menschen ausübte, die Gründung einer Gemeinschaft, die später auf den Berg Athos umzog, wohin er auch später die Schwesterngemeinschaft verpflanzte, zeigen, dass sein Wirken sichtlich von Gott begleitet und gesegnet wurde.
Bemerkenswert ist auch, dass er beinahe 25 Jahre lang wie ein lebendiger Toter lebte. Auch darin liegt ein Glaubenszeugnis, denn Vater Aimilianos wirkte nicht nur als Hegumen, sondern auch als Prediger gerade durch sein Schweigen, in dem er verharrte. Indem er schwieg, verkündete er uns die unaussprechlichen Worte des ewigen Lebens. Und als er dann nichts mehr mitbekam, war er bereits in den himmlischen Chor der Engel aufgestiegen. Ich denke, dass wir das erst jetzt erfassen können.
Vater Aimilianos ist von uns gegangen, hat uns aber diese Lehre hinterlassen, nämlich sein unermüdliches Wirken, die Gründung zweier lebendiger Gemeinschaften und sein 25-jähriges Schweigen. Die Frauen, die sich am Ostermorgen zum Grab begaben, hatten vom Engel die Weisung erhalten, die Auferstehung zu verkünden. „Doch als sie weggingen, erzählten sie niemand davon, weil sie Angst hatten.“ Sie hatten Angst und sie wollten nicht an das Unaussprechliche rühren, indem sie davon sprachen. In ähnlicher Weise sprach wohl Vater Aimilianos zu uns. Und ganz im Vertrauen möchte ich euch sagen, dass er uns und auch mich eben dadurch erreicht hat. Über Jahre hinweg, dieses Kreuz erdulden! In Gedanken klopfte ich immer wieder an seiner Pforte an, bat um Vergebung und fand so erneut Kraft.
Diejenigen, welche das Schweigen von Vater Aimilianos nicht nachvollziehen können, erahnen vielleicht heute den Grund, wenn sie in dieser Gemeinschaft und der strahlenden Kirche die wunderbaren Gesänge hören.
Vater Aimilianos ist von uns gegangen, aber die Gnade Gottes ist geblieben und darin liegt seine eigentliche Erbschaft: Wir dürfen heute erleben, wie der Tod überwunden ist. Unsere Botschaft gilt nicht nur einigen Menschen, sondern der gesamten Menschheit. Gerade durch ihr Schweigen spricht die Kirche zu denen, welche Christus und die Gottesmutter beleidigen. Gerade diese Menschen bedürfen unserer Hilfe. Die heutige Erfahrung zeigt uns, dass wir einen Vater Aimilianos brauchen, der in Christus seine Ruhe gefunden hat und durch sein Schweigen zu uns spricht, der von uns gegangen ist, aber eine lebendige Gemeinschaft hinterlassen hat. Was wird diese Gemeinschaft nun unternehmen? Sie wird ihren Weg weitergehen und diese Tradition weiterführen. Auf diesem Weg steigt manchmal unwillkürlich die Frage auf: „Was mache ich eigentlich?“ Gerade indem wir nichts machen, öffnet sich der Raum für denjenigen, „der schenkt und geschenkt wird, der empfängt und verteilt wird.“
So wollen wir Christus, der Gottesmutter und allen Heiligen danken, dass sie uns Vater Aimilianos geschenkt haben. Er hat zu uns durch sein Leben gesprochen, durch sein Handeln und sein Schweigen. Bitten wir Christus und die Gottesmutter, dass nun Vater Aimilianos sein Gebet in der Gemeinschaft der Engel weiterführt. Wir selbst dürfen uns in Geduld üben und dabei auf die unaussprechlichen Schätze im Himmelreich hoffen, welche Gott uns und allen Menschen zugedacht hat.
1. Gekürzte Fassung.
Reise nach China
12
Nachrichten
Jean-Pierre Longeat OSB
Präsident der AIM
Reise nach China[1]
Im Anschluss an die Tagung der „Benediktiner und Benediktinerinnen von Ostasien und Ozeanien“ (BEAO) hatten Pater Mark Butlin und ich Gelegenheit zur Weiterreise nach China, um das dortige Klosterleben zu erkunden. Die Vielzahl der dabei erlebten Eindrücke und Begegnungen kann hier nur in Auswahl wiedergegeben werden. Es mag dennoch nützlich sein, einige Höhepunkte dieser Reise ins Reich der Mitte hervorzuheben.
Am Tag nach unserer Ankunft in Beijing besuchten wir zunächst einmal einen Abschnitt der Großen Mauer, deren Ausmaße uns in Staunen versetzte. Nachmittags besuchten wir eine der großen Kirchen im Norden der Stadt, die den Namen des „Heiligen Erlösers“ trägt. Dort trafen wir uns mit dem Pfarrer und tauschten uns länger mit ihm aus. Die Kirche ist gerade komplett renoviert worden und die Zugangsallee ist von trompetespielenden Engeln gesäumt, womit auf das bevorstehende Weihnachtsfest hingewiesen wird. Die Adventszeit wird mit einer feierlichen Vesper eröffnet, zu der viele Menschen strömen.
Es sei daran erinnert, dass im September 2018 ein Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik unterzeichnet wurde. In diesem Zusammenhang erkannte der Heilige Stuhl sieben Bischöfe der Patriotischen Kirche an und die Regierung verpflichtete sich, Bischöfe nur in Absprache mit Rom zu ernennen. Zur Zeit gibt es wohl 10-15 Millionen Katholiken in der Volksrepublik. Die Patriotische Kirche verfügt u ̈ber 97 anerkannte Diözesen, wobei der Vatikan 138 Diözesen zählt, wovon allerdings viele unbesetzt sind.
Am ersten Adventssonntag feierten wir die Eucharistie in der Kathedrale von Beijing im Süden der Stadt, welche der Unbefleckten Empfängnis geweiht ist. Nach dem Gottesdienst, der ausgesprochen feierlich begangen wurde und an dem viele Menschen teilnahmen, begaben wir uns zu den noch verbliebenen Gebäuden der ehemaligen katholischen Fu Jen-Universität. Diese bedeutende Einrichtung war im Jahr 1933 durch amerikanische Mönche von St. Vincent (Latrobe) gegründet worden.
Anschließend ging es zum Priesterseminar von Beijing, dessen Rektor einen beträchtlichen Teil seiner Ausbildung im Priesterseminar des genannten Klosters St. Vincent absolviert hatte. Dort trafen wir auf ungefähr fünfzig Seminaristen und besichtigten die geräumigen und gut ausgestatteten Baulichkeiten. Die gerade errichtete Bibliothek ist klug durchdacht und die Seminarkirche ist gleichzeitig auch Pfarrkirche, so dass die Seminaristen bereits pastoral tätig sein können.
Am 3. Dezember, dem Festtag des hl. Franz Xaver, reisen wir früh in den Norden Chinas weiter, in die Mandschurei, wo wir uns mit der Gemeinschaft vom Heiligen Kreuz treffen wollen, zu der von der großen Industriestadt Changchun aus nach einer Fahrtzeit von etwa zwei Stunden gelangen.
Die Stadt Songhur, wo die Gemeinschaft lebt, liegt etwa 60 Kilometer von der Metropole Jilin entfernt. Die Entstehung des Klosters hat eine lange Vorgeschichte. In den 1920er Jahren hatten die Missionsbenediktiner von St. Ottilien ein Kloster im nordchinesischen Yenki gegründet, das später zum Apostolischen Vikariat erhoben wurde. Doch in den Jahren 1946 bis 1952 wurden die Mönche zunehmend von den staatlichen Stellen bedrängt und das Kloster schließlich aufgelöst. Einige kehrten nach Deutschland zurück und andere flohen nach Südkorea, wo sie sich am Aufbau der Abtei Waegwan beteiligten, die sich heute in einem ausgesprochen blühenden Zustand befindet. Nach fünfzig Jahren Abwesenheit vom chinesischen Territorium gründete die Kongregation von St. Ottilien im Jahr 2001 erneut ein Kloster. Dieses befand sich zunächst in einer Pfarrei in einem Vorort von Jilin und zog später in das Haus um, in dem wir nun zu Gast sind. Die Initiative zu diesem Unternehmen lag in den Händen eines chinesischen Priesters, der in St. Ottilien sein Noviziat durchlief und nach den Feierlichen Gelübden an dieses Werk ging.
Die Mönche folgen der Benediktusregel. Dem Kloster ist ein Altersheim angeschlossen sowie ein Exerzitienhaus für Diözesanpriester. Die Mönche betreuen auch weiterhin die Pfarrei bei Jilin, wo sie zunächst ansässig waren.
Am folgenden Tag fahren wir weiter zur Stadt Jilin und besuchen dort als erstes die Kathedrale, die vor kurzem renoviert wurde. Danach besuchen wir das Priesterseminar, wo uns der Rektor und der Ökonom empfangen. Wir essen gemeinsam mit den ca. 70 Seminaristen, die aus insgesamt zwanzig Diözesen stammen. Das Seminar genießt einen sehr guten Ruf. Der Rektor hat seine Theologiestudien teilweise in Rom absolviert und zeigt sich beeindruckend offen und interessiert für alle Themen, die wir anschneiden.
Auf dem Rückweg besuchen wir die Kirche, welche von den Benediktinern am Ort ihrer ersten Niederlassung betreut wird. Dort nehmen wir das Abendessen ein und sprechen ausführlich über die Eindrücke des Tages. Mittwoch, den 5. Dezember, fliegen wir vom Flughafen von Changchun nach Beijing zurück, wo wir noch die eindrucksvolle Verbotene Stadt besuchen.

Donnerstag, den 6. Dezember, reisen wir dann weiter nach Chengdu, der Hauptstadt von Sichuan. Dort fahren wir in die Stadt Xishan, um das ehemalige Kloster zu besuchen, das von Mönchen von Sint-Andries/Zevenkerken (Belgien) unter Pater Jehan Joliet gegründet wurde. Das Kloster liegt nicht weit von der Stadt entfernt. Wir erreichen es über eine kleine Straße, die uns an einen Berg führt, auf dessen Gipfel sich ein christlicher Friedhof befindet. Das Kloster hat seinen ursprünglichen Charakter aus den 1930er Jahren bewahrt und dient heute dem Bischof von Nanchong als Residenz. In den Klostergebäuden befindet sich auch ein Altersheim. Von der Kirche führt ein gewaltiger Kreuzweg zu den Gräbern der ersten zwei Prioren, den ersten Mönchen, einigen Schwestern und den Christen des Ortes.
Wir unterhalten uns ausführlich mit dem Bischof und besuchen dann die ehemaligen Klosterräume: Kapitelsaal, Zellen, Refektorium, dann folgen wir dem Kreuzweg zu den Gräbern der Gründermönche. Entsprechend chinesischer Sitte wurden sie eingeäschert und ihre Urnen befinden sich in Nischen, über denen eine Tafel ihre Weisheit beschreibt.
Der Begründer des Klosters ist Pater Jehan Joliet, der 1870 in Dijon geboren wurde. Nachdem er bei Jesuiten studiert hatte, wurde er Seeoffizier und lernte bei seinen Fahrten China kennen. Die reiche Kultur dieses Landes faszinierte ihn und es empörte ihn, dass die christlichen Missionare nur wenig Achtung dafür zeigten. So entwickelte er eine Missionsform, welche die chinesische Mentalität umfassend achten sollte. 1894 trat er in die Abtei Solesmes ein, welche damals im englischen Exil auf der Isle of Wight lebte, und hoffte, dass er von dort aus eine chinesische Klostergründung vornehmen könne. Nach Kontakten mit Abt Théodore Nève von der Abtei Sint-Andries (Brügge) reiste er mit einem dortigen Mönch nach China, um ein Kloster zu gründen. Sein Gründungsplan sah ein vollständig chinesisch geprägtes Kloster vor, welches ein Zentrum der Wissenschaft und der Kontemplation werden sollte. 1929 ließen sich die Mönche in Xishan in der Provinz Sichuan nieder. Pater Jehan wurde erster Prior, legte aber nach einigen Jahren sein Amt nieder, als die Reichweite der Inkulturation zu Konflikten führte. Er starb 1937 als Einsiedler. Mit seinen ungewöhnlichen Gedanken war er seiner Zeit weit voraus.
Nach dem Mittagessen kehrten wir nach Chengdu zurück, wo wir uns abends mit dem Ortsbischof trafen. Er war erst zwei Jahre im Amt und berichtete uns von seinen Herausforderungen. Am folgenden Tag ging es weiter nach Shanghai. Wir trafen uns mit einem französischen Jesuiten, der viele Jahre in Taipei gelebt hatte, und unterhielten uns zwei Stunden angeregt mit ihm. Wir kamen überein, dass wir uns in Frankreich zu einem weiteren Austausch treffen wollten.
Dann ging es zur Kathedrale von Shanghai, die von Jesuiten errichtet worden war. Wir erreichten sie am Ende einer chinesischen Messfeier, die vollständig überfüllt war. Auch sie ist in den letzten Jahren renoviert worden. Der Dompfarrer und ein befreundeter Priester führten uns durch die Anlage samt angrenzendem Ordinariat, wo eine Reihe Priester wohnt. Dann schlendern wir den Flusslauf entlang zum berühmten Stadtviertel des Bund. Am Abend fliegen wir nach Hongkong, wo uns am folgenden Tag der Abt Paul Kao im Hotel aufsucht, um mit uns zu seinem Kloster auf der Insel Lantao zu fahren.
Die Gründung dieses Klosters reicht in das Jahr 1946 zurück und geht auf zwei Gruppen von Mönchen zurück, die vor kommunistischen Verfolgungen in China geflohen waren. Eine Gemeinschaft aus ungefähr 15 Mönchen, von denen einer Architekt war, errichtete an dem gänzlich abgeschiedenen Ort das Kloster, zu dem in einer beeindruckenden Leistung zuerst Wege angelegt wurden, auf denen dann die Steine herangekarrt wurden. Es handelt sich um einen quadratischen Bau, bei dem zwei gegenüberliegende Flügel die regulären Räume und die Zellen enthalten. Zwei Gänge verbinden die Flügel und schließen das Klaustrum. Daneben erhebt sich die Kirche über dem Meer und ähnelt einem Schiff mit dem Kirchturm als Mast. Erst kürzlich wurde eine Infirmerie als Erweiterungsbau errichtet. Gegenüber beherbergt ein Gästehaus die zahlreichen Besucher. Sie umfasst neben 16 Gastzimmern auch noch Versammlungsräume und ein Gästerefektorium. Wir treffen uns mit der Gemeinschaft und stellen am Abend die Arbeit der AIM vor. Am folgenden Tag geht es für mich zurück nach Frankreich, wo ich nach einem 16-stündigen Flug eintreffe.
[1] Fortsetzung des Reiseberichts zum Treffen der BEAO aus Bulletin 116 (2019), S. 61-66.

Reise in den Tschad
13
Zeugnisse
Christine Conrath OSB
Sekretärin der AIM
Reise in den Tschad,
Juni-Juli 2019
Im Rahmen meiner AIM-Aktivitäten wurde ich von der Gemeinschaft Sainte-Agathe von Lolo eingeladen, einige Tage bei ihnen im Tschad zu verbringen. Es handelt sich um das einzige Benediktinerkloster des Landes. Die Gemeinschaft fühlt sich ordensmäßig recht isoliert und bat daher um einen Freundschaftsbesuch der AIM, die das Kloster seit seiner Gründung stets unterstützt hat. So schien der Augenblick gekommen, um den mutigen Schwestern durch einen Besuch unsere Verbundenheit auszudrücken.
Ich flog mit der Royal Air Maroc und tauchte mit dem Abflug aus Paris sofort in die arabische Welt ein. Ein Zwischenstop wurde noch in Casablanca eingelegt, wo ein beeindruckender internationaler Flughafen uns empfing. Zu dem Flug Paris-N’Djamena kamen anschließend noch zehn Stunden Autobus dazu, um die 475 Kilometer von der Landeshauptstand N’Djamena nach Moundou zu bewältigen. Dann folgten noch 11 Kilometer von Moundou nach Lolo. Hier rechnet man nicht nach Kilometern, sondern nach Reisezeit, was mit dem Zustand der Straßen zusammenhängt. Diese waren im Umkreis der Hauptstadt und von Moundou, der zweitgrößten Stadt des Landes, recht ordentlich, aber dazwischen ziemlich schrecklich. Auf einer Busfahrt bekommt man viel mit und kommt mit der Bevölkerung in Kontakt. Die Sitze sind komfortabel und man kann sich ausruhen. Über einen großen Bildschirm flimmern Unterhaltungssendungen auf Französisch und Arabisch, der zweiten Landessprache, und einige chinesische Filme mit Untertiteln.
In N’Djamena war mein Flugzeug pünktlich angekommen, aber einer meiner Koffer war verschwunden, so dass ich erst einmal reklamieren musste und dann die Einreiseformalitäten zu erledigen hatte. Dabei dachte ich besorgt an Sr. Denise, die schon länger als zwei Stunden vor dem Flughafen auf mich wartete.
Kloster Sainte-Agathe wurde im Jahr 2004 vom kongolesischen Kloster Lubumbashi gegründet (Kongregation Königin der Apostel). So ist alles sehr jung und es gab viel für mich zu entdecken. In der Klosterbibliothek fand ich ein sehr nützliches Buch mit dem Titel: „Ursprünge der katholischen Kirche im Tschad. Tagebuch eines Missionars“, das der Kapuziner Marie-André Dupont verfasst hatte. Danach zählt die Kirche im Tschad nicht einmal hundert Jahre. Die acht Bistümer des Landes werden von 132 Diözesan- und 111 Ordenspriestern betreut, wozu 375 Schwestern kommen. Wie mir ein Priester in Moundou anvertraute, ist das Kloster Sainte-Agathe der Stolz der Diözese.
Vor meiner Abfahrt hatte ich in Paris noch einem Missionar begegnen können, dem Kapuzinerpater Michel Guimbaud, der seit 1957 im Tschad wirkte, also drei Jahre vor der Unabhängigkeit dort anlangte. Mit seinem missionarischen Eifer und seiner Hochachtung für die Menschen im Tschad wirkte er ansteckend. Im Kloster Sainte-Agathe feiern die Kapuziner drei Mal wöchentlich Eucharistie und helfen an allen Ecken und Enden. Unter anderem sind sie als Postmeister im Einsatz und leiten Emails und sonstige Informationen an die Schwestern weiter.
Auf meiner Busfahrt sah ich zahlreiche Trucks mit Containern, die aus dem Kamerun kommen, aus Douala oder Yaoundé. Der Tschad hat keinen direkten Zugang zum Meer und ist flächenmäßig ungefähr drei Mal größer als die BRD. Der Norden ist wüstenhaft. Neben schwierigen klimatischen Bedingungen stellt auch die politische Situation eine Herausforderung dar. Die Zonen, die von der Terrororganisation Bokko Haram kontrolliert werden, sind nicht weit entfernt. Die letzten Jahrzehnte, vor allem die Diktatur unter Hissène Habré (1982-1990) waren für die Menschen hier eine Leidenszeit. Am 30. Mai 2016 wurde dieser Gewaltherrscher zu lebenslanger Haft wegen seiner Verbrechen verurteilt. Dieser Prozess, der erst 25 Jahre nach seinem Sturz und der Flucht in den Senegal stattfinden sollte, wurde erst möglich dank der beharrlichen Bemühungen seiner Opfer.
Da mein Koffer verschollen war, konnte ich am eigenen Leib die Empfehlung von Lukas 10 beherzigen: „Nehmt kein Geld, keine Tasche und keine Schuhe mit. Wenn ihr in ein Haus kommt, sprecht: ,Friede diesem Haus!‘ Bleibt dort, esst und trinkt, was man euch vorsetzt.“ Die Schwester quartierten mich in einer schönen Zelle ein und gaben mir alles Nötige für die Nacht und die gesamte Woche. Die Moskitos meinten es gnädig mit mir oder vielmehr das Moskitonetz erwies sich als ausreichend, da mein Spray mit dem Koffer verloren gegangen war.
Das Kloster ist geräumig und klug eingerichtet. Die schöne Kirche wurde am 29. Juni 2018 geweiht. Die gut durchlüftete Küche dient gleichzeitig als Refektorium. Die Schwestern haben gerade zehn zusätzliche Gasträume errichtet, um noch mehr Gäste aufnehmen zu können. Es kommen auch viele Menschen ins Kloster, da sie den dortigen Rahmen und die Gemeinschaft schätzen. Während meines Besuches fanden gerade Exerzitien für Ordensmänner statt, die ein Priester aus Zentralafrika leitete.

Mich hat der Eifer der Schwestern sehr berührt, obwohl ihre Lebensumstände sehr bescheiden sind. Die Zeiteinteilung ist dicht mit Vigilien um 4.30 Uhr, Komplet um 20.00 Uhr und einer kurzen Ruhezeit nach dem Mittagessen. Die Oberin Sr. Denise, die Gastschwester Gisela und die Schulleiterin Sr. Miriam stammen aus dem Kongo, aus Lubumbashi. Die erste Professschwester Priscilla befindet sich gerade zur Ausbildung in Lubumbashi. Die Gemeinschaft wird demnächst durch die Rückkehr der Schwestern Eulalia und Philomena wieder komplett sein. Die Atmosphäre ist gastfreundlich, so verbringt gerade eine Schwester von Kloster Babété aus dem benachbarten Kamerun hier ihren Urlaub. Das Wiedersehen mit Sr. Miriam hat mich gefreut. Sie hatte vor drei Jahren an einem Ausbilderkurs teilgenommen, der sie enorm gefördert hat. Sie wird demnächst nach Yaoundé übersiedeln, um dort drei Jahre lang Bibelwissenschaften zu studieren. Für die Gemeinschaft ist das ein großes Opfer, zu dem sie sich aber großherzig bereitfand.
Als ich Sr. Denise in die Felder des Klosters begleite, erläutert sie mir, dass man vor der Erdnussernte drei Mal gründlich Unkraut jäten muss. Leider sieht man in der Plantage immer wieder freie Stellen, sei es wegen Regenmangel oder wegen einbrechenden Viehherden, die ohne große Schwierigkeiten die schwache Umzäunung überwinden. Früher kamen diese Rinderherden nach der Ernte, weideten die Reste ab und düngten, was für die Landwirte sehr nützlich war. Jetzt aber kommen sie bereits früher mit unguten Folgen für die Plantagen.

Unter den Arbeitern, die auf den Klosterfeldern zu sehen sind, fallen die Chormitglieder der benachbarten Pfarrei auf, die sich etwas verdienen wollen, um Musikinstrumente und einen Verstärker zu kaufen. Ihre Vergütung wird von den Schwestern zur Seite gelegt, damit die Musiker eines Tages ihren Traum verwirklichen können. Auch die Dorffrauen kommen mit den Kleinkindern auf dem Rücken und den älteren Kindern neben ihnen. Für das Dorf ist das Kloster ein Gottesgeschenk. So erhalten sie vom Kloster Vorschüsse, womit sie sich Samen kaufen können.
In diesem Jahr will Sr. Denise, die eine landwirtschaftliche Ausbildung durchlaufen hat, neben Sesam, Erdnüssen, Hirse und Yam auch noch Baumwolle anpflanzen. Der Boden hier ist sandig und leicht durchzuharken, doch bei stärkerem Regen werden die Bäume sofort entwurzelt. Daher hat die Regierung eine Aufforstungspolitik verordnet und hat das weitere Abholzen verboten, auch wenn alle Holzkohle für die Essenszubereitung benötigen. Das Kloster verfügt über eine Ölpresse für die Erdnüsse. Drei Arbeiter haben sie einen ganzen Tag lang gedreht und am folgenden Tag konnten wir mehrere Kanister mit Öl zu einem Kunden in Moundou bringen.
Das Klosterleben wird stark durch das Kommen und Gehen der benachbarten Dorfbevölkerung geprägt. Am Morgen Aufbruch zu den Feldern, um 11.00 Uhr bringt man den Arbeitern Tee, um 15.00 Uhr kommen alle, um ihre Mahlzeit einzunehmen, nämlich einen Brei aus Hirse und Mais, gewürzt mit einer Sauce auf Gemüse und Fisch. Um 17.00 Uhr endet die Arbeit und jeder eilt nach Hause zurück, bevor um 18.00 Uhr die Nacht einbricht.
Die Schwestern leiten eine kleine Schule. Anfangs oblag ihnen allein der Unterricht, aber inzwischen haben sie einige Lehrer gefunden, denen natürlich ein Gehalt zu zahlen ist. Für die Dorfbewohner sind Schulgebühren freilich unerschwinglich, so dass sie ihre Kinder nicht lange auf die Schule gehen lassen. Die Wasserpumpe, welche die Schwestern dem Dorf zur Verfügung gestellt haben, muss nun zum dritten Mal repariert werden, so dass die Schwestern um eine Kostenbeteiligung gebeten haben. Die Klosterschule muss ihren Unterricht zum 30. Mai abschließen, da Anfang Juni die Regenzeit beginnt und dann die Kinder auf den Feldern mitarbeiten müssen. Das Schulgebäude wurde übrigens teilweise von den Schülern der Klosterschule von Lubumbashi finanziert.
Der Mut der Schwestern ist bewundernswert. Zu den nächsten Herausforderungen gehört eine solidere Umzäunung der Felder und die Verbesserung der Elektrizitätsversorgung, die vor allem den Betrieb eines Kühlschranks sichern soll. Für den Internetzugang muss man bisher auf einen nahegelegenen Hügel steigen, wo Signale empfangen werden können. Während meines Aufenthalts habe ich erleben dürfen, dass alles aus Gnade geschenkt wird. Ich möchte der Gemeinschaft von Sainte-Agathe für ihre Gastfreundschaft danken und dass sie mir eine andere Welt gezeigt hat. Erwähnt sei auch noch, dass die Schwestern, der Ortsbischof und die Kapuziner die Gründung eines benachbarten Männerklosters dringend wünschen. Ein Grundstück steht bereits zur Verfügung. Hiermit also eine Einladung an alle Männerklöster, die für eine solche Gründung offen wären!
Bericht von Madagaskar und Indischer Ozean
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Nachrichten
Agnes Brugère OCSO
Priorat Ampibanjinana
Bericht des Oberentreffens
der kontemplativen Gemeinschaften
von Madagaskar und Indischer Ozean
Kloster Ampibanjinana, Mai 2019
Unser Treffen fand vom 7. bis 14. Mai im Zisterzienserinnenkloster Ampibanjinana in der Nähe der Stadt Fianarantsoa (Madagaskar) statt. Die Moderation lag in den Händen von Pater Louis-Martin Rakotoarilala, Assumptionist und Doktor des Kirchenrechts, und thematisch ging es um die päpstlichen Dokumente „Vultum Dei quaerere“ und „Cor orans“. Unsere Gruppe wollte dabei Statuten erarbeiten, welche dem Heiligen Stuhl vorgelegt werden sollen.
An unserer Versammlung nahmen teil:
– die Vorsitzende Sr. Agnes, Priorin der Zisterziensierinnen von Ampibanjinana.
– der erste Assistent P. Jean-Chrysostome, Prior des Zisterzienserklosters Maromby.
– der zweite Assistent P. Luc-Ange, Prior der Benediktiner von Mahitsy.
– Sr. Victoire, Priorin des Karmels von Fianarantsoa, Beraterin.
– Sr. Maria Goretti, Priorin der Klarissen von Ihosy, Beraterin.
– Sr. Martine, Priorin der Klarissen von Ampasipotsy.
– Sr. Jeanne, Priorin der Benediktinerinnen von Ambositra.
– Sr. Marie-Berthe, Priorin der Benediktinerinnen von Mananjary.
– Sr. Marie-Jeanne, Priorin der Benediktinerinnen von Joffreville.
– Sr. Mireille als Delegierte der verhinderten Sr. Magdalena, Priorin vom Karmel von Tana.
– Sr. Odette, Priorin des Karmels von Morondava.
– Sr. Carméla, Priorin des Karmels von Moramanga.
– Sr. Elisabeth, Priorin des Karmels von Tuléar.
– Sr. Ange-Daniella als Delegierte der verhinderten Äbtissin Miriam von den Klarissen von Antsirabe.
Einige Gemeinschaften, darunter die von den Inseln Réunion und Maurice, konnten in diesem Jahr nicht teilnehmen.

I- Ausbildung
Zu verschiedenen Zeiten erläuterte uns Pater Louis-Martin die Abschnitte der Apostolischen Konstitution Vultum Dei quaerere und vor allem die Instruktion zur praktischen Umsetzung Cor orans, die am 1. April 2018 veröffentlicht worden ist. Die Instruktion hat eine Reihe kirchenrechtlicher Unklarheiten behoben und uns damit beim Verständnis der Konstitution geholfen, welche für die kontemplativen Frauengemeinschaften Gesetzeskraft besitzt.
Gemeinsam sind wir die einzelnen Nummern von Cor Orans durchgegangen, worin die unterschiedlichen Zusammenschlüsse von Klöstern definiert werden, also Föderationen, Assoziationen, Kongregationen und Konferenzen, zu deren Bildung ermutigt wird. Dabei wurde uns klar, dass unser lockeres Klostertreffen, das in Madagaskar seit 2008 besteht, in Cor Orans unter Nr. 9 zu finden ist, wo es „Konferenz von Klöstern“ genannt wird.
II- Ausarbeitung unserer Statuten
Bevor wir an die weitere Bearbeitung unseres Statutenentwurfs gingen, lasen wir gemeinsam einen Brief des Apostolischen Nuntius Augustin Kasujja vom 12. Juni 2018, worin er uns zur Bildung einer „Union von Frauenklöstern“ ermutigte, denen ein von den Mitgliedsklöstern gewählter Ordensmann zur Seite steht. Der Brief nennt auch die Dokumente, welche bei der Religiosenkongregation zur Gründung einer solchen Union vorzulegen sind, vor allem die Zustimmung der einzelnen Klöster durch Kapitelsbeschluss und ein Entwurf der Statuten. Nach unseren Beratungen wurde dann an alle Anwesenden eine überarbeitete Neufassung der Statuten unserer Vereinigung ausgehändigt, welche den Namen tragen soll: „Klosterkonferenz des Indischen Ozeans“.
Diese Statuten sollen in einem nächsten Schritt den Kapiteln der Klöster vorgelegt werden, die über ihre Zugehörigkeit zur Klosterkonferenz abstimmen sollen. Die Abstimmungsergebnisse werden dann an die Vorsitzende weitergeleitet, die sie mitsamt den Statuten dem Heiligen Stuhl zur Approbation zukommen lässt. Die Begutachtung seitens der einzelnen Klöster lässt vielleicht Nachbesserungsbedarf erkennen. Diesen wollen wir bei unserem nächsten Treffen im Jahr 2020 besprechen. Wir werden die Statuten erst dann an den Heiligen Stuhl weiterleiten, wenn alle Gemeinschaften sich dazu äußern konnten.
Bei unserer Überarbeitung der Statuten ergab sich eine Vielzahl von Fragen. So bemühten wir uns um eine Klärung, welche Klöster sich der Konferenz anschließen können und welche Verpflichtungen damit verbunden sind. Besondere Aufmerksamkeit schenkten wir den Regeln für das Verlassen der Klausur, woran Cor Orans besondere Anforderungen stellt, was bei manchen Widerstände hervorrief. Dahinter stand die Frage, wie unsere „Klosterkonferenz des Indischen Ozeans“ sich entwickeln würde, falls wir sie durch eine Föderation ersetzen, wie sie Cor Orans nahelegt?
Darauf wollen die Artikel 1, 2, 4 und 7 unserer Statuten antworten: Ziel unserer Klosterkonferenz ist die Förderung des kontemplativen Lebens innerhalb der Klöster der Region und die Stärkung gegenseitiger Zusammenarbeit. Das kontemplative Leben besitzt unterschiedliche Charismen und die jeweilige Ausbildung hilft uns, unserer Berufung treu zu bleiben und uns gegenseitig zu unterstützen. Insgesamt sind wir nur wenige im gewaltigen Gebiet der jungen Kirchen. Auch unsere Gemeinschaften sind überwiegend jung und wir Priorinnen spüren nur zu deutlich, dass es noch an Ausbildung und Unterstützung fehlt. Wir verstehen unsere Zugehörigkeit zur Klosterkonferenz auch als Bekenntnis zur Einheit mit der Allgemeinen Kirche. In Artikel 2 werden die Dienste aufgezählt, welche die Konferenz für die Klöster leisten sollen.
In Artikel 7 wird festgelegt, dass die Mitgliedsklöster bei Versammlungen zu erscheinen haben. Wenn die Oberin verhindert ist, soll eine Vertreterin entsandt werden, damit die Verbindung zur Konferenz lebendig bleibt. Dabei ist uns bewusst, dass aus finanziellen Gründen die Reisen zwischen Madagaskar und den Inseln im Indischen Ozean nicht immer möglich sind. Daher können sich die Inseln durch eine in Madagaskar wohnhafte Nonne vertreten lassen.
Es schien sinnvoller, in den Statuten den Zeitpunkt der Treffen nicht festzulegen. Zur Zeit treffen sich die Oberinnen jährlich, aber in Zukunft könnte man auch zu einem Zweijahresrhythmus übergehen. Je nach Notwendigkeit und Anliegen sollen die Mitglieder der Konferenz selbst darüber entscheiden, wann und wie häufig sie sich treffen wollen.
Während unserer Besprechungen über Rechte und Pflichten der Mitgliedsklöster schien es uns wichtig, dass wir klar daran erinnern, dass nicht nur die Oberinnen zu den Treffen erscheinen, sondern auch die sonstigen Angehörigen der Klöster sich zu den angebotenen Kursen der Konferenz anmelden. Diese Weiterbildungskurse sind zwar freiwillig, aber eine aktive Teilnahme der angesprochenen Schwestern und Nonnen ist für das Gedeihen der Konferenz unerlässlich. In Artikel 22 benennen wir, wie vom Kirchenrecht vorgeschrieben, als assistierende Priester der Konferenz die jeweiligen Oberen der Benediktiner von Mahitsy und der Zisterzienser von Maromby, welche unsere Treffen von Beginn an begleiten. Da sie gleichfalls kontemplativ ausgerichtet sind, liegt ihre Wahl auf der Hand.
Sehr dankbar waren wir für die kirchenrechtliche Beratung durch Pater Louis-Martin, der uns bei der Ausarbeitung unserer Statuten beratend zur Seite stand.
III- Austausch über verschiedene Themen und Zukunftspläne
Wir diskutierten auch über das weitere Vorgehen. Dabei einigten wir uns darauf, dass Cor Orans noch vertieft behandelt werden sollte. Manche Punkte konnten wir noch nicht besprechen, vor allem das Thema der Neugründung und ihrer kanonischen Errichtung, Ausbildung und soziale Medien. Wir baten daher Pater Louis-Martin, im kommenden Jahr mit uns die Lektüre von Cor Orans weiterzuführen und uns bei der Ausarbeitung von Verfahrensvorschriften unserer Konferenz zu helfen. Ein Arbeitsausschuss wird einen Entwurf zusammenstellen, der bei unserem Treffen im Jahr 2020 diskutiert werden soll. Dabei werden auch Änderungswünsche hinsichtlich der Statuten besprochen, die von den einzelnen Gemeinschaften kommen. Unser nächstes Treffen findet vom 27. April bis 4. Mai 2020 wieder in Fianarantsoa statt.
Um die Zusammenarbeit unserer Klöster weiter zu verstärken, wurden folgende Vorschläge gemacht:
– Am Jahresende soll jede Gemeinschaft mit den üblichen Neujahrswünschen der Vorsitzenden Schwester Agnes auch einen Bericht über Jahresexerzitien und Vorträge der Gemeinschaft zukommen lassen, einschließlich der Namen der Referenten, damit die anderen Gemeinschaften davon vielleicht profitieren können. Sr. Agnes sammelt diese Infor mationen und lässt sie im Januar allen Gemeinschaften zukommen.
– Ähnlich können Gemeinschaften Nachrichten über wichtige Ereignisse über Schwester Agnes mit den anderen Klöster teilen.
– Manchmal gibt es Talente in den Gemeinschaften, die man teilen könnte, beispielsweise im Bereich Gesang. Das würde natürlich bedeuten, dass eine Schwester einige Zeit in einer anderen Gemeinschaft verbringen würde.
– Für 2021 und 2022 wurde eine gemeinsame Ausbildungseinheit für junge Ewige Professen angedacht. Dafür wurden als Themen vorgeschlagen: die Gelübde, Beharrlichkeit, Bewältigung von Krisen, Freiheit und rechtes Maß bei den Kommunikationsmitteln, die Bedeutung des inneren Lebens.
– Mutter Marie-Jeanne von Joffreville (Madagaskar) hat ein Treffen für Oberinnen oder junge Schwestern in ihrem Kloster vorgeschlagen. Dies könnte zusätzlich eine Gelegenheit darstellen, bei den Christen dieser nördlichen Diözese das Ordensleben für das Ordensleben zu werben, das in diesem wenig christianisierten Landesteil wenig bekannt ist. Mutter Odette vom Karmel Morondava (Madagaskar) hat geäußert, dass es in ihrer westlichen Region ähnlich aussieht und sie gleichfalls in ihrem Kloster ein solches Treffen wünsche. Wir verstehen die Nützlichkeit, durch solche Treffen diese abgelegenen Klöster moralisch zu unterstützen, aber andererseits muss man auch die langen Reisewege und -kosten berücksichtigen. Auf jeden Fall würdigen wir die Bemühungen dieser zwei Oberinnen, die weite Entfernungen auf schlechten Wegen zurücklegen, um sich jährlich mit uns zu treffen.
Alle Teilnehmer haben der AIM einen aufrichtigen Dank ausgesprochen, die unsere Treffen finanziell unterstützt. AIM sponsort auch einen Ausbilderkurs, der vom 19. bis 26. September in Maromby stattfinden wird. Zunächst wird die Franziskanerin Schwester Marie Florence eine Kurseinheit zur geistlichen Begleitung halten (19.-22. September) und anschließend wird der Jesuit Pater Georges über die geistliche Unterscheidung sprechen (23.-26. September). Bislang sind schon über vierzig Anmeldungen eingegangen.
IV- Einladung zu einem Treffen der kontemplativen Ordensleute
mit Papst Franziskus am 7. September 2019
Bei unserem Treffen tauschten wir uns auch intensiv dazu aus, wie wir auf eine Einladung der Bischofskonferenz von Madagaskar reagieren sollten. Darin wurden alle kontemplativen Ordensfrauen in Madagaskar eingeladen, dem Heiligen Vater am Morgen des 7. Septembers im Karmel Ampasanimalo in Tananarive zu begegnen.
Wir wollen mit insgesamt 130 Ordensfrauen und sieben Postulantinnen, falls diese verfügbar sind, zu diesem Treffen kommen. Seitens der Ordensfrauen wird Mutter Magdalena, die Priorin des Karmels, das Begrüßungswort sprechen, worauf der Papst mit einer Ansprache erwidern wird. Es folgt ein gemeinsames Mittagsgebet. Die Liturgie ist seitens des Vatikans schon vorbereitet worden. Wir werden frühmorgens im Kloster eintreffen, um sie gemeinsam durchzuproben. Nach dem Protokoll ist die Übergabe von Geschenken nicht erlaubt. Wir haben aber dennoch eine Geldsammlung veranstaltet, wonach jedes Kloster 7000 Ariary (ca. 1,75 Euro) zu entrichten hat. Die Schwestern vom Karmel in Tulear werden eine Stickkarte entwerfen, worin jedes unserer Klöster vermerkt ist. Die Schwestern von Ambositra werden eine Bambuskarte erstellen, worin wir uns alle namentlich eintragen wollen. Sicher wird der Sekretär des Papstes diese Geschenke nicht abschlagen.
Am Schluss wollen wir allen danken, welche an unserer Begegnung teilgenommen haben.

Bericht vom Treffen der Ausbilder von ABECCA
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Nachrichten
Alex Echeandía OSB
Präsident von ABECCA
Bericht vom Treffen
der Ausbilder von ABECCA
Guatemala, 14.-23. Juli 2019
In der 1978 gegründeten Organisation ABBECA (Benediktinisch- Zisterziensische Vereinigung der Karibik und der Anden) vereinigt 35 Gemeinschaften aus 17 Ländern Lateinamerikas. Alle vier Jahre treffen sich jeweils in einem anderen Land dieser Region Benediktiner und Zisterzienser der Mitgliedsklöster für einen Erfahrungsaustausch, der von verschiedenen Vorträgen begleitet wird. Diese Treffen stellen immer Höhepunkte dar, auch wenn sie erschwert werden durch lange Reisewegen und der begrenzten Zahl von Teilnehmern, welche die einzelnen Klöster entsenden können.
Die letzte Generalversammlung von ABECCA fand im Juli 2017 in Bogota statt. Bei dieser Zusammenkunft drückten die Teilnehmer den Wunsch aus, dass die klösterlichen Ausbilder die Möglichkeit einer Weiterbildung erhalten sollten. Denn gerade die Ausbilder nehmen eine Schlüsselrolle in der Zukunftsplanung einer Gemeinschaft ein. Einige schlugen auch einen Kurs vor, den ABECCA für Novizen und Junioren organisierten sollte, aber ein beträchtlicher Teil der Teilnehmer zog es vor, dass in einem ersten Schritt die Ausbilder gefördert werden sollten, weil dies ja auch Auswirkungen auf die Mönche in der Ausbildung und die gesamte Gemeinschaft haben würde.
Bei einem Treffen des ABECCA-Rats im Oktober 2018 in Guatemala wurden die Daten, Themen und Referenten des ersten Ausbilderkurses festgelegt. Wir wollten ein Thema finden, dass auch für weitere Kurse von grundlegender Bedeutung sein würde und für die beteiligten Gemeinschaften hilfreich wäre. Nach langer Überlegung entschieden wir uns für den Themenkomplex, der mit dem Problem eines Mangels an Reife verbunden ist und zwar vor und nach der Gelübdeablegung.
Bei der Behandlung des Themas sollte zunächst über die Grundlagen des monastischen Lebens nachgedacht werden und wie diese von älteren an jüngere Mönche weitergegeben werden, von Mutterhaus an Tochterkloster, von Ausbildern an Kandidaten. Zum klösterlichen Leben gehört auch eine gewisse Kenntnis der monastischen Väter, der Benediktusregel und der Anwendung dieser Tradition auf die heutige Lebenswelt.
Ein weiterer Schwerpunkt sollte auf der menschlichen Persönlichkeitsentwicklung liegen: Wie können Gefühle im Formationsprozess harmonisch eingebunden werden, damit die Kandidaten in monastischer Hinsicht und als Christen reifen? Diese menschliche Seite betrifft sowohl die Kandidaten selbst als auch die Ausbilder und die gesamte Gemeinschaft. Wenn es um Menschlichkeit geht, ist jedes Mitglied der Gemeinschaft tief angesprochen.
Schließlich soll auch die spirituelle Seite angesprochen werden, wobei zwei Seiten in den Blick kommen sollten, nämlich die monastische Tradition und das menschliche Verhalten, damit der Heilige Geist im Gesamtrahmen einer Berufung die menschliche Reifung innerhalb eines klösterlichen Rahmens vorantreiben kann.
Das Ausbildertreffen fand dann vom 14. bis 23. Juli 2020 in Guatemala statt. Dazu hatten sich 26 Ausbilder, die von Mexiko bis Peru kamen, von überall her aus Südamerika und den karibischen Inseln. Einige Teilnehmer waren schon jahrelang in der Noviziatsausbildung tätig, andere sind gerade ernannt worden.

Unter den Referenten ist zu nennen Abt Paul Stonham von der englischen Abtei Belmont, der die ersten drei Tage leitete, in denen es um die Ursprünge des christlichen Mönchtums ging und die Entwicklung der monastischen Tradition von der Urkirche bis zur heutigen Kirche in Lateinamerika. In den folgenden zwei Tagen sprach Sr. Marta Inés Restrepo als Psychoanalytikerin und geistliche Begleiterin über menschliche Psyche und Menschenwürde. Die letzten drei Tage bestritt der ehemalige Generalabt der Trappisten, Abt Bernardo Oliveira, der sich mit geistlicher Reifung befasst, wobei er gleichermaßen über die monastische Tradition wie über menschliches Verhalten sprach und mit vielen Beispielen illustrierte, wie ein reifes Gemeinschaftsleben aussehen könnte. Alle drei Referenten wurden sehr geschätzt.
In einem weiteren Teil konnten die Teilnehmer ihre eigenen Erfahrungen untereinander austauschen. Dafür trafen sie sich zwei Mal täglich, jeweils nach den Vorträgen. Zum Abschluss des Tages gab es jeweils eine Vollversammlung, in der die Ergebnisse der Kleingruppen eingebracht und diskutiert wurden. Dieses Verfahren half uns sehr bei unserem Bemühen, innerhalb der konkreten Situation unserer Gemeinschaften unseren Beitrag zu leisten.
Dieser gemeinschaftliche Zugang zum monastischen Leben unter Berücksichtigung einer pluralistischen Praxis hat dieses erste Ausbildertreffen fruchtbar werden lassen. Dafür haben wir umfassend die Humanwissenschaften berücksichtigt und die menschliche Reifung als Werk der Gnade Gottes im Rahmen seiner Gemeinschaft erkannt.
Hinzuweisen ist schließlich auch auf die isolierte Situation manchen Frauen- und Männerklöster in ihren jeweiligen Ländern. Solche isolierte Gemeinschaften haben kaum Möglichkeiten, sich über Ausbildungsfragen auszutauschen. Daher sollten unsere Ausbilderkurse weitergeführt werden. Für ABECCA liegt hier eine Aufgabe für die Zukunft, da so die verstreuten Gemeinschaften sich weiterentwickeln können. Wir halten daher diesen ersten Ausbilderkurs für eine Antwort auf den Willen Gottes, der für unsere Gemeinschaften jeweils das Beste will.
Bericht über den Ausbilderkurs „Ananie“
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Zeugnisse
Moses Ilboudo OSB
Kloster Koubri (Burkina Faso)
Bericht über den
Ausbilderkurs „Ananie“
Ich bin sehr dankbar für diesen Ausbilderkurs, der über drei Monate hinweg ein straffes Weiterbildungsprogramm enthielt. Dank der Referenten wurde es nie langweilig. Unser Kurs führte uns dabei von Kloster zu Kloster in Frankreich, so dass ich mir wie einer der drei Weisen vorkam (vgl. Mt 2,1-12), die vom Stern geführt wurden, oder wie Maria, welche die Berge durchquerte, um ihre Cousine Elisabeth zu besuchen.
Der Kurs hat mir meine monastische Grundentscheidung nochmals deutlich vor Augen geführt mit allen ihren Gnaden und Geschenken. Mir ist wieder bewusst geworden, dass die Ausbildung von Novizen zunächst einmal bedeutet, dass man sich selbst verwandeln lässt. Geben bedeutet empfangen können, wie es auch in der kleinen Broschüre über das Ausbildungsprogramm „Ananie“ gesagt wird: Hananias, von dem das Programm seinen Namen ableitet, war nach Apostelgeschichte 9 derjenige, der den erblindeten Paulus zur Nachfolge Christi hinführte. Und eben er ist für uns Vorbild, unabhängig davon, welche Aufgaben ich gerade übernehme.
Da unser christlicher Glaube sich vor allem in Weitergabe und gelebtem Christentum ausdrückt, der im gefeierten und gebeteten Wort Gestalt gewinnt, ging es in den ersten drei Wochen in La-Pierre- qui-Vire um die christlichen Geheimnisse von Passion, Tod und Auferstehung. Diese Themen sollten uns während des gesamten Kurses begleiten. Bei seinen Vorträgen entfachte Pater Pierre-Yves Brandt eine kleine Flamme in mir, die ich in der gesamten Kurszeit wach zu halten bemüht war. Diese Flamme muss behütet werden, damit sie sich ausweiten kann und zum Samenkorn wird. Dann kann es wachsen und Frucht in meinem Klosterleben bringen, von der auch andere zehren können. Da es keine Rose ohne Dornen gibt, muss man beim eigentlich sehr schönen Gemeinschaftsleben berücksichtigen, dass in einem Kloster die unterschiedlichsten Charaktere zusammenkommen, was man dann mit dem Ausdruck „brüderliche Gemeinschaft“ zusammenfasst. Pater Pierre-Yves hat mir dank vieler praktischer Übungen bewusst gemacht, wie ich in bestimmten Situationen eine bessere Lösung finden könnte. Wie kann das gehen? Indem ich mein eigenes Leben immer neu reflektiere, zu mir selbst finde, um das, was ich empfangen habe, besser weiterzugeben. Bei meinen Überlegungen sollte ich vermehrt in der Heiligen Schrift, der Benediktusregel und unseren Consuetudines verankert sein, die im Grunde praktische Hinweise geben wollen. Auch sollte ich die jeweilige Situation stärker in den Blick nehmen. Ich sollte mich stärker in der Gewalt haben, mich in andere hineinversetzen können, so dass ich besser reagieren kann und nicht nur mich rechtfertigen möchte. Es gibt viele Lösungen, viele Arten, auf eine Situation zu reagieren und auf die Stimme des Heiligen Geistes zu hören.
In der Lectio divina horcht der Mönch auf das Wehen des Heiligen Geistes, auf das Gotteswort. Die Lectio divina ist ein Lernort für die Begegnung mit der Heiligen Schrift, so dass ich ein Wort vernehmen kann, das mir ein vertieftes Verständnis meines Lebens erlaubt. Die monastische Tradition ist ein Schatz, woraus man Altes und Neues herausholen kann und erzeugt eine Dynamik, die uns zur Gottesbegegnung hinführt. Abt Armand Veilleux vermittelte uns, dass die Weitergabe von Tradition Weitergabe gelebten Klosteralltags bedeutet. Ausbildung entwickelt sich ständig weiter.
Als Christen glauben wir, dass wir nach dem Bild Christi geschaffen wurden, aber diese Ähnlichkeit aufgrund der Sünde verloren haben und sie dank der Gnade Christi wiederfinden. Die Rolle des Ausbilders besteht darin, dass er bei dem Verwandlungsprozess Beistand leistet. Er hilft dem jeweiligen Kandidaten, der im Kloster Verwandlung sucht und hilft ihm, sich in die Gemeinschaft einzufügen, die ihn willkommen heißt.