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Bulletin

Les communautés en zone de conflits

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Gesetz und Leben

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Zeit des Übergangs

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Klosterleben heute

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„Das ganze Leben als Liturgie“

124

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Die Generalkapitel der Zisterzienser und Trappisten

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Klösterliches Leben und synodaler Weg

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Bulletin

Die Verwaltung des gemeinsamen Hauses

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„Fratelli tutti“ Geschwisterlichkeit im Klosterleben

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Bulletin

Monastische Ausbildung heute
(Teil II)

Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart

AIM Bulletin - Heft 116 ( 2019)

Inhaltsverzeichnis

Editorial

Jean-Pierre Longeat OSB


Lectio divina

Von Kain zu Joseph oder die Erfindung der Brüderlichkeit

Jean-Michel Grimaud OSB


Perspektiven

• „Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ – Vorschläge für die Benutzung. Erfahrungsbericht

Paul Stonham OSB


• Interview mit Mark Butlin OSB

Jean-Pierre Longeat OSB


• „Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ – ein Instrument der Unterscheidung. Beispiel: Ausbildung

Christine Conrath OSB


• Der „Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ verbunden mit einer lectio divina

Jean-Pierre Longeat OSB


• Der „Spiegel“ im Licht der Regel und des Lebens des hl. Benedikt

Geraldo González y Lima OSB


Christliches und Klösterliches Lebenszeugnis

Am Wirkungsort ermordet. Zur Seligsprechung der algerischen Märtyrer

Armand Veilleux OCSO


Liturgie

Musik als herausragendes Hilfsmittel, um Gott zu suchen und zu finden

† Dominique Catta OSB


Geschichte

Einblick in das Klosterleben in Madagaskar

Christophe Vuillaume OSB


Kunst und Kultur

Pater Alwin Schmid (1904-1978)

Pionier des modernen Kirchenbaus in Korea

Cyrill Schäfer OSB


Nachrichten

• Treffen der Benediktiner und Benediktinerinnen Ostasiens und Ozeaniens (BEAO)

Jean-Pierre Longeat OSB


• Intermonastischer Dialog (DIM-MID)

William Skudlarek OSB


• Communio Internationalis Benedictinarum

Thérèse-Marie Dupagne OSB

Sommaire

Leitartikel

Editorial

 

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Diese ausgabe des bulletins ist etwas anders gestaltet als die sonstigen Nummern: Im Mittelpunkt steht dieses Mal ein Arbeitsheft, das vom internationalen Team der AIM zusammengestellt wurde und das die interne Diskussion der Klostergemeinschaften über heutige Herausforderungen anregen soll. Dieses Bulletin gibt neben den sonstigen Themen auch noch einige Hinweise, wie das Arbeitsheft genutzt werden kann. Das Arbeitsheft mit dem Titel „Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ ist daher im Zusammenhang mit dieser Ausgabe des Bulletins zu lesen.

Ein Spiegel hilft dabei, sein eigenes Gesicht zu betrachten und es zu reinigen, damit der äußere Anblick erfreulich bleibt. Unser „Spiegel“ betrifft ganze Klostergemeinschaften. Jede Gemeinschaft ist eingeladen, dieses Instrument der Selbstwahrnehmung einzusetzen, das die Dinge auf den Punkt bringen und zu einer gemeinsamen Vision führen will, die von der gesamten Gemeinschaft geteilt werden kann. Unser „Spiegel“ muss in seiner Anwendung nicht auf Klostergemeinschaften beschränkt bleiben, sondern kann auch bei anderen Gemeinschaftstreffen eingesetzt werden, zum Beispiel bei monastischen Zusammenschlüssen und Zusammenkünften oder bei Kursen von Ausbildern.

Bei der Themenauswahl des „Spiegels“ wurden aktuelle Herausforderungen in den Mittelpunkt gestellt: Gemeinschaft, Führung, Ausbildung, Berufung, Arbeit, wirtschaftliche und finanzielle Stabilität und die Beziehungen zur Gesellschaft. Nach der Erfahrung des Internationalen AIM-Teams, das regelmäßig weltweit Klostergemeinschaften besucht, setzen sich viele Gemeinschaften intensiv gerade mit diesen Fragen auseinander. Denn bei manchen Situationen stellt sich eine Lösung nicht von selbst ein, sondern es bedarf einer grundsätzlicher Reflexion und vor allem ein vertieftes Verständnis, wie jedes einzelne Mitglied der Gemeinschaft und die Gemeinschaft selbst sich engagieren will. Bei solchen Überlegungsprozessen kann unser „Spiegel“ vielleicht hilfreich sein.

Es liegt auf der Hand, dass unser Arbeitsheft je nach Situation und Umfeld angepasst werden muss. Es stellt nur einen Ausgangspunkt dar, keine Lösung. Jede Gemeinschaft, die es benutzt, muss seinen Text für ihre Bedürfnisse umschreiben.

Wir unsererseits wollen mit diesem „Spiegel“ nur einen Vorschlag machen. Falls aber jemand dazu Nachfragen hat oder sich bei der Umsetzung beraten lassen will, kann er/sie uns gerne kontaktieren.

Unter den sonstigen Beiträgen dieser AIM-Nummer sei der Text von Abt Jean-Michel Grimaud (Landévennec) hervorgehoben, der sich mit dem Thema „Brüderlichkeit“ befasst. Daneben gibt es – wie immer – lesenswerte Beiträge unter den Rubriken „Liturgie“, „Klösterliche Lebenszeugnisse“, „Geschichte“ oder aktuelle Informationen.

Jean-Pierre Longeat OSB

Präsident der AIM



Artikel

Von Kain zu Joseph oder die Erfindung der Brüderlichkeit

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Lectio divina

Jean-Michel Grimaud OSB

Abt von Saint-Guénolé/Landévennec (Frankreich)

 

Von Kain zu Joseph

oder die Erfindung der Brüderlichkeit

 


Die brüderlichkeit wird in der bibel als Gnade und als Belastung geschildert. So ist sie Gnade, wenn der Psalmist ausruft: „Wie gut und wie schön ist, wenn Brüder miteinander in Eintracht leben“ (Ps 133,1). Sie wird zur Last, wenn Gott dem Kain die schreckliche Frage stellt: „Was hast du mit deinem Bruder gemacht?“ Zwischen der Einsamkeit des Kain und der Wiederherstellung brüderlicher Gemeinschaft durch Joseph, den Sohn der Rachel, liegt eine weite geistliche Landschaft, in die uns Gott einlädt, damit wir aus der Einsamkeit in die Gemeinschaft finden.

Wenn „Brüderlichkeit“ als hohes Gut empfunden wird, dann wohl auch deswegen, weil sie hart erkämpft werden muss. Denn die erste biblische Beschwörung der Brüderlichkeit entsteht aus einer verpassten Chance und einer tödlichen Verletzung heraus.

Der Philosoph Paul Ricoeur hat einmal gesagt: „Der Brudermord, der Mord an Abel, verwandelt die Brüderlichkeit von einer Naturgabe in eine ethischen Herausforderung.“ Diese Aussage ist hilfreich, denn sie stellt klar, dass Brüderlichkeit im biblischen Sinn sich nicht allein auf Blutsbande reduziert, sondern eine ethische und spirituelle Seite besitzt. Sie überschreitet geographische, ethnische, rassische, kulturelle und sogar religiöse Grenzen. Mit anderen Worten: Das Thema der Brüderlichkeit wird in der Bibel als universelle Frage behandelt und kreist um die Verantwortung für den Mitmenschen.

Dabei zeigt das Buch Genesis, das der Geschichte von Kain und Abel die Erzählung von Joseph und seinen Brüdern folgen lässt, wie Brüderlichkeit ein wesentliches Element ist, um zum Volk Gottes heranzureifen, und dass gerade diese Eigenschaft über die Identität des Gottesvolkes entscheidet.

 

Kain und Abel

„Der Mensch erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain. Da sagte sie: Ich habe einen Mann vom Herrn erworben. Sie gebar ein zweites Mal, nämlich Abel seinen Bruder. Abel wurde Schafbauer und Kain Ackerbauer“ (Gn 4, 1-2).

Diese Eingangsszene beschreibt eine Komplementarität zwischen den beiden Brüdern: der eine kümert sich um das Vieh und der andere um die Erde – beides sollte nicht in Konkurrenz stehen, sondern gemeinsam zum Wohlergehen beitragen. Allerdings lassen diese anfänglichen Worte auch schon einen Konflikt erahnen: Kain wird von seiner Mutter freudig mit den Worten empfangen: „Ich habe einen Mann vom Herrn erworben.“ Dagegen scheint die Geburt des jüngeren Sohnes zweitrangig, da ihm kein Willkommenswort entgegengebracht wird. Dieses Schweigen deutet auf eine gewisse Ungerechtigkeit hin, auch wenn sie nicht offen ausgesprochen wird. Das damit eingeführte Unbehagen verdeutlicht, dass die nunmehr beginnende Brüderlichkeit eine Herausforderung sein wird. Denn das Einzelkind muss nicht teilen, es ist Alleinerbe seiner Eltern und alleiniges Objekt ihrer Zuneigung. Durch die Geburt eines weiteren Kindes wird dieser überschaubare Rahmen gesprengt. Die Frage stellt sich, wie dieser Neuankömmling empfangen wird, welchen Platz er haben soll und wie man mit ihm teilt. Auch unsere Familien und Klostergemeinschaften haben die Erfahrung, dass die Aufnahme eines neuen Mitglieds konfliktträchtig sein kann, aber vor allem und in erster Linie fruchtbar ist und menschliche Reifung ermöglicht. Es handelt sich um eine frohe Botschaft, denn sie befreit von der Versuchung des Macht- und Besitztriebes. Diese Freiheitserfahrung verlangt allerdings auch eine gewisse Ablösung. Darauf deutet der Vorname des älteren Bruders Kain hin, der vom Verb „qanitî“ (ich habe erworben) kommt, das Eva bei der Geburt des Kindes ausspricht. Denn dieses Wort erinnert von Laut her an das Verb „qana’“, was „eifersüchtig sein“ bedeutet.[1] Von Anfang an verbindet sich also Brüderlichkeit, welche verlangt, dass dem anderen Raum geschenkt wird, mit der Eifersucht seitens desjenigen, der bereits da ist und seinen Platz bedroht fühlt.

Was ist das Schicksal des jüngeren Bruders Abel, auf den anscheinend niemand wartet? Sein hebräischer Name bedeutet „Hauch, Dunst, schwerelos, zerbrechlich, schwach und kraftlos“ und drückt daher schon die schwierige Situation des Abels aus.

An diesem Punkt schaltet sich Gott ein. Der Gott Israels offenbart sich als derjenige, der auf der Seite der Schwachen steht. Indem er die Opfergabe des Abels bevorzugt, stellt er den bislang ignorierten jüngeren Bruder in den Vordergrund als das Gegenüber von Kain, das dieser nicht länger übergehen kann. Diese unterschiedliche Behandlung der Brüder stellt die Gerechtigkeit wieder her, wird aber auch zum Ausgangspunkt mörderischer Rache. Denn Unterschiede einfach übergehen würde heißen, dass man die Wirklichkeit verneint. Die Wirklichkeit für Kain und auch für uns heißt nämlich anerkennen, dass wir nicht alle die gleichen Talente besitzen und wir die der anderen schätzen und annehmen dürfen, ohne uns deswegen minderwertig oder übergangen zu fühlen. Talente ergänzen sich vielmehr und stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Mit seinem Handeln eröffnet Gott dem Kain die Chance, sich auf das Anderssein seines Bruders einzulassen und sich von seinem Allmachtsstreben zu befreien. Dies ist eine unerlässliche Voraussetzung, um Beziehung mit einem anderen herzustellen, und so zur vollen Menschlichkeit zu finden. Denn der Mensch, der auf Kommunikation angelegt ist, verwirklicht sich in der Beziehung.

Der Erzähler fährt dann fort: „Kain wurde sehr zornig und sein Blick senkte sich zu Boden“. Damit wird seine Eifersucht zur Sprache gebracht. Nach Paul Beauchamp bedeutet Neid, dass wir „darunter leiden, wenn etwas einem anderen gehört, und uns freuen, wenn wir andere davon ausschließen können.“[2] Doch Gott überl.sst auch den Kain nicht seinem narzistischen Leiden. Er redet ihm mittels eines kleinen Dialogs zu, in dem er Kain mitteilt, dass die Eifersucht an seiner Tür wie ein wildes sprungbereites Tier lauert, wenn er sie nicht überwindet. Er fordert ihn auf, diesen animalischen Trieb zu überwinden: „Du kannst ihn beherrschen!“ Denn nur so kann er das in ihm eingesenkte Gottesbild verwirklichen, wozu der Mensch berufen ist, der nach Genesis 1,26 über die wilden Tiere herrschen soll, also auch über diejenigen, die in seiner Brust eingeschlossen sind. Die Herausforderung, brüderlich zu handeln, meint also in erster Linie eine spirituelle Herausforderung. Bin ich stark genug, um es mit Gelassenheit auszuhalten, dass mein Bruder oder meine Schwester das erhalten, wonach ich mich verzehre?

Kain antwortet jedoch Gott nicht und verweigert sich einem Dialog, der ihm helfen könnte, seine Gewalt zu kanalisieren. Statt „aufzublicken“, wie Gott ihm nahelegt, eine Haltung, welche Zuwendung zu seinem Bruder und Brüderlichkeit ausdrücken würde, fordert er seinen Bruder auf, mit ihm hinauszugehen, wobei er ihn offensichtlich nicht einmal anblickt. Draußen angelangt, bringt Kain seinen Bruder um. Sein inneres Leiden, das er nicht ausdrücken konnte, hat sich in Gewalt entladen. Durch seine Weigerung, den Bruder anzublicken, zeigt Kain seinen Entschluss, den anderen nicht länger mehr als menschliches Wesen zu betrachten. Doch indem er dem anderen die Menschlichkeit abspricht, verliert er ein Stück seiner eigenen Menschlichkeit. Seine tierische Natur hat die Oberhand über die menschliche Seite gewonnen. Damit endet die erste biblische Thematisierung von Brüderlichkeit in einer Katastrophe. Kain bleibt allein mit seinem Leiden daran, dass er Brüderlichkeit nicht annehmen wollte.

Menschliches Streben führt zur Gier und schließlich in eine Sackgasse, wenn es nicht die Grenzen akzeptiert, die ihm gesetzt sind. Wenn Grenzen nicht mehr beachtet werden, können die persönlichen Wünsche derart überm.chtig werden, dass sie in den Lebensraum der Mitmenschen eindringen und alle möglichen Konflikte heraufbeschwören. Der andere wird zum Gegenstand, dessen ich mich nach Belieben bedienen kann, oder zum unliebsamen Konkurrenten, den ich loswerden muss. Da er nicht länger als Person wahrgenommen wird, gibt es auch keine Grundlage für eine echte Partnerschaft. Es ist bemerkenswert, dass die Benediktusregel derart auf dem Gespür für das rechte Maß und klare Grenzziehungen besteht. Darin findet sich eine weise Absage gegenüber Allmachtsfantasien und das Bestreben, die Brüderlichkeit zu fördern.

Bruder oder Schwester sein bedeutet, keinen Versuch zu unternommen, gegenüber dem anderen zu dominieren. Weder auf gewaltsame Art oder in der Form von sanfter Verführung. Echte Brüderlichkeit macht frei. Darauf weist auch die Geschichte von Joseph und seinen Brüdern hin (Gn 37,2-50,26).

 

Joseph und seine Brüder

Schon der Einstieg ist bedeutungsgeladen:

„Als Joseph siebzehn Jahre zählte, weidete er mit seinen Brüdern die Schafe und Ziegen. Er war Hirtenjunge bei den Söhnen Bilhas und Silpas, den Frauen seines Vaters. Joseph hinterbrachte ihrem Vater ihre üble Nachrede“  (Gn 37, 2).

Joseph wird hier wie Abel als Hirte dargestellt. Hirte ist jemand, der seine Tiere ohne Gewaltanwendung betreut. Aus diesem biblischen Bild des Hirten entstand die symbolische Bedeutung des Beschützers, des Führers, welche schließlich in Jesus als Höhepunkt mündete, dem guten Hirten, der sein Leben für die Schafe hingibt.

Diese Einleitung enthält noch einen anderen interessanten Hinweis. Joseph hält sich nicht bei den Söhnen der Lea auf, der ersten Frau Jakobs, sondern bei denen von zwei Dienerinnen, welche seinem Vater gleichfalls Söhne geschenkt haben. Warum? Nach einer jüdischen Tradition habe der Vater Joseph, dem die bedrohte Einheit seiner Familie ein Anliegen war, einen Austausch zwischen den zwei Gruppen seiner Söhne schaffen wollen, also den Nachkommen seiner offiziellen Frauen Lea und Rachel und denen seiner Dienerinnen.

Man darf davon ausgehen, dass er eine Sonderrolle unter den Brüdern einnahm. Dies hängt sicher zu einem guten Teil damit zusammen, dass sein Vater ihn besonders bevorzugt. Zum Symbolobjekt der Eifersucht unter den Brüdern wird der schöne Ärmelrock, den ihm Jakob geschenkt hat: „Als seine Brüder sahen, dass ihr Vater ihn mehr liebte als alle seine Brüder, hassten sie ihn und konnten mit ihm kein friedliches Wort mehr reden.“ Eifersucht bringt es mit sich, dass eine normale Kommunikation unmöglich wird.

Die folgenden Ereignisse sind bekannt: Joseph wird in die Zisterne geworfen und als Sklave nach Ägypten verkauft, wo seine Weisheit und seine Begabung als Traumdeuter dazu führen, dass er providentiell zum Oberaufseher über alle Güter des Pharaos wird. Der Erzähler hebt beim Bericht über Josephs Abstieg und Wiederaufstieg immer wieder hervor, dass „der Herr mit Joseph“ war. Gelebte Brüderlichkeit meint auch, über manchmal lange Zeiten die Zurückweisung von Schwestern und Brüdern zu erdulden, ohne sich dadurch niederschlagen zu lassen, weil man sich in der Hand Gottes geborgen weiß. Brüderlichkeit in diesem Verständnis beinhaltet auch die Prüfung und den Misserfolg, der mit Geduld und Hoffnung durchlebt wird. Hervorgehoben sei auch der Unterschied zwischen Joseph und seinen Brüdern: auf der einen Seite Weisheit, auf der anderen Leidenschaft. Brüderlichkeit gewinnt man nicht, indem man sich von Emotionen beherrschen lässt, sondern indem man sich weise und vernünftig verhält.

Joseph stellt bei verschiedenen Begegnungen, als seine Brüder zur Nahrungssuche nach Ägypten kommen, unerkannt ihre Bruderliebe auf die Probe. Das führt dazu, dass Judas darum bittet, anstelle des jungen Benjamin (wie Joseph ein Sohn der Rachel) als Sklave in Ägypten bleiben zu dürfen. Dies bezeugt eine innere Wandlung der Brüder, welche durch die durchlebten Schwierigkeiten bewirkt wurde. Als Joseph diese wieder gewonnene Brüderlichkeit sieht, kann er sich den Brüdern zu erkennen geben. Dabei erklärt er ihnen, dass ihr Vergehen ihm gegenüber von Gott in providentieller Absicht zum Guten geführt hat, da die gesamte Familie vom Hungertod bedroht ist: „Denn um Leben zu erhalten, hat Gott mich vor euch hergeschickt“ (Gn 45,5). Die wiedergefundene Brüderlichkeit ist nicht weniger wichtig als die Rettung vor dem Hunger. So kann der Bericht damit enden, dass die Brüderlichkeit den Neid überwunden hat. Daraus entspringt dann der abschließende Dank an Gott, der böse Taten zum Guten gewendet hat.

Brüderlichkeit erscheint somit als Geschenk Gottes. Man wird auch feststellen, dass Joseph in ausgesprochen behutsamer Weise beim Bericht über die von ihm durchlittenen Erlebnisse den Brüdern keinerlei Vorwurf macht. Er verzichtet auf Rache für das Böse, das sie ihm zugefügt haben. Dieser Verzicht auf Rache beendet den Kreislauf der Gewalt. Schon bei einer früheren Gelegenheit, als er von der Frau des Potiphars fälschlich beschuldigt wurde, zog Joseph das Schweigen der Anklage vor und überlie. seine Sache Gott. Diese Haltung des wehrlosen Gerechten, die Joseph einnimmt, ist ein wirkkräftiges Samenkorn für Versöhnung und Brüderlichkeit. Dank ihrer können die Brüder des Josephs ihre Schuld erkennen und ihn um Verzeihung bitten. Als ganz am Schluss der Erzählung Jakob stirbt, der Vater aller, überbringen die Brüder Joseph als letzten Willen des Vaters: „Vergib deinen Brüdern ihre Untat und Sünde, denn Schlimmes haben sie dir angetan“ (Gn 50, 17). Durch diese anklagenden Worte gestehen auch die Brüder unausgesprochen ihre Schuld ein und überlassen Joseph die Entscheidung, ob er ihnen wahrhaft vergeben und damit auch zugeben will, dass ihr Verhalten ihn verletzt hat. Joseph muss weinen, als er diese Worte hört, und zeigt ihnen damit seine Verletzlichkeit. Die Vergebung ist mehr als Lossprechung; sie ist gegenseitige Heilung von Täter und Opfer. Damit öffnet sie den Weg zu echter Brüderlichkeit.

Die Einsamkeit, in welche Joseph durch seine Verstoßung geriet, war im Grunde mit Leben erfüllt, weil der Herr bei ihm war. So deutet der Erzähler an mehreren Stellen an. Diese belebte Einsamkeit hat ihm letztlich ermöglicht, die Gemeinschaft mit seinen Brüdern wieder herzustellen. Brüderlichkeit wird damit zu einer geistigen Frucht eines Lebens, das auf der Gottesliebe gegründet ist.

Sowohl die Evangelisten als auch die Kirchenväter sahen in Joseph einen Typos, der auf Christus vorausweist. Denn auch dieser wurde von den Seinen verworfen, weil er gerecht und fromm war, wodurch er zum Grund ihres Heiles wurde. Indem er sie rettet, erweist er sich wahrhaft als ihr Bruder und wurde so zum Vorbild jeder Form von Brüderlichkeit. Das Johannesevangelium hat das genau erfasst, da dort Jesus seinen Jüngern erst nach der österlichen Auferstehung den Titel „Bruder“ schenkt. Als er sich Maria Magdalena offenbart, trägt er ihr die Botschaft auf, dass er lebt, und benützt dabei die Worte: „Geh und sage es meinen Brüdern“ ( Joh 20,17).


[1] André Wénin, D’Adam à Abraham ou les errances de l’humain, Lecture de Genèse 1, 1 – 12, 4, Cerf, Paris, 2007, p. 140.

[2] Paul Beauchamp, Psaumes nuit et jour, Seuil, Paris, 1980, p. 72.

„Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ – Vorschläge für die Benutzung

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Perspektiven

Paul Stonham OSB

Abt von Belmont (England)

Mitglied des AIM-Teams

 

„Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ –

Vorschläge für die Benutzung

Erfahrungsbericht

 


Ich habe den „spiegel“ bereits mit einigen Gemeinschaften auf zwei Kontinenten und in verschiedenen Sprachen erprobt. Auch wenn ich eigentlich eingeladen war, Exerzitien in traditioneller Form durchzuführen, schien es mir sinnvoller, den „Spiegel“ einzusetzen und die Gemeinschaft zu ermutigen, sich auf eine ernsthafte Diskussion über heutige Herausforderungen des Ordenslebens einzulassen.

Der „Spiegel“ besteht aus einer Einleitung, einigen allgemeinen Ausführungen zur heutigen Entwicklung der Welt und der Klöster, worauf sieben kurze Kapitel mit unterschiedlichen Themen folgen. Das siebte Kapitel, das sich mit den Beziehungen zur Welt befasst, ist in zwei Teile gegliedert. Alle Kapitel enden mit einer Fragenliste, welche die Grundlage für einen internen Dialog und eine Diskussion innerhalb der Gemeinschaft bilden kann. Das Arbeitsheft enthält genügend Anregungen, um sieben Sitzungen bestreiten zu können. Viele Gemeinschaften werden auch andere Themen einbringen, welche für die wichtig sind und eine besondere Herausforderung für die heutige Zeit darstellen.

Ich beginne jedes Treffen mit einem Gebet, worauf eine Einführung von ungefähr 15 Minuten folgt, die sich mit dem Thema befasst, welches anschließend durch eine Gemeinschaftsdiskussion vertieft werden soll. Dann wird die Gemeinschaft in Kleingruppen unterteilt oder auch in Zweiergruppen, welche Zeit zum Austausch erhalten. Anschließend werden im Plenum über etwa eine halbe Stunde die Beiträge der Kleingruppen vorgestellt und diskutiert. Diese Schlussdebatte ist immer sehr lebhaft und zieht sich nicht selten in die Länge, bis die Glocke zur Mahlzeit oder zum Gebet ertönt. Private Diskussionen finden nicht selten noch über den ganzen Tag hinweg statt.

Ich passe jedes Mal meine kurzen Einführung den jeweiligen Umständen des Landes oder der Gemeinschaft an. Dabei frage ich auch, ob es vielleicht andere Themen gibt, über welche die Kleingruppen diskutieren wollen. Alle sollen sich frei fühlen, die sie betreffenden Fragen selbst zu wählen oder auch ein ganzes anderes Thema anzuschneiden.

Was immer wieder erstaunt, ist das lebhafte Interesse in den Klostergemeinschaften, sich auf einen Dialog und eine Diskussion einzulassen. In einem Kloster formulierte dies ein Mönch folgendermaßen: „Die heutigen Mönche wollen gehört werden.“ Das ist für mich zum tragenden Motiv meiner Einkehrtage mit Klostergemeinschaften geworden.

Interview mit Mark Butlin OSB

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Perspektiven

Jean-Pierre Longeat OSB

Präsident der AIM

 

Interview mit Mark Butlin OSB

Mönch von Ampleforth und Mitglied des AIM-Teams

 

Pater Mark, seit 34 Jahren arbeiten Sie für AIM. Können Sie uns aus dieser langen Erfahrung heraus sagen, was für Sie im Laufe der Zeit am wichtigsten geworden ist?

Für mich steht im Zentrum, dass innerhalb jeder Gemeinschaften und zwischen Gemeinschaften eine lebendige Verbundenheit besteht, dass eine geschwisterliche Gemeinschaft gelebt wird, gerade indem man den Alltag miteinander teilt.

In welchen Regionen sind Sie am meisten unterwegs?

Vor allem in Südafrika, Nigeria, Angola, Indien, Sri Lanka, Philippinen, Japan, Indonesien, Äthiopien und Vietnam.

Wie schätzen Sie das Arbeitsheft „Spiegel des Klosterlebens“ ein, das vom AIM-Team gemeinsam erarbeitet wurde?

Dieses Dokument will den Schwestern und Brüdern bei der Reflexion über ihr Leben helfen. Dabei werden eine Reihe von Punkten genannt, welche bei der Orientierung helfen können. In jeder Gemeinschaft gibt es Probleme und Erfolge. Leicht verfällt man in einen geistlosen Lebensstil, bei dem das Ziel des Handelns und des Lebens ganz aus dem Blickfeld verschwindet. Unsere regelmäßigen Strukturen verführen zu automatisierten Gewohnheiten.

Beispielsweise wird in manchen Ländern der pastorale und missionarische Einsatz unterstrichen, wobei dann das monastische Charisma nicht selten unterschätzt wird. Die Folge ist, dass die monastische Formung ziemlich oberflächlich ausfällt.

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Bei welchen Gelegenheiten konnten Sie den „Spiegel“ einsetzen und mit welchem Ergebnis?

Ich konnte den „Spiegel“ bei einer Sitzung des ISBF[1] in Indien einsetzen: Dabei bezog ich mich auf die sieben Punkte des „Spiegels“, wobei es zwar wenig Diskussion gab, aber doch offensichtlich Interesse. Im Rahmen der ISBF treffen sich vor allem die Oberen und Ausbilder der zahlreichen Klostergemeinschaften von Indien und Sri Lanka. Eine ganze Reihe der Teilnehmer zeigte sich offen dafür, dass unser Arbeitsheft eine vertiefte Diskussion über Kernfragen des Klosterlebens heute ermöglichen will.

Was würden Sie einen Einsatz des Arbeitsheftes empfehlen?

Man sollte Fragen stellen, die sich überall aufdrängen, beispielsweise zum klösterlichen Leben. Bei einer Kultur mit gewissen charakteristischen Eigenheiten sucht man nach Problemen, die eben dort vorherrschen. In jedem Kontext muss man die dort vorhandenen Widerstände und Hilfestellungen in Betracht ziehen.

Unser Text ist eher allgemein formuliert, wie kann man ihn den Umständen anpassen?

Wer den Text präsentiert, sollte in der Lage sein, ihn in die konkrete Situation der Gemeinschaft vor Ort zu übersetzen. Man muss also den Text zum Leben erwecken und ihn den zeitlichen und örtlichen Besonderheiten anpassen. Ihn wörtlich durchzukauen würde kaum Sinn machen. Wie bei allen Texten der monastischen Tradition, angefangen mit den Wüstenv.tern, muss die lebendige Auslegung hinzutreten, damit das Überlieferte den konkreten Gegebenheiten angepasst wird. Bei unserem Arbeitsheft hängt daher viel von der Person ab, die es benützt und die dort enthaltenen Anliegen einer Gemeinschaft nahebringen will.

Welche Zukunft hat das Klosterleben? Und in welcher Form?

Das hängt wie immer vom Heiligen Geist ab. Klösterliches Leben ist ein wesentlicher Bestandteil der kirchlichen Überlieferung, wobei es natürlich auch andere genauso wichtige Formen des Zeugnisses gibt, wie kirchliches Gemeinschaftsleben sich in den Dienst des Gottesreiches stellen kann. Nach den Worten von Papst Franziskus vermitteln die Ordenstraditionen die evangelische Dimension des kirchlichen Lebens. Benedikt XVI. sagte einmal bei einer Würdigung von Johannes Klimakos: „Er drückt in Großbuchstaben aus, was die Welt in Kleinbuchstaben lebt.“ Die Zukunft wird davon abhängen, wie integrationsfähig Klosterleben gegenüber den Anliegen der Ortskirche und der jeweiligen gesellschaftlichen Kulturen ist, wie sehr es konkrete Menschen untereinander in Kontakt bringen kann, ohne sich nur mit Gedankenspielen zu begnügen. Für dieses Anliegen ist vor allem Gastfreundschaft aus einer Haltung der Offenheit heraus zentral.

Was hat Sie unter allen Ihren Erfahrungen bei AIM am meisten beeindruckt?

Mit dieser Frage kann ich nichts anfangen. Es ergeht mir damit ähnlich, wie wenn mich jemand fragt: Was ist musikalisch dein Lieblingsstück? Jedes Musikstück hat seinen ganz persönlichen Charme. Natürlich sagen mir einige mehr zu, aber ich möchte mich nicht entscheiden müssen. Doch kann ich sagen, dass mich am meisten die Begegnungen mit Menschen und Gemeinschaften bewegt haben.

Ich möchte auch hervorheben, dass mich zu Beginn meines klösterlichen Lebens die Begegnung mit großen Gestalten geprägt hat, die mir ihre monastischen Erfahrungen weitergegeben haben, was für mich eine schöne Form der Ausbildung war. Ich denke hierbei an Basil Hume, Denis Huerre, Antoine Bloom und Bernard de Soos. Alles sehr humane und ungewöhnliche Menschen. Ich durfte auch außergewöhnlichen Nonnen und Schwestern begegnen, die ein eindrucksvolles monastisches Zeugnis ablegten. Mir liegen auch viele Frauengemeinschaften am Herzen, die mich sehr geprägt haben.

Hinsichtlich der Verwurzelung in der örtlichen Kultur fällt mir vor allem Äthiopien als Vorbild ein. Die dort ansässigen Zisterziensergemeinschaften verbinden ein tief gelebtes Mönchtum mit einem intensiven Dialog mit der örtlichen Kultur. Darin zeigt sich eine Grundeigenschaft kirchlichen Wirkens. Die Altersfrage wird bei unseren Gemeinschaften stark überbewertet. Es ist gar nicht so wichtig, dass in einem Kloster viele junge Mönche leben. So gibt es im indischen Kloster Kurisumala viele reife Menschen, was sich in einem schönen Gemeinschaftsleben ausdrückt. Wo es reifes Menschentum gibt, finden sich auch mehr und mehr Berufungen ein.

Ein Gedanke eines syro-malabarischen Bischofs hat mich bei einem Besuch in Indien beeindruckt: „Man muss seine christlichen Wurzeln verstehen, um seine monastische Berufung zu leben.“ Noch vor der Berufung zu einem klösterlichen Leben liegt die Bereitschaft zu einem christlichen Lebensstil. Sonst fehlt dem Klosterleben die Wurzel und es wird langfristig kein angemessenes Zeugnis bieten.


Reise in die Philippinen in den 1990er Jahren mit P. Bernard de Soos, dem damaligen Präsidenten der AIM und P. Mark Butlin. Hier zu Besuch in Kloster Zambales. © AIM.
Reise in die Philippinen in den 1990er Jahren mit P. Bernard de Soos, dem damaligen Präsidenten der AIM und P. Mark Butlin. Hier zu Besuch in Kloster Zambales. © AIM.

[1] ISBF: The Indo Sri-Lankan Benedictine Federation.

„Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ – ein Instrument der Unterscheidung. Beispiel: Ausbildung

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Perspektiven

Christine Conrath OSB

Sekretariat der AIM

 

„Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ – ein Instrument der Unterscheidung. Beispiel: Ausbildung

 


Bevor ich bei aim eingestiegen bin, hatte ich bereits die Chance, mich mit Schwestern und Brüdern auszutauschen, die Klostergemeinschaften in der ganzen Welt besuchen. Auch ich reise nun viel. Diese Erfahrungen vermitteln einen weiten Horizont hinsichtlich der Realität heutigen Mönchtums. Die Lebensstile unserer Klöster sind unterschiedlich, aber das Grundanliegen ist immer gleich: Auf den Wegen der Gebote Gottes gehen unter der Führung des Evangeliums und gemäß den Weisungen der Regel Benedikts. Unser Ziel muss sein, dass wir alle – omnes pariter – in das Haus gelangen, in dem Gott uns sehnsüchtig erwartet.

Die benediktinische Vision ist zeitlos. Sie vermittelt unserer Welt, die um mehr Gemeinschaft ringt, wichtige Impulse. Wir müssen uns unbedingt dieser Wirklichkeit stellen und einen Prozess der Reflexion und der Bekehrung durchlaufen, der den Einzelnen ebenso wie die Gemeinschaft einbezieht. Statt ein Handbuch des Klosterlebens (erträumt, erhofft und schlecht und recht gelebt) zu erstellen, hat sich das internationale AIM-Team auf ein bescheideneres Ziel beschränkt und ein Arbeitsheft mit einigen grundsätzlichen Fragestellungen erstellt, nämlich sieben Themenkreise in einem kleinen Heft mit 32 Seiten. Jeder Themenkreis wird dabei in ähnlicher Weise präsentiert: eine allgemeine Darstellung, in der sich wohl jede benediktinische Gemeinschaft zum Teil wiedererkennen dürfte, und einige Fragen, um in eine Gemeinschaftsdiskussion einzusteigen. Der „Spiegel“ ist natürlich nur eine Arbeitshilfe, kein Text, der buchstabengetreu umgesetzt werden könnte.

Am Anfang steht das Thema „Gemeinschaft“ als Grundlage des benediktinischen Klosterlebens. Es folgt der Bereich „Führung“, denn ohne eine leitende Hand wird die Gemeinschaft nicht voranschreiten. Anschließend kommen einige aktuelle Anliegen: Ausbildung, Berufung, Arbeit, wirtschaftliche und finanzielle Stabilität und die Beziehungen zur Ortskirche und der Gesellschaft. Das wirkt zunächst einmal nicht sehr originell. Jedes dieser Minikapitel enthält drei Fragen. Warum? Wir sind uns eigentlich alle einig über den Wert des Klosterlebens, doch der Teufel steckt im Detail.

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Als Beispiel wollen wir das dritte Kapitel über die Ausbildung heranziehen, die seit der Veröffentlichung von Cor Orans (verpflichtende Richtlinie der Religiosenkongregation für die kontemplativen Frauenorden) zu einem zentralen Anliegen geworden ist, denn die vatikanische Verlautbarung gilt als das „erste Dokument der Religiosenkongregation, das sich ernsthaft mit der Ausbildungsfrage auseinandersetzt.“ Nun zu den einzelnen Punkten, unter denen zunächst eine qualifizierte Klosterleitung und gut ausgebildete Novizenmeister genannt werden. Schon diese Kombination ist in einer Gemeinschaft nicht leicht aufzutreiben. Dann fällt die Feststellung, dass die Gemeinschaft der erste Ausbilder ist. Dies geschieht durch ihre Lebensart, die Richtigkeit des zu beobachtenden Verhaltens und die Ernsthaftigkeit ihres Gebetslebens. Wechseln wir doch einmal in die Ich-Form: Vom Beginn meines Klosterlebens bis zum Tod (usque ad mortem, RB Prol. 50) bin ich für meine eigene Ausbildung verantwortlich, denn diese entscheidet sich anhand meines Engagements im Gebet, bei der Lektüre, beim Studium, der Arbeit und im Gemeinschaftsleben. Es muss unterstrichen werden, dass keine Gemeinschaft ohne ernsthaftes Ausbildungsprogramm überleben kann, welches vom Einsatz jedes Klostermitglieds mit getragen wird, die eigene Berufung als Teil einer Gemeinschaft treu zu leben. Das Kloster ist eine Schule im Dienst des Herrn (RB Prol. 45) und ein Zentrum der Evangelisation. Jeder muss ein tiefes Engagement an den Tag legen und dauerhaft dazu stehen. Eine oberflächliche Haltung wäre hierbei unangebracht. Das entgegengesetzte Extrem ist der ganz auf Arbeit ausgerichtete Aktivismus, eine typische Erscheinung der Neuzeit. Unsere Vorfahren rackerten sich bei der Feldarbeit ab und seufzten erleichtert auf, wenn die Vesperglocke zum Gebet rief. Heute kann man ohne Anstrengung seine Arbeitszeit vor dem Bildschirm verbringen, so dass es schwer fällt, für das Gebet sein Büro zu verlassen. Es gibt in jeder Ausbildungsphase eine notwendige Zeit der Prüfung, welche mit einem tiefen Austausch zwischen Ausbilder und Kandidaten verbunden ist und in den auch die Mitglieder der Gemeinschaft eingebunden sind. Man wird nicht als Christ geboren, sondern wird es erst. Das Klosterleben ist eine Form, wie man sein Leben als Christ gestalten kann. Dabei ist eine ernsthafte Prüfung von Kandidaten unerlässlich. Man muss die Vorgeschichte eines Kandidaten kennen und seine Eignung zum Gemeinschaftsleben richtig einschätzen. In den Industriestaaten sind kinderreiche Familien selten. Die vielen Einzelkinder sind für ein Gemeinschaftsleben nicht sonderlich gut vorbereitet, das für ihr Ego nicht selten belastend wirkt. Die Hinweise zur emotionalen Reife sind gerade heute ganz wesentlich. In der Vergangenheit war die Kirche hier oft zu nachlässig.

„Wir müssen das Evangelium vorbildlich leben.“

Dieser Satz aus dem „Spiegel“ ist eine ziemliche Herausforderung. Wenn Christus im Zentrum meines Lebens steht, muss ich auch im Alltag das Evangelium ernsthaft befolgen, in der demütigen Annahme jedes Tages mit seinen jeweiligen Herausforderungen. Diese Kunst des klösterlichen Lebens erlernt man, indem man Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft knüpft, wofür jeder verantwortlich ist.

Was das Studium betrifft, so waren die Schwestern schon zu lange von einem ernsthaften Studium der Theologie und der Philosophie ausgeschlossen, welche allein Priesteramtskandidaten vorbehalten schien. Mit der heutigen Lebensverlängerung ist es ein Muss, dass die Köpfe so geschult werden, dass sie auch in Zeiten innerer Dunkelheit in Gebet und Lectio auszuharren verstehen. Dazu sollte man die Klosterbibliothek richtig nutzen können. Eine Internetrecherche ist kein Ersatz für das Studium eines guten Buches. Angesichts dringender Gemeinschaftsbedürfnisse wird heute selbstverständlich in eine qualifizierte Ausbildung im technischen Bereich investiert, z.B. Buchhaltung und Betriebsführung. Vergessen wir darüber aber nicht die künstlerischen oder musikalischen Talente von Kandidaten, die auch einer Förderung bedürfen. Bei der Ausbildung sollte man nicht geizig sein.

Nach diesen allgemeinen Ausführungen nennt der „Spiegel“ einige klösterlichen Kernwerte:

„Das alles hat nur dann Sinn, wenn die Auszubildenden auch ein Gespür für die Bedeutung des Schweigens im klösterlichen Leben entwickeln; ein kontemplatives Gebet kann sich nur in einer Atmosphäre der Stille entwickeln. Kandidaten, die aus einer Welt voller Geräusche und ständiger medialer Ablenkungsmöglichkeiten kommen, müssen den Wert und die Schönheit des Schweigens erst einmal für sich entdecken, einer Einsamkeit mit Gott, der Herausforderung, beträchtliche Teile des Tages dem Gebet und der Lectio zu widmen.“

In diesem Abschnitt wird das Schweigen prägnant unterstrichen, worin sich das Unbehagen des AIM-Teams angesichts des Verlusts einer Kultur der Stille in unseren Klausurbereichen spiegelt. Wenn man sich im Klausurbereich begegnet und einander stumm zulächelt, so ist das Balsam für die Menschen, die dort leben. Setzen wir uns für diesen Schatz ein, der für unsere Nähe zum Herrn unerlässlich ist.

Nach solchen Ausführungen werden einige Möglichkeiten aufgezeigt, welche eine Gemeinschaftsdiskussion in Gang bringen können. Während die einleitenden Hinweise sich an alle Klostergemeinschaften richten und daher den jeweiligen Umständen entsprechend angepasst werden sollten, beziehen sich die Fragen auf das Hier und Jetzt. Im Kapitel 3 haben wir fünf Punkte für eine Diskussion ausgewählt:

1) Die Ausbildung obliegt idealerweise der gesamten Gemeinschaft, da Kandidaten das Klosterleben durch Osmose lernen. Stimmt das auch für meine Gemeinschaft? Kann ich mich mehr einbringen? Bin ich der Lectio, dem Gebet, den in meiner Profess angenommenen Verpflichtungen treu? Jeder sollte sich diese Fragen ehrlich stellen und beantworten.

2) Ausbildung kann man immer verbessern. Suchen wir gemeinsam nach Optimierungsmöglichkeiten: Bibelgruppen, gemeinsame Lectio, Austauschgruppen zu Lektürefrüchten wären kleine Schritte, um uns gegenseitig mitzuteilen, was uns gemeinsam im Dienst des Herrn bewegt.

3) Gibt es ausreichend finanzielle Unterstützung für die Ausbildung? In diesem Bereich kann sich Sparsamkeit unheilvoll auswirken. AIM könnte hier bei Bedarf auch unterstützen. AIM könnte hier bei Bedarf auch unterstützen.

4) Man darf die Frage der Auswahl nicht einfach übergehen. Leben bedeutet, eine Wahl treffen – nicht jeder ist für das Klosterleben geeignet. Hier sollten alle mit Aufmerksamkeit und kluger Unterscheidungsgabe bei der Prüfung mitwirken. Wenn ein Kandidat entlassen werden muss, sollte das besser möglichst schnell geschehen. Das verlangt insbesondere von kleineren Gemeinschaften Mut und Entscheidungskraft, um sich nicht an ungeeignete Kandidaten zu binden. Psychische Verwerfungen können auch in der Klausur nicht heilen, das Gegenteil ist vielmehr der Fall, wie die Erfahrung zeigt. Das gilt gleichermaßen für Männer- wie für Frauenklöster.

5) Wie kann Christus, der in unserer Mitte lebt, am besten bezeugt werden? Meinerseits möchte ich auf diese Frage folgendermaßen antworten: Gehen wir ans Werk, lasst uns diese Frage mit der gesamten Gemeinschaft überlegen, lassen wir uns von den Vorschlägen überraschen und erfreuen, die dann zum Vorschein kommen. Es könnte ein wunderbares Feuerwerk an Ideen entzünden!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


Statue des St Benedikt im Kloster von Lamanabi, Indonesien. © AIM.
Statue des St Benedikt im Kloster von Lamanabi, Indonesien. © AIM.

Der „Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ verbunden mit einer lectio divina

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Perspektiven

Jean-Pierre Longeat OSB

Präsident der AIM

 

Der „Spiegel des Klosterlebens für die Gegenwart“ verbunden mit einer lectio divina

 


Ich konnte den text des „spiegels“ bereits bei klösterlichen Begegnungsrunden und Einkehrtagen einsetzen. Dabei schien es mir jeweils sinnvoll und wichtig, die Diskussion mit einer lectio divina zu beginnen, die thematisch zu den jeweiligen Kapiteln passte. Im Folgenden darf ich das an einigen Beispielen erläutern. Man kann natürlich auch andere Bibeltexte und Zugänge verwenden.


Einleitung

Im Zentrum des christlichen Klosterlebens stehen die Gottesund Nächstenliebe. Von diesem Fundament kann man nicht absehen. Über unser ganzes Leben hinweg offenbart uns Christus diese Liebe unter tausenderlei Formen. Sein Anruf hat uns aus der Bahn geworfen. Wir wollten darauf antworten, indem wir Glieder seines Leibes wurden, um so mit Gott und dem Heiligen Geist vereint zu sein. Mönch ist jemand, der Christus nichts vorzieht und alles aus Liebe zu Christus verrichtet, damit wir alle von den Früchten seines Leidens und seiner Auferstehung zehren können.

Jesus hat gesagt: „Kehrt um, den das Himmelreich ist nahe“ (Mt 4,17 et par). Für uns zählt zu den größten Herausforderungen, dass wir diese Einladung ganz ernst nehmen. Dafür ist eine radikale Umkehr nötig, die Bereitschaft, aus der Tiefe des Herzens heraus zu leben, von wo unser Leben in seinen Instinkten geprägt wird.

Dafür muss man vom Verstand zum Herz gelangen, damit diese gemeinsam die Logik der schöpferischen Liebe leben können und die Früchte einer solchen Haltung in der Bewährung im Alltag unserer jeweiligen gesellschaftlichen Umwelt ernten können. Die größten Herausforderungen unserer Zeit, auch der katholischen Kirche, sind mit dieser anspruchsvollen Arbeit der Umkehr verbunden.


1) Gemeinschaft

Am Abend vor seinem Leiden sprach Jesus das Gebet: „Alle sollen eins sein, so wie Du, Vater, in mir bist und ich in Dir“ ( Joh 17,21). Um „eins“ zu sein muss man „eins“ mit Gott sein. Das Liebesgebot hat zwei Richtungen und die zweite ähnelt der ersten: „Wer sagt, er liebt Gott, liebt aber den Bruder nicht, ist ein Lügner“ (1 Joh 4,20). Man staunt immer wieder darüber, wie wir schöne Reden über die Gottesliebe halten können, aber dabei nicht ernsthaft berücksichtigen, dass die Nächstenliebe gleichfalls zu unserem geistlichen Leben gehört.


2) Führung und Ausübung von Autorität

Bei der Frage der Autorität grenzt sich Jesus von der Herrschaft ab, wenn er sagt: „Der Menschensohn ist gekommen, um zu dienen, nicht um sich bedienen zu lassen“ (Mt 20,28 par.). Ausübung von Autorität verlangt, dass man vor seinem Gewissen eine solche Haltung verinnerlicht. Dafür braucht es Zeit und Geduld, damit eine echte Herzensverwandlung einen derartigen Dienst an jedem einzelen Mitglied der Gemeinschaft und an dieser als ganzer erlaubt.


3) Formation

Bei Jesus hängt Umkehr mit den Worten zusammen, die er beim letzten Abendmahl sprach: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr untereinander so handelt, wie ich es getan habe“ ( Joh 13,15). Ausbildung betrifft nicht nur Wissensvermittlung, sondern verlangt eine persönliche Erfahrung. Erst auf dieser Grundlage führt sie zu einem Weg der Umkehr in unserer Liebesbeziehung und ermöglicht einen echten Fortschritt.


4) Berufungen

Christus selbst ruft uns seine Einladung zu, wie es auch im Prolog der Benediktsregel ausgesprochen wird: „An dich, wer immer du bist, richte ich meine Worte:“ „Komm, folge mir nach“ (Mk 10,21). Daher müssen wir uns auch nicht den Kopf über unsere Berufungen zerbrechen. Gott ruft und wir öffnen uns dafür, um die Früchte dieser Berufung zu ernten.

Menschen, welche den Ruf Gottes wahrnehmen, müssen zur Christusbegegnung ermutigt werden, die sie dann in unterschiedlicher Weise in ihr Leben übersetzen.

Unsere Klöster sind keine Anwerbstellen, welche um jeden Preis den Weiterbestand der Institution sichern sollen. Es sind vielmehr Orte, wo der Ruf Christi klar und deutlich vernommen werden kann. Jedem obliegt es selbst, wie er darauf antworten will entsprechend den damit verbundenen Formen von Unterscheidung. Bei dieser Unterscheidung können uns manche Mitglieder der Gemeinschaft helfen.


5) Arbeit

Christus ruft uns zu: „Arbeitet in meinem Weinberg“ (Mt 20,4). Für Benedikt besteht das ganze Leben des Mönches aus Arbeit, nämlich der Arbeit der Umkehr. Im frühen Mönchtum hieß dies praktiké. Dabei nimmt die contemplatio eine Sonderrolle jenseits der Arbeit ein. Doch Liturgie, lectio, körperliche und geistige Arbeit werden ausgeübt, damit sich das Werk des Herrn im Kloster vollende, welches eine Werkstatt und eine Schule im Dienst des Herrn ist.


6) Finanzielle Stabilität

In einem Gleichnis lobt der Herr einen ungerechten Verwalter, der sich Freunde mit unterschlagenem Geld verschafft (Lk 16,1-13). Man kann ein solches Gleichnisses durchaus kritisch sehen, wenn es sich um die finanzielle Stabilität unserer Klöster handelt. Das Anliegen des Gleichnisses besteht freilich darin, dass der Wert von Geld nicht übersch.tzt werden, sondern es vielmehr im Dienst einer brüderlichen Gemeinschaft stehen soll. Gute Verwaltung und finanzielle Stabilität sind für eine gesunde Entwicklung unserer Gemeinschaft unerlässlich.


7) Kloster und Welt

Mönche folgen wie alle Christen den Worten des Herrn: „Gott hat den Menschensohn nicht in die Welt gesandt, damit er sie richtet, sondern um sie zu retten“ ( Joh 17,14-18). Dann sagt er auch: „Ich bin in die Welt gekommen, doch ich stamme nicht von der Welt.“ Die Mönche befinden sich zwar in der Welt, aber ihre letzten Grundlagen sind eben nicht eine Welt ohne Gott. Darum leben sie eine gewisse Zurückhaltung, um zu prüfen, was sie tun sollen.


Zum Schluss

Natürlich gibt es auch viele andere Herausforderungen des klösterlichen Lebens. Jede Gemeinschaft und Kongregation muss hier ein eigenes Positionspapier für interne Diskussionen erarbeiten. Wir sind dazu berufen, das Liebesgebot durch eine Verwandlung unserer Wahrnehmungen und Entscheidungen aus der Tiefe unseres Herzens vorzunehmen. Die große Herausforderung für heute und morgen besteht darin, hierbei eine Perspektive für eine neue Welt zu entwerfen, welche das kommende Gottesreich zum Ausdruck bringt. Das verlangt einen echten inneren Austausch innerhalb der Gemeinschaft über die Annahme des inneren Feuers der göttlichen Liebe und über die konkrete Umsetzung durch unsere Organisationen, welche darauf beruhen. Wir hoffen, dass unsere Vorschläge bei dieser Herausforderung und den damit verbundenen Gemeinschaftsentscheidungen helfen können, damit wir zu glaubwürdigen Zeugen der Frohen Botschaft für die heutige Welt werden.

Der „Spiegel“ im Licht der Regel und des Lebens des hl. Benedikt

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Perspektiven

Geraldo González y Lima OSB

Internationales AIM-Team


Der „Spiegel“ im Licht der Regel

und des Lebens des hl. Benedikt


 

„Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?“ (RB, Prol. 15)


Das arbeitsheft führt in versuchung, einmal mehr auf diese Frage zu antworten. Es wurde zwar für Gemeinschaften verfasst, damit diese es bei Zusammenkünften durcharbeiten und darüber diskutieren können, z.B. bei Konventtagen oder Exerzitien, aber man kann es durchaus auch als persönliche Lektüre verwenden.

Ganz allgemein ist anzuraten, zunächst einmal die Einführung zu lesen, der „Allgemeine Anmerkungen über die Welt von heute und das zeitgenössische Klosterleben“ vorstellt, damit man das Anliegen des Arbeitsheftes besser verstehen kann.

Am Schluss dieses Einführungsteils und ebenso bei allen folgenden Punkten findet sich jeweils eine Frageliste, die als Anregung dienen soll.

Jedes Thema verlangt eine gewisse Zeit an persönlicher Reflexion, worauf dann eine gemeinschaftliche Diskussion folgen kann, so dass – je nach Größe einer Gemeinschaft – man ungefähr zwei Stunden Zeit für jede Einheit braucht. Für jeden Abschnitt des Arbeitsheftes möchte ich im Folgenden einige Texte aus der Benediktsregel und dem zweiten Buch der Dialoge Gregors d.Gr. vorschlagen, welche gleichfalls bei der Reflexion behilflich sein können.

Nach solchen gemeinschaftlichen Reflexionen und Diskussionen können wir möglicherweise die Erfahrung des hl. Benedikt teilen, der „aus Wissen unwissend und aus Weisheit ungebildet“ (2. Buch der Dialoge, Prolog) war.


Vorschläge

„Allgemeine Anmerkungen über die Welt von heute und das zeitgenössische Klosterleben“.

Regel:

– Prolog

– Kapitel 73: Die Regel als Anfang unseres Weges zur vollen Gerechtigkeit.

Dialog :

– Prologue

– Kapitel 17: Wie der Gottesmann Benedikt die Zerstörung eines seiner eigenen Klöster voraussah.

– Kapitel 35: Wie er die gesamte Welt vor Augen sah und wie er die Seele des Bischofs Germanus von Capua zum Himmel aufsteigen sah.

– Kapitel 36: Wie Benedikt eine Regel für seine Mönche verfasste.

– Kapitel 37: Wie Benedikt seinen Mönchen den Zeitpunkt seines Todes voraussagte.


1. Gemeinschaft: „Gemeinschaftsleben aufbauen und in seiner Fülle leben“

Regel:

– Kapitel 1: Über die Arten der Mönche.

– Kapitel 3: Die Einberufung der Brüder zum Rat.

– Kapitel 4: Die Werkzeuge der geistlichen Kunst.

– Kapitel 5: Der Gehorsam.

– Kapitel 6: Die Schweigsamkeit.

– Kapitel 7: Die Demut.

– Kapitel 68: Überforderung durch einen Auftrag.

– Kapitel 69: Eigenmächtige Verteidigung eines Bruders.

– Kapitel 70: Eigenmächtige Bestrafung eines Bruders.

– Kapitel 71: Der gegenseitige Gehorsam.

– Kapitel 72: Der gute Eifer der Mönche.

Dialoge

– Kapitel 1: Wie Benedikt ein zerbrochenes Sieb wiederherstellte.

– Kapitel 2: Wie er eine große fleischliche Versuchung überwand.

– Kapitel 3: Wie er durch das Kreuzzeichen einen Trinkbecher zum Zerspringen brachte.


2. Führung: Aus- und Weiterbildung von Ordensleuten in Leitungspositionen

Regel:

– Kapitel 2: Der Abt.

– Kapitel 21: Die Dekane des Klosters.

– Kapitel 64: Einsetzung und Dienst des Abtes.

– Kapitel 65: Der Prior des Klosters.

Dialoge:

– Kapitel 5: Wie auf das Gebet des Gottesmannes eine Quelle auf einem Berggipfel entsprang.

– Kapitel 9: Wie Benedikt durch sein Gebet einen enormen Stein versetzte.

– Kapitel 22: Wie Benedikt durch eine Erscheinung den Bauplan des Klosters Terracina festlegte.


3. Ausbildung: Erstausbildung und Weiterbildung – die Ausbildung der Ausbilder

Regel:

– Kapitel 23: Das Vorgehen bei Verfehlungen.

– Kapitel 24: Die Ausschließung bei leichten Verfehlungen.

– Kapitel 25: Die Ausschließung bei schweren Verfehlungen.

– Kapitel 26: Unerlaubter Umgang mit Ausgeschlossenen.

– Kapitel 27: Die Sorge des Abtes für die Ausgeschlossenen.

– Kapitel 28: Die Unverbesserlichen.

– Kapitel 29: Die Wiederaufnahme von Brüdern.

– Kapitel 30: Die Strafe bei Mangel an Einsicht.

Dialoge:

– Kapitel 20: Wie Benedikt einen Gedanken des Stolzes bei einem der Mönche erkannte.

– Kapitel 25: Wie ein Mönch bei der Flucht aus dem Kloster auf dem Weg einem Drachen begegnete.


4. Berufungen: Prüfung und Förderung monastischer Berufungen

Regel:

– Kapitel 58: Die Ordnung bei der Aufnahme von Brüdern.

– Kapitel 59: Die Aufnahme von Kindern.

– Kapitel 60: Die Aufnahme von Priestern.

– Kapitel 61: Die Aufnahme fremder Mönche.

Dialoge:

– Kapitel 6: Wie eine Sichelklinge vom Grunde eines Sees auf den Stiel zurückkehrte.

– Kapitel 7: Wie Maurus über das Wasser schritt.


5. Arbeit: An Klosterbedingungen angepasste Arbeit und Entwicklung eines ernsthaften Arbeitsethos

Regel:

– Kapitel 48: Die Ordnung für Handarbeit und Lesung.

– Kapitel 50: Gebetszeiten außerhalb des Klosters.

– Kapitel 57: Mönche als Handwerker.

Dialoge:

– Kapitel 27: Wie Benedikt auf wunderbare Weise zu Geld kam, wodurch er einem Armen helfen konnte.

– Kapitel 28: Wie eine Ölflasche zu Boden fiel und nicht zerbrach.

– Kapitel 29: Wie ein leeres Faß mit Öl gefüllt wurde.


6. Finanzielle Stabilität: finanzielle Sicherheit der Gemeinschaft erreichen – von der Abhängigkeit zur finanziellen Selbstständigkeit

Regel:

– Kapitel 31: Der Cellerar des Klosters.

– Kapitel 32: Werkzeug und Gerät des Klosters.

– Kapitel 33: Eigenbesitz des Mönches.

– Kapitel 34: Die Zuteilung des Notwendigen

Dialoge:

– Kapitel 21: Wie man 200 Scheffel Mehl vor der Zelle des Gottesmannes fand.


7. Kloster und Welt – Trennung und Verbindung

Regel:

– Kapitel 53: Die Aufnahme der Gäste.

– Kapitel 56: Der Tisch des Abtes.

– Kapitel 66: Die Pförtner des Klosters.

– Kapitel 67: Brüder auf Reisen.

Dialoge:

– Kapitel 15: Prophezeiungen gegenüber Totila und dem Bischof von Canusium.

– Kapitel 33: Über ein Wunder, das seine Schwester Scholastica bewirkte.

Am Wirkungsort ermordet. Zur Seligsprechung der algerischen Märtyrer

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Christliches und Klösterliches Lebenszeugnis

Armand Veilleux OCSO

Altabt von Scourmont (Belgen)

 

Am Wirkungsort ermordet

Zur Seligsprechung der algerischen Märtyrer


 

Die algerische kirche brach zahlenmäßig enorm nach der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1962 ein. Zu diesem Zeitpunkt wurden Übertritte vom Islam zum Christentum unter Strafe gestellt und jede missionarische Tätigkeit verboten, da dies gleichfalls mit Glaubensabfall verbunden wurde. Der Kirche blieb nur noch der Kernbereich erhalten, nämlich ein Leben nach dem Evangelium zu führen.

Ausländische Ordensleute konnten in Algerien nur noch das 25. Kapitel des Matthäusevangelium in die Tat umsetzen: „Ich hatte Durst..., ich hatte Hunger..., ich war krank..., usw.“ Am 8. Dezember 2018 wurden 19 Glaubenszeugen für die christliche Liebe, die von Mai 1994 bis August 1996 ums Leben kamen, in Oran selig gesprochen. Sie hatten sich in den Dienst des algerischen Volkes gestellt, ohne dabei nach nationalen oder religiösen Zugehörigkeiten zu unterscheiden. Bei der Seligsprechung wurden sie als „Märtyrer“ eingestuft, da sie alle in authentischer Weise die umfassende Liebe Gottes verkörperten. Bei der Feier wurde auch deutlich, dass es nicht nur um vorbildliche Handlungen einiger individueller Glaubenszeugen ging, sondern um die Heiligung der Ortskirche.

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Schuld durch Nähe

Zu den Diensten, welche die Kirche der algerischen Jugend zur Verfügung stellt, zählen auch einige Bibliotheken, welche den beinahe durchgehend islamischen Studenten zur Verfügung stehen.

In einer dieser Bibliotheken, die von mehr als tausend jungen Menschen frequentiert wurden, wurden am 8. Mai 1994 Bruder Henri Vergès und Sr. Paul-Helene Saint-Raymond ermordet. Es ist bezeichnend, dass sie wie andere nach ihnen, gerade an dem Ort umgebracht wurden, wo sie sich für das algerische Volk einsetzten.


Eine Kirche, die auf das Wesentliche reduziert ist

Mit der Seligsprechung von Pierre Claverie und seiner achtzehn Gefährten wird das Zeugnis einer Ortskirche in ihrer Ganzheit geehrt. Einige Monate später wurden im Oktober zwei spanische Augustinerinnen, Sr. Esther Paniagua Alonso und Sr. Caridad Álvarez Martín, erschossen, als sie zum Gottesdienst unterwegs waren, ganz in der Nähe des Ortes, wo sie sich um junge Behinderte kümmerten. Am 27. Dezember wurden vier Weiße Väter in Tizi-Ouzou ermordert, wo sie in sich vielerlei Weise für die örtliche Bevölkerung einsetzten. Offensichtlich war eben diese freundschaftliche Nähe zu den Menschen vor Ort den Mördern ein Dorn im Auge.

Nachdem ungefähr ein Jahr ohne Zwischenfälle verstrichen war, fielen erneut drei Ordensschwester, die sich ihr Leben lang für notleidende Menschen eingesetzt hatten, Mördern zum Opfer. Es handelte sich um zwei Schwestern der Kongregration Unserer Lieben Frau der Apostel, Denise und Bibiane, die im September 1995 umkamen, und um Odette, eine Sacré-Coeur-Schwester, die im November ihr Leben verlor. Bekannter wurde das Schicksal der Mönche von Tibhirine. Papst Franziskus hat sie in einem Apostolischen Schreiben über die Heiligkeit von 2018 als Beispiel für „gemeinschaftliche Heiligkeit“ gewürdigt. Sie wurden in der Nacht des 26. März 1996 aus ihrem Kloster entführt und ungefähr einen Monat später getötet. Einen Monat später wurden ihre Köpfe in der Nähe von Medea gefunden.

Dass ihre Körper nicht mehr auffindbar sind, besitzt einen gewissen symbolischen Wert. Auf diese Weise bleiben ihre Überreste der algerischen Erde erhalten, wo mehr als 200.000 Algerier ähnlichen Gewalttaten zum Opfer gefallen sind.


Zwei Bischofsfiguren

Zu dieser traurigen und edlen Liste zählt auch Bischof Pierre Claverie von Oran, der am 1. August 1996 mit seinem islamischen Chaffeur am Eingang zur Bischofswohnung ermordet wurde. Er wurde in Algerien geboren, wohin er als Dominikaner zurückkehrte. Vor seiner Wahl zum Bischof betreute er über mehrere Jahre hinweg die Bibliothek von Glycines, welche Jugendlichen offenstand.

Am Schluss muss noch ein weiterer Zeuge der Nächstenliebe genannt werden, nämlich Bischof Henri Teissier, der im Alter von 89 Jahren an der Seligsprechung vom 8. Dezember teilnahm. Er leitete die Kirche von Algerien während der tragischen Jahre und kannte und betreute alle die genannten Opfer persönlich.


Pilgerfahrt zu Kloster Tibhirine am 9. Dezember 2018, am Tag nach der Seligsprechung der ermordeten Mönche.
Pilgerfahrt zu Kloster Tibhirine am 9. Dezember 2018, am Tag nach der Seligsprechung der ermordeten Mönche.

Musik als herausragendes Hilfsmittel, um Gott zu suchen und zu finden

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Liturgie

† Dominique Catta OSB

Abtei Saint-Benoît von Keur Moussa (Senegal)

 

Musik als herausragendes Hilfsmittel,

um Gott zu suchen und zu finden


 

„Die gottsuche hat die Mönche des Mittelalters zu einer Kultur des Wortes geführt,“ äußerte Papst Benedikt XVI. gegenüber Vertretern des Kulturlebens in Paris (12. September 2008 im Kolleg der Bernardiner. Seine gewichtigen Worte seien im Folgenden zitiert:

„Die Suche nach Gott verlangt so von innen her eine Kultur des Wortes. (…) Für das Beten vom Wort Gottes her reicht das Sprechen nicht aus, es verlangt Musik. Zwei Gesänge der christlichen Liturgie stammen von biblischen Texten, in denen sie im Mund der Engel erscheinen: das Gloria, das zuerst bei der Geburt Jesu von den Engeln gesungen wurde und das Sanctus, das nach Jesaja 6 der Ruf der Seraphine ist, die Gott unmittelbar nahestehen. (…) Der christliche Gottesdienst bedeutet von daher die Einladung, mit den Engeln mitzusingen und so das Wort zu seiner höchsten Bestimmung zu führen.“

 

1) Kirchenmusik ist eine Frucht der Musik der Schöpfung

Benedikt XVI. sagt über die mittelalterliche Sakralmusik, dass sie aus einem liebevollen Hören auf das Wort Gottes heraus entstanden sei. Für uns soll das ein Anlass sein, über das Wesen von Kirchenmusik und vor allem der liturgischen Musik nachzudenken. Letztere gehört zum offiziellen Gebet der Kirche, ist „kein Werk persönlicher Kreativität oder eines Individuums, das seine persönlichen Neigungen zum Maßstab nimmt und sich verwirklichen will.“ Nach Benedikt XVI. geht es vielmehr darum, „wachsam mit den ,Ohren des Herzens‘ die inneren Gesetze der Musik der Schöpfung selbst, die vom Schöpfer in seine Welt und in den Menschen gelegten Wesensformen der Musik zu erkennen und so die gotteswürdige Musik zu finden, die zugleich dann wahrhaft des Menschen würdig ist und seine Würde rein ertönen lässt.“

Diese Worte des Papstes konnten im Jahr 1963 die Mönche von Keur Moussa nicht einmal erahnen, aber sie drücken etwas von dem Staunen und der Freude aus, welche sie verspürten, als sie nach ihrer Ankunft im Senegal einige Kirchentöne des gregorianischen Chorals in der dortigen Volksmusik wiederfanden.

Diese volkstümlichen Weisen weisen wie der gregorianische Choral ein hohes Alter auf, der noch weit vor die Musik der Renaissance zurückgeht und eine Sprachform bot, dank derer die Komponisten des Chorals ihren Glauben in musikalischer Form ausdrücken konnten. Die afrikanischen Gesänge, die im Savannenland der Sahelzone und anderen Regionen Afrikas gesungen werden, entströmen einem sozialen Gefüge, in dem menschliche und göttliche Wirklichkeit sich vermischen. Sie folgen dem Rhythmus der Jahreszeiten, der Arbeiten und Feste, knüpfen an grundlegende menschliche Anlässe an wie der Geburt eines Kindes bis hin zum Tod eines alten Menschen, der zu seinen Ahnen zurückkehrt, welche in der belebten Natur weiterbestehen. Daher ist es auch gar nicht so überraschend, dass man manche Ähnlichkeiten zwischen der schwarzafrikanischen Volksmusik, soweit sie noch nicht von der heutigen Stadtmusik verdorben sind, und den gregorianischen Melodien findet. Die Mönche von Keur Moussa haben daher auch manche Melodien der Volksmusik in ihre Liturgie übernommen.

Dennoch muss man beim Einsatz von weltlichem Melodiegut als musikalische Hinterlegung für religiöse Texte eine gewisse Vorsicht walten lassen. Denn auch wenn der weltliche Melodieschatz noch so wohlklingend ist, enthält er gewisse Prägungen, welche beim liturgischen Einsatz durchklingen können. Dies sollte man bedenken und nicht zu voreilig heilige Texte mit einer Musik verbinden, die ursprünglich ganz anders eingesetzt wurde. Aus dieser Überlegung heraus sind die folgenden Ausführungen zur Kirchenmusik entstanden.

 

2) Kirchenmusik

Weltliche Musik unterscheidet sich von liturgischer Musik dadurch, dass letztere das Gotteswort zum Gegenstand hat. In der Liturgie als dem Gesang der Kirche geht es um Jesus Christus, der in den Psalmen und den Cantica des Alten und Neuen Testaments gegenwärtig ist. Darum sollte auch bei der Einbeziehung der Volksmusik, in der sich das menschliche Leben niedergeschlagen hat, der Atem des Heiligen Geistes die Gesänge verwandeln und erheben. An diesem Prozess nehmen alle teil, Gott, die Komponisten, Sänger und ausführende Musiker durch ihre Einfühlung und das Gebet.

Benedikt bezeichnet das liturgische Gebet (Stundengebet) mit dem Ausdruck Opus Dei, also Werk Gottes. Und tatsächlich ist Gott der erste Ausführende dieses Gebets. Denn als geschöpfte Wesen können wir Gott nicht in seiner Tiefe erfassen, wenn er nicht selbst uns dazu die Gnade verleiht, und zudem stehen wir als Sünder uns selbst im Weg: das eigene Ich stemmt sich dagegen, dass wir unser Herz Gott und dem Nächsten öffnen. Doch wenn die Gnade uns zu Hilfe kommt, können wir mit Gott, seinen Heiligen und Engeln an den Mysterien des Herrn teilnehmen, derer wir beim Chorgebet gedenken. Wir nehmen damit am „Werk Gottes“ teil, was sich auch in der Komposition, dem Gesang oder der Begleitung durch landesübliche Instrumente ausdrückt.

 

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3) Praktische Umsetzung

1. Den Text verstehen, den man liest und singt. Einen Weg kennen heißt, um das Ziel wissen und seine Schritte dorthin lenken. Wir singen nicht nur Worte, sondern vollständige Sätze, welche die Worte nach einem bestimmten Sinn zusammenordnen. Eine Hauptschwierigkeit beim täglichen Choralgesang unserer Klöster ist die Routine und die damit einhergehende Vernachlässigung des Sinnes der gesungenen Sätze. Daraus entspringt die Neigung, jedes Wort gleich zu betonen, als ob es vollständig isoliert und vom Rest des Satzes getrennt sei, da eben der Sinn nicht beachtet wird. Die Aussage des Textes sollte daher uns gegenwärtig bleiben, der erst einmal durch Geist und Herz gehen sollte, bevor er uns über die Lippen kommt.

2. Gute Musik enthält einen Sinn, der sich mit dem Sinn des Textes verbindet und ihn verstärkt. Der gregorianische Choral bietet dafür viele Beispiele, z.B. die Melodien des Sanctus XII (Kirchenton RE) und des Sanctus III (Kirchenton MI) enthalten zwei vollständig unterschiedliche musikalische Umsetzungen zum Geheimnis der Dreifaltigkeit. Dieser musikalische Reichtum entfaltet seine ganze Wucht allerdings nur dann, wenn die Sänger den Geist erfasst haben, der Musik und Text durchzieht, und ihn in der Ausführung entsprechend umsetzen. Das soll an einigen Beispielen illustriert werden.

3. Die Melodieführung eröffnet einen ersten Zugang für den Geist und den Sinn eines Musikstückes. Musik enthält nicht nur eine bestimmte Abfolge steigender und fallender Noten, sondern strebt oft einem Höhepunkt zu, um dann wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Oder sie geht sofort von einem Höhepunkt aus, wie man es oft bei populärer westafrikanischer Musik erleben kann, um anschließend verschiedene Tonarten und Abwandlungen zu durchlaufen. Sie kann sich auch in ihrer Intensität steigern, beispielsweise indem eine Note immer wieder auftaucht, vergleichbar einem Springer, der auf einem Sprungbrett auf und ab wippt, um Schwung für den großen Absprung zu gewinnen. Alles ist möglich und erlaubt, solange die Melodieführung zu uns spricht und man spürt, dass der Komponist uns mitreißen will. Nachdem der Sinn eines Stückes erfasst wurde, sollten die Sänger auch den Gang, Verlauf, die „Meditation“ oder Melodieführung durch die Intensität ihrer musikalischen Umsetzung vermitteln, der sich nach dem erfassten Sinn richtet.

4. Benedikt XVI. erinnert daran, dass die Mönche im Angesicht der himmlischen Chöre beten und singen, also sich mit der Musik von Engeln vereinen und in sie einordnen. „Die Mönche müssen mit ihrem Beten und Singen der Größe des ihnen übergebenen Wortes, seinem Anspruch auf wahre Schönheit entsprechen.“

Man hat dem gregorianischen Choral von Solesmes vorgeworfen, dass die dortige Gesangspraxis abgehoben und ätherisch wirkt, kraftlos und gekünstelt sei. Auf jeden Fall hat diese Gesangspraxis von ihrem Beginn bis heute vielen Menschen aus ganz unterschiedlichen kulturellen Hintergründen einen Zugang zu Gott und zum Gebet eröffnet, indem sie den Text ernst nimmt, die Melodieführung aufgreift und mit dem Sinn verbindet. Dabei steigert sie sich in ihrer Intensität, wenn sie dem Höhepunkt zustrebt, und wird gegen Schluss wieder leiser. Die kraftvolle Ausführung, welche bei säkularer Musik ein Anliegen ist, um leidenschaftliche Emotionen zu vermitteln, entspricht dagegen nicht der demütigen Haltung des Betens. Ein schönes Bild für derartig zurückgenommene Kraft ist der leicht nach oben steigende Weihrauch, während der wuchtig geworfene Stein schwer auf sein Ziel niederfällt. Auch der Weihrauch entweicht zwar zunächst schwungvoll aus dem Rauchfass, doch dann steigt er in immer leichteren Schwaden nach oben, die sich dann an der Decke der Kirche langsam auflösen. In gewisser Weise gilt dieses Prinzip für jede Form von liturgischem Gesang, auch für die afrikanische Kirchenmusik, die afrikanischen Rhythmen folgt. Auch bei Musik gibt es eine Art von „Bekehrung“, wenn sie in den Dienst des Herrn gestellt wird. Die Töne der Trommeln, des Balafon, der Kora oder Kalebasse, welche das Gotteswort begleiten, werden im Dienst Christi leiser und zurückgenommener. Das bedeutet natürlich nicht fade und nebensächliche Schwächlichkeit dieser Instrumente, sondern dass Kraft, welche vom Geist bestimmt wird, je nach Bedarf sich entladen kann, so wenn Schmerz oder Begeisterung geäußert werden. Doch der christliche Sänger tritt gegenüber Gott nie aggressiv auf oder schielt auf den Applaus der Zuhörer. Ein guter Trommler fühlt sich im Dienst des Gotteswortes und zieht den Chor in den Bann des gesanglichen Rhythmus, ohne dominieren zu wollen oder den Gesang zu erdrücken, wie man es bei profaner Musik oft erleben kann, wo die Perkussion teilweise ganz im Vordergrund steht. Dagegen steht im Zentrum des Chorals das Gotteswort.

5. Da unsere Massenmedien seit Jahrzehnten vorwiegend moderne Formen von Musik vermitteln, dringen neue Klangwelten auch verstärkt bei christlichen Komponisten oder in Kirchenchören durch. Im Unterschied zu den mittelalterlichen Kirchentönen oder der altafrikanischen Musik hat moderne Musik keine Wurzeln in einer Kultur, die von einem familiären Gemeinschaftssinn und einer Weltsicht geprägt ist, in der sich Menschliches und Göttliches vermischen. Solche moderne Kirchenmusik wird von vielen christlichen Sängern und Gruppen aufgegriffen, die das Gotteswort nun mit Hilfe von Keyboards, E-Gitarre und Lautsprecheranlagen verkünden. Ich bewundere den großherzigen Einsatz, den Glaubensmut und den apostolischen Schwung dieser musikalischen Wortverkünder, die immer mehr im kirchlichen Raum Anerkennung finden. Manchmal habe ich aber den Eindruck, dass hier das Gotteswort im Dienst der Musik steht, während es bei der älteren kirchenmusikalischen Tradition gerade anders herum der Fall ist. Könnte denn nicht auch das Gotteswort, das in Jesus Christus Fleisch angenommen hat, nicht auch bei moderner Musik einen gewissen Einfluss ausüben? Darin liegt vielleicht auch der Schlüssel, um echte musikalische Kreativität freizusetzen.


Keur Moussa, 7. Oktober 2007,

Fest der allerseligsten Jungfrau Maria vom Rosenkranz


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Einblick in das Klosterleben in Madagaskar

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Geschichte

Christophe Vuillaume OSB

Priorat Mahitsy (Madagascar)

 

Einblick in das Klosterleben

in Madagaskar

 


1) Zur Geschichte

Als im jahr 1934 eine kleine Gruppe von Benediktinerschwestern auf der großen Insel Madagaskar eintraf, war das Klosterleben dort praktisch unbekannt. Die dort vorhandenen Kongregationen waren teilweise schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts vor Ort und durchgehend apostolisch ausgerichtet: Jesuiten, Josefsschwestern von Cluny usw. Um die mit dem Ordensleben verknüpften Erwartungen nicht vollständig zu enttäuschen, eröffneten daher die Schwestern an ihrem Niederlassungsort Ambisotra eine kleine Schule. Diese wurde dann auch zum Ausgangspunkt für ihre ersten örtlichen Berufungen. Das Kloster in der Region Betsileo, ungefähr 300 km südlich von Antananarivo, erfuhr anschließend ein schnelles Wachstum, so dass 1955 ein zweites Priorat in Mananjary an der Ostküste und 1976 ein dritte ganz im Norden bei Diego Suarès (Antsiranana) gegründet wurde.

1954 trafen auch Mönche von La-Pierre-qui-Vire ein, die bereits 1947 in Vietnam eine Klostergründung vorgenommen hatten. Sie wurden am Anfang von Jesuiten begleitet, die ihnen das Land einer ihrer Farmen in den Bergen (1500 m) abtraten, welches 7 km von Mahitsy und ca. 30 km von Antananarivo entfernt lag. Damals war das Land noch von der französischen Kolonialherrschaft geprägt, welche seit 1896 an der Macht war, was die Niederlassung sicherlich begünstigte. Vier Mönche unter einem gerade 32 Jahre alten Oberen begannen dort ihr Klosterleben auf dem Lande und unter sehr ärmlichen Umständen, wobei ihre kleine Gemeinschaft entsprechend dem Zeitgeist die Lebensgewohnheiten des Mutterhauses kopierte.

Einige Jahre später und wohl im Austausch mit den Benediktinern vor Ort gelangten auch Trappisten nach Madagaskar, die 1958 von Abt André Louf vom französischen Kloster Mont-des-Cats entsandt worden waren. Auch sie ließen sich im zentralen Bergland nieder (das auch Hochebene genannt wird), allerdings an einem Ort in der Region Betsileo, der nur wenige Kilometer von der Distriktshauptstadt Fianarantsoa gelegen, ungefähr 400 km südlich von Antananarivo. Daraus entstand das Kloster Maromby.

Schließlich kamen im Jahr 1996 noch Trappistinnen aus dem bretonischen Campénéac hinzu, welche sich ganz in der Nähe ihrer Ordensbrüder in Ampibanjinana niederließen, was übersetzt „Ort der Kontemplation“ bedeutet.

 

2) Ordensleben in Madagaskar

Die wahren Missionare des katholischen Glaubens in Madagaskar sind zweifellos die Jesuiten. Auch wenn andere Kongregationen seit dem 15. Jahrhundert und dann vor allem 17. Jahrhundert sich eingesetzt haben, vor allem die Lazaristen des hl. Vinzenz von Paul, begannen die entscheidenen missionarischen Impulse erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die oft autoritär auftretende Monarchie, die in dieser Zeit über den mittleren Teil der Insel herrschte, öffnete sich zunehmend westlichen Einflüssen. Dies galt zunächst für den Handel, die Industrie, die militärische Ausrüstung und dann – wenn auch mit einem gewissen Misstrauen – hinsichtlich der Gegenwart der katholischen und evangelischen Kirchen, welche den Einfluss der europäischen Kultur verstärkten. Frankreich und England kämpften damals um politischen Einfluss, was sich in Spannungen zwischen Anglikanern, zu denen bald noch weitere evangelische Strömungen traten, und Katholiken entlud. Schließlich besetzte die französische Republik Madagaskar im Jahr 1896, womit die Vereinigung von ungefähr zwanzig Stämmen in einer Nation verbunden war. Die Kolonie war nicht allein ein militärisches Unternehmen, sondern brachte auch in vieler Hinsicht Fortschritte, bei denen sich besonders die Marschälle Joseph Gallieni (1849-1916) und Louis Hubert Lyautey (1854-1934) hervortaten.

Die damalige außerordentliche Blütezeit des Ordenslebens in Frankreich wirkte sich auch die Situation in Madagaskar aus, wo eine Vielzahl von Neugründungen im Laufe des 20. Jahrhunderts bis heute entstanden. Heute sind hier 115 Frauen- und 37 Männerkong- regationen vertreten, die teilweise hohe Nachwachszahlen aufweisen. Dabei ist das kontemplative Leben gut vertreten mit weiblichen und männlichen Vertretern der Benediktinerfamilie, sechs Karmel- und vier Klarissenklöstern, denen es gleichfalls nicht an Berufungen fehlt. Hinzu treten weitere kontemplativ ausgerichtete Gemeinschaften wie die römischen Trinitarierinnen, kontemplative Gemeinschaften von Charles de Foucauld und andere mehr.

Das Christentum ist vor allem auf dem Hochland des zentralen Madagaskar bei den Stämmen von Merina und Betsileo gut vertreten und ist teilweise unter schwierigen Umständen missionarisch an den Küstengebieten in Süden und Norden im Einsatz. Auch wenn alle Bewohner Malagasy sprechen, gibt es regionale Unterschiede in Form von Dialekten und Mentalitäten, die ein echtes Zusammenwachsen der Bevölkerung erschweren, was sogar in den Ordensgemeinschaften spürbar ist.

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3) Eigenheiten des Klosterlebens in Madagaskar

Als Benediktiner und Benediktinerinnen in Madagaskar folgen wir zwar wie überall auf der Welt einem Klosterleben auf der Grundlage der Benediktusregel und daraus erwachsender Traditionen, doch gibt es einige Eigenheiten, die hier genannt werden sollen.

a) La liturgie

Nachdem die Liturgie lange Zeit französischen Vorbildern gefolgt war, führte das Zweite Vatikanische Konzil zu einigen Formen von Inkulturation. Pater Gilles Gaide, ein Mönch von Mahitsy, zählte zu den Pionieren dieser Bewegung mit seinem Team Ankalazao ny Tompo („Lobet den Herrn“). Daraus entstand nicht nur ein vertontes Stundengebet Vavaka isan’andro (VIA), sondern auch großes Repertoire von Melodien und Cantica, die viele auswendig können und auf der Insel sehr verbreitet sind, gerade auch in den Pfarreien. Auch wenn die Klöster gleichfalls sich gelegentlich aus diesem Vorrat an religiösem Liedgut bedienen, hat jede Gemeinschaft eigene liturgische Bücher zusammengestellt, wodurch sie ihre persönliche Tradition am besten wahren können. Zur Zeit beten einige Klöster die Vigilien weiterhin auf Französisch, während andere die gesamte Liturgie in Malagasy begehen. Nur selten wird die traditionelle Musik Madagaskars mit Trommel und der Valiha, einem harfenähnlichen Instrument eingesetzt. Doch gibt es eine Liedsammlung in Malagasy, die vor allem bei den Osterfeierlichkeiten zwischen Palmsonntag und Pfingsten genutzt wird, daneben kleine Büchlein für andere Festzeiten.

b) Klösterliche Observanzen

Die klösterlichen Lebensgewohnheiten unterscheiden sich kaum von der französischen Praxis. Die Askese ist weitgehend übernommen. Die Mahlzeiten sind ausgesprochen einfach, wobei einheimische und westliche Gewohnheiten sich vermischen. Der traditionelle Benediktinerhabit ist in allen Gemeinschaften in Gebrauch. Auffällig ist die Bedeutung, die traditionellen Riten beigelegt wird, vor allem bei Beerdigungsfeiern von Schwestern und Brüdern. Dahinter steht die hohe Wertschätzung, welche einer guten Gestaltung menschlicher Beziehungen entgegengebracht wird, gerade zwischen Nachbarn (die sogenannte fihavanana), was eine echte Solidarität beinhaltet. Daher ist das Schweigen in Madagaskar eine größere Herausforderung als bei uns, da in einer weitgehend mündlichen Überlieferungstradition den direkten Beziehungen ein besonderer Wert zugemessen wird. Ganz allgemein kann man sagen, dass die gesellschaftliche Wirklichkeit Madagaskars noch sehr stark von zahlreichen Riten und Gebräuchen geprägt wird. Dieser Aspekt hilft auch zweifellos unseren Kandidaten, sich in die klösterliche Observanz einzuordnen.

c) Nachwuchs

Gerade bei den Mönchen hat es recht lange gedauert, bis sich Nachwuchs einstellte. Inzwischen hat sich doch eine ganze Reihe von Kandidaten gefunden und die weiteren Aussichten sind gleichfalls gut, so dass wir inzwischen zwischen 25 bis 35 Mönche in unserer Gemeinschaft zählen. Unsere Mitbrüder in Maromby haben vor gut zehn Jahren einige Mönche auf die Seychellen geschickt, wo nunmehr fünf Brüder in einer Niederlassung leben. In den Frauenklöstern leben jeweils ungefähr ein Dutzend Schwestern mit Ausnahme der Gemeinschaf von Ambositra, die ca. 30 Nonnen umfasst. Der Nachwuchs kommt meist aus der näheren Umgebung und man verlangt einen höheren Schulabschluss, wovon man auch eine Ausnahme machen kann. In einem Land mit schwacher wirtschaftlicher Entwicklung ist ein kluger Umgang mit Eintrittswünschen unerlässlich und verlangt viel Fingerspitzengefühl. An der Küste ist das Christentum noch nicht lange beheimatet, was den geringen Nachwuchs und den Mangel an Ausdauer erklären mag. Auf jeden Fall hat sich die Nachwuchssituation durch die verlängerte Schulpflicht verändert und wird wohl dazu führen, dass die Kandidaten mehr Kenntnisse und eine größere geistige Beweglichkeit mitbringen. Zur Zeit ist noch die Priorin von Ampibanjinana Französin und daneben gibt es noch zwei französische Mönche in Mahitsy.

d) Ausbildung

Neben einem gemeinsamen Grundstock an Unterricht, der sich in allen Noviziaten findet, hat man zu Beginn des neuen Jahrtausends mit ziemlichem Aufwand einen monastischen Studienkurs für unsere sechs Benediktinerklöster eingerichtet, wobei uns die AIM beigestanden ist. In diesem Kurs unterrichten mehrere Mönche und Nonnen (manche sind inzwischen bereits ausgeschieden) in Kooperation mit Dozenten vom Priesterseminar. Mahitsy konnte sich seit den 1990er Jahren noch den Luxus eines theologischen Hausstudiums leisten. Eine Reihe junger Mönche wird zum Studium auch nach Frankreich geschickt oder zum Katholischen Institut von Madagaskar oder zu einem Studienkurs, der für Katecheten gedacht ist. Mahitsy konnte auch eine Vielzahl monastischer Klassiker der Vergangenheit und Gegenwart in Malagasy übersetzen. AIM hat dabei Übersetzungen des Lebens Benedikts und seiner Regel finanziell unterstützt und sogar eine Lebensgeschichte Benedikts in Comicform sowie eine Textauswahl der Apophthegmata.

e) Wirtschaftliche Situation

Im Großen und Ganzen sind die Klosterhaushalte ausgeglichen, auch wenn einige Klöster mehr kämpfen müssen. Die Einnahmequellen sind ähnlich wie in den französischen Mutterhäusern: Viehzucht, Forstwirtschaft, Likör- und Weinproduktion, Sü.igkeiten, Kuchen, Käse, Handarbeiten und kleine Buchhandlungen. Im Kloster St. Johannes der Täufer finden sich viele Touristen ein, da es sehr schön in der Bucht von Diego gelegen ist.

f) Kontakte zur Ortskirche

Die Verankerung in der Ortskirche ist in Madagaskar deutlich wichtiger als in europäischen Klöstern. Das zeigt sich beispielsweise in der gegenseitigen Teilnahme an Festlichkeiten oder an diözesanen Treffen und den ausgesprochen herzlichen Beziehungen zu den Pfarrern, die üblicherweise das klösterliche Charisma verstehen und respektieren. Unsere Gästehäuser sind meist gut belegt, vor allem in den Tagen vor den größeren kirchlichen Festen. Es gibt auch eine Ordenskonferenz der monastischen Oberen, wozu auch Karmeliten und Klarissen gehören. Diese findet alle zwei Jahre statt und enthält neben dem Austausch zwischen Klosteroberen auch noch einen Weiterbildungsteil.

g) Insellage

Prägend für das Klosterleben ist auch die geographische Isolation der Gemeinschaften: Die Entfernung nach Europa beträgt gut 9000 Kilometer und die Beziehungen zu afrikanischen Ländern sind eher spärlich. Hierzu ist anzumerken, dass zwischen der Kultur und Mentalität Madagaskars und Afrikas beträchtliche Unterschiede bestehen, auch wenn man einige Ähnlichkeiten finden kann. In vieler Hinsicht nähert sich Madagaskar eher einer asiatischen Mentalität an. Ein großer Teil der Bevölkerung, vor allem in der Region von Antananarivo, entstammt ursprünglich Einwanderern von den polnesischen Inseln, was sich noch in der Physiognomie, sprachlichen und kulturellen Eigentümlichkeiten zeigt. Die Mentalität ist zudem stark von einer insularen Haltung geprägt, was sich mit einer gewissen Ablehnung gegenüber Außenkontakten, möglicherweise fruchtbarem Austausch oder kultureller und wirtschaftlicher Öffnung äußert. In dieser Hinsicht haben Auslandsaufenthalte einiger Mönche und Nonnen in französischen Klöstern oder die Teilnahme an internationalen Studienwochen den Horizont erfreulich erweitern können.

h) Die Zukunft

Die Klöster bestehen inzwischen ausschließlich oder nahezu ausschließlich aus einheimischen Schwestern und Brüdern. Damit geht auch die Inkulturation ihren langsamen Gang weiter. Die klösterlichen Gewohnheiten entwickeln sich entsprechend den Mentalitätsverschiebungen, der Zusammensetzung der Gemeinschaften, der Persönlichkeit der Oberen und der jeweiligen Umgebung. Ein entscheidender Zeitpunkt ist immer dann gekommen, wenn einheimische Obere die Leitung übernehmen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt haben die Gründer und ihre Nachfolger und oft das jeweilige Mutterhaus mit den dort üblichen Lebensgewohnheiten die Richtlinien vorgegeben. Mit dem Leitungswechsel entsteht ein neuer Dialog zwischen Benediktsregel, bisheriger monastischer Tradition, dem Gewissen des neuen Oberen und seiner Gemeinschaft im Kontext ihres Lebensorts. Diese Phase ist äußerst prekär: Es kommt zu nicht immer gelungenen Neuaufbrüchen, einem vorsichtigen Abtasten neuer Wege und einem langsamen Reifen der monastischen Berufungen. Dieses Übergangsstadium musste auch Benedikt selbst und alle Gemeinschaften in seiner Nachfolge durchlaufen. Dabei gilt es, das klösterliche Ideal und die monastische Berufung in den konkreten Alltag zu übersetzen. Es gibt natürlich die Regel, die Konstitutionen und die jeweilige klösterliche Tradition, aber alles das reicht nicht aus, um immer eine Antwort auf die Tausenden von Herausforderungen zu bringen, welche unsere Gemeinschaften tagtäglich überraschen.

Zum Abschluss sei gesagt, dass wir gerade in Madagaskar eine wichtige Zeit des Übergangs durchlaufen: Unsere Grundberufung „Gott zu suchen“ in der Schule des Klosters muss sich noch umfassender und reicher im Kontext der örtlichen Kultur ausdrücken. Denn Mönchen und Nonnen ist dabei aufgetragen, entsprechend ihren jeweiligen Charismen Formen der Übersetzung zu finden. Diese Aufgabe, die in positiver und negativer Weise herausfordernd ist, kann ihnen niemand abnehmen. Bei der Weitergabe eines Charismas geht es letztlich ähnlich wie bei der Geburt eines Kindes zu: zunächst wird es von den Eltern ernährt, aufgezogen und ermutigt und wenn dann die Zeit des Erwachsenseins sich nähert, muss es selbst sein Leben in die Hand nehmen und selbst seinen Weg finden im Vertrauen auf den Herrn, der noch niemand enttäuscht hat. Das treffendste Bild für diese geheimnisvolle Reifung ist wohl das vom Samenkorn, das in die Erde eingesät wird. Dieser Same wird von einem einzigartig zusammengesetzten Erdboden befruchtet, den es nur an dieser Stelle gibt, treibt aus, lässt eine Blume wachsen, aus der dann die Frucht entsteht. Die so entstandene Pflanze hat zwar ihren Ursprung im Samenkorn und beide sind von gleicher Art, aber dann auch wieder sehr verschieden und mit ganz eigenen Zügen ausgestattet. Dieses Naturgesetz ist zweifellos vom Schöpfer so angelegt, damit eine unendliche Vielfalt der Formen und Farben, der Geschmäcker und Duftnoten und einem unendlich reichen Spektrum an Möglichkeiten entsteht. Die damit verbundenen erstaunlichen Wandlungsmöglichkeiten führt uns letztlich ins Herz des Ostergeheimnisses: Solche Verwandlung, die Gott zur größeren Ehre und der Welt zum Heil gereicht, kann erst dann beginnen, wenn das Weizenkorn stirbt[1].


[1] Pater Charles de Foucauld hat als echter Missionar dieses Gesetz der frohen Botschaft am eigenen Leib entdecken müssen.

Pater Alwin Schmid

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Kunst und Kultur

Cyrill Schäfer OSB

Sankt Ottilien (Deutschland)

 

Pater Alwin Schmid (1904-1978)[1],

Pionier des modernen Kirchenbaus in Korea

 

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Wer in südkorea katholische Pfarreien besucht, ist nicht selten beeindruckt von den schlicht-eleganten und modernen Formen der Kirchenbauten und Pfarrzentren. Als Pionier des religiösen Kirchenbaus wirkte hier Pater Alwin Schmid (1904-1978), ein Missionsbenediktiner der deutschen Abtei Münsterschwarzach, der den größten Teil seines Lebens in Korea verbrachte.

Pater Alwin wurde 1904 in einer vielköpfigen süddeutschen Lehrerfamilie geboren. Bereits früh fühlte er sich zur Kunst hingezogen und studierte in den bewegten Aufbruchsjahren nach dem Ersten Weltkrieg dieses Fach in München, Berlin und Wien, wo sich Zentren der modernen Neuorientierung befanden. Im Jahr 1931 trat er in die Abtei Münsterschwarzach ein, wo er sich allerdings zunächst schwer tat aufgrund seiner Begeisterung für Nietzsche und einer gewissen Skepsis gegenüber überlieferten kirchlichen Formen. Dennoch entschloss er sich zum Theologiestudium, dass er 1933 bis 1937 in Würzburg absolvierte. Bereits 1936 wurde er zum Priester geweiht und im Mai 1937 in das nordchinesische Missionsgebiet Yanji entsandt, welche von den Missionsbenediktinern betreut wurde. Das Apostolische Vikariat Yanji lag zwar in China, doch die Christen selbst waren ganz überwiegend ausgewanderte Koreaner. Da die nordchinesische Mandschurei damals von Japan besetzt war, hatten die Missionare in Yanji gleich drei asiatische Sprachen zu lernen: Chinesisch, Koreanisch und Japanisch.

Als Pater Alwin eintraf, fand er eine lebendige und recht erfolgreiche Missionstätigkeit vor, die bis zum abrupten Ende im Jahr 1945 zur Gründung von 25 Pfarreien führte. Er wurde schon kurz nach seiner Ankunft als Pfarrer eingesetzt, was aber mangels solider Sprachkenntnisse nur mäßig befriedigend war. Parallel zu seiner Seelsorgstätigkeit gestaltete und entwarf er mehrere der neuen Pfarrkirchen in einem Stil, der Elemente des Jugendstils, klassisch europäische und asiatische Formen miteinander verband. Im Mai 1946 verhafteten Soldaten der neuen kommunistischen Regierung sämtliche Mönche, die wegen angeblicher Kollaboration mit den früheren japanischen Besatzern zu Haftstrafen in einem Arbeitslager verurteilt wurden. Nach seiner Freilassung kehrte Pater Alwin im Jahr 1949 nach Deutschland zurück.

In der Abtei Münsterschwarzach sollte Pater Alwin die kommenden zwölf Jahre als Kunstlehrer an der Klosterschule arbeiten und begeisterte sich in dieser Zeit für die Liturgische Bewegung. Eigene künstlerische Arbeiten konnte er nur wenig herstellen, da sein Stil für das damalige restaurative Klima wohl als zu innovativ angesehen wurde. Architektonisch wurde er in dieser Zeit stark von den Kölner Architekten Rudolf Schwarz (1897-1961) und dem Würzburger Architekt Hans Schädel (1910-1996) beeinflusst, welche im kriegszerstörten Westdeutschland moderne Formen des Kirchenbaus einführten.

In Südkorea hatten inzwischen die aus Nordchina und Nordkorea vertriebenen Missionsbenediktiner eine Klosterneugründung bei Waegwan unternehmen können, das in der Nähe der großen Hafenstadt Daegu liegt. Von dort aus erhielt Pater Alwin erstmals 1958 den Auftrag, eine neue Pfarrkirche zu entwerfen. Als weitere Aufträge folgten, siedelte Pater Alwin im Dezember 1961 nach Kloster Waegwan um und eröffnete dort ein Architekturbüro. Neben Bauaufträgen gestaltete er auch Kirchendekorationen, Wandmalereien, Altäre und Skulpturen. In der Aufbruchszeiten der koreanischen Kirche in den 1960er Jahre hatte Pater Alwin oft mehrere Bauwerke gleichzeitig zu betreuen. In seinen Formen übernahm er die Grundrisse des modernen und konzilsgeprägten Kirchenbaus, wie man sie vor allem bei Rudolf Schwarz findet, passte sich aber auch an koreanische Verhältnisse an: aufgrund der eingeschränkten Gemeindebudgets versuchte er möglichst kostengünstige Lösungen zu finden und passte die Kirchenform auch gerne an die jeweilige Landschaftsform an. Noch in seinem Todesjahr 1978 betreute er gleichzeitig sieben Kirchenbauten.

Beomil-Kirche (1965) in Busan mit runder Trapezform.
Beomil-Kirche (1965) in Busan mit runder Trapezform.

Während seines Wirkens in Korea entwarf Pater Alwin 185 kirchliche Bauten: Kirchen, Pfarrzentren, Klöster und Kapellen. Die hellen, schlichten und funktionale Räume zeichnen sich durch eine ausgesprochene Communio-Theologie aus: alle Sitzplätze sind auf den Altar ausgerichtet, was Pater Alwin vor allem durch fächerförmige oder ovale Grundrisse erreicht. Der Abstand zwischen Altar und Gemeindebereich ist möglichst gering gehalten und der Altarbereich nicht mehr baulich abgesetzt. Der Taufstein wird mehr ins Zentrum gerückt, der Tabernakel etwas zurückgesetzt. Die Gesamtatmosphäre ist hell, freundlich, familiär und harmonisch, wofür Pater Alwin unter anderem geschickt symmetrische und asymmetrische Elemente kombiniert und den Raum für Besucher einladend öffnet. Die Kirchenausstattung ist bewusst zurückhaltend und bewegt sich vielfach im Bereich abstrakt-geometrischer Formen, so dass der Gesamteindruck von Schlichtheit und von „heiliger Nüchternheit“ gewahrt bleibt. Die Gebäude werden jeweils aufgelockert und zurückhaltend komponiert, um jeden Eindruck von bedrohlicher Massivität und triumphalistischem Auftrumpfen auszuschließen. Die Linienführungen verraten den liturgischen Praktiker, der ein Auge hat für die Wegführung liturgischer Handlungen oder eine funktionale Verbindung von Sakristei und Altarraum. Der Seelsorger zeigt sich in der stimmigen Integration von Räumen für die Gemeindepastoral, welche sich an und um den jeweiligen Kirchenbau anschließen und in die der Kirchenraum teilweise umgewandelt werden kann. Nach Pater Alwins theologischer Auffassung sollte das Gotteshaus nicht nur sakramentalen Vollzügen dienen, sondern auch ein Zentrum für gemeinsame Aktivitäten der Pfarreiengemeinschaft bilden.

Auch wenn heute die Kirchen von Pater Alwin zu einem beträchtlichen Teil wieder abgerissen werden, da ein Neubau finanziell günstiger ausfällt als eine komplette Sanierung, haben sie in Korea den Übergang von „verwalteter“ Kirche zu lebendiger Gemeinde wesentlich geprägt. Vielleicht mehr als theologische Grundsatzprogramme haben die Kirchenentwürfe Pater Alwins dazu beigetragen, dass Einsichten der Liturgischen Bewegung und des Zweiten Vatikanischen Konzils in Korea angekommen sind und die koreanische Kirche heute ausgesprochen lebendig und dynamisch ausstrahlt.

Jirye-Kirche (1968) in Gimcheon.
Jirye-Kirche (1968) in Gimcheon.


[1] Die folgenden Ausführungen beruhen auf der Biographie von Pater Alwin Schmid: Jung-Shin Kim, Kirchenarchitekt Alwin Schmid, St. Ottilien 2016, die aus dem Koreanischen übersetzt wurde.

Treffen der Benediktiner und Benediktinerinnen Ostasiens und Ozeaniens (BEAO)

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Nachrichten

Jean-Pierre Longeat OSB

Präsident der AIM


Treffen der Benediktiner

und Benediktinerinnen Ostasiens

und Ozeaniens (BEAO)


 

 

Das letzte Treffen der BEAO (Benediktinische Vereinigung von Ostasien und Ozeanien) fand vom 26. bis 29. November 2018 in Taiwan statt. Ich nahm daran mit Pater Mark Butlin teil, Mönch der englischen Abtei Ampleforth und Mitglied des internationalen AIM-Teams. Nach dem Treffen besuchten wir noch verschiedene Orte in Festlandschina: Peking, Jilin, Changdu und Shanghai, worauf es noch nach Hongkong und Macao ging (letzteres nur für Pater Mark).

Gottesdienst bei den Benediktinerinnen von Danshui.
Gottesdienst bei den Benediktinerinnen von Danshui.

In Taiwan fanden die Besprechungen bei den Benediktinerinnen von Danshui bei Taibei statt. Diese Gemeinschaft ist vom amerikanischen Kloster St. Benedict in St. Joseph, Minnesota, gegründet worden.

Diese Schwestern folgten dem Beispiel der Mönche von Saint Vincent in Latrobe, die sich im Jahr 1925 in Peking niederließen, um dort die Universität Fu Jen zu gründen. In vergleichbarer Weise ließen sich die Schwestern in Peking nieder, um dort ein Studentinnenwohnheim eben für die genannte Fu Jen zu leiten. In dieser Aufgabe waren sie im Einsatz, bis die Mönche die Hochschulleitung abgeben mussten. Dennoch blieben sie am gleichen Ort, bis sich 1935 eine Gelegenheit ergab, nach Kaifeng umzuziehen. Dort wurden sie in den chinesisch-japanischen Krieg hineingezogen, mussten sich um verwundete Chinesen und Flüchtlinge kümmern. Nachdem die USA ihre Teilnahme am Zweiten Weltkrieg erklärt hatten, wurden sie in ein Lager gebracht, wo sie von März 1943 bis Kriegsende interniert waren. Anschließend kehrten sie nach Kaifeng zurück und setzten ihre früheren Tätigkeiten fort, bis die Stadt im Jahre 1948 von Kommunisten besetzt wurde. Die Schwestern mussten fliehen, was sie zuerst nach Shanghai und später nach Taiwan führte. Dort unterrichteten sie am Anfang an einer Schule in Tainan, wurden aber bald schon eingeladen, an der Landesuniversität in Taibei Englisch zu unterrichten. Aus der örtlichen Bevölkerung fand sich Nachwuchs ein, später erwarben die Schwestern das Grundstück in Danshui, auf dem sie heute leben. Dort errichteten sie zusammen mit einem Kloster ein Waisenhaus. Später überführten sie das Waisenhaus in ein Exerzitienhaus, das weiterhin sehr aktiv ist. Die heutige Gemeinschaft besteht aus etwa zehn Schwestern. Mit ihnen lebt eine Gruppe vietnamesischer Postulantinnen und Novizinnen.

Am Dienstag, den 27. November 2018, begann unser Treffen mit einer Vorstellungsrunde. Insgesamt nahmen ungefähr 30 Personen teil, die Gemeinschaften in den Philippinen, Korea, Taiwan, Japan, Vietnam und Australien vertraten. Zunächst ging es um Lageberichte der einzelnen Klöster. Die Präsentationen schildern eindrucksvoll die unterschiedlichen Realitäten. Jede der vertretenen Gemeinschaften führt in einer Power-Point-Präsentation oder einem Film ihre Geschichte und Gegenwart vor. In den Philippinen und Korea gibt es blühende Gemeinschaften, aber damit vermischt sich die Sorge um den Nachwuchs, da dieser immer mehr abnimmt.

Der Eucharistie steht der Vertreter des Heiligen Stuhls in Taiwan vor, Msgr. Sladam Casic. Er ist in Kroatien geboren, gehört allerdings zur bosnischen Bevölkerungsgruppe.

Am Nachmittag geht es weiter mit Präsentationen der Klöster in Japan, Vietnam und Taiwan. Nach dem Abendessen werden Workshops zu verschiedenen Themen angeboten: Alltag und Herausforderungen von kontemplativen Gemeinschaften, Klosterleben und neue Medien bzw. soziale Netzwerke, Midlife-Crise und Lage der Kirche in China.

Am Mittwoch, den 28. November, steht ein geistlicher Vortrag des Abtprimas am Anfang, bei dem es um heutige Herausforderungen des Klosterlebens geht. Anschließend folgt eine Präsentation der AIM, die ich gemeinsam mit Pater Mark bestreite.

Am Nachmittag hören wir zwei Beiträge. Zunächst schildert Professor Francis So die Geschichte der Katholischen Kirche in Taiwan.

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Eine christliche Mission in Taiwan beginnt mit der Ankunft von Holländern im Jahr 1624. Im Jahr 1643 soll es bereits um 70.000 evangelische Christen geben. Von katholischer Seite erschienen erstmals 1626 spanische Dominikaner im Norden des Landes. Um 1639 gab es ungefähr 4500 Katholiken in Taiwan, das damals Formosa hieß. Politisch fiel die Insel zunehmend unter holländischen Einfluss, der sich 1642 vollständig durchsetzen konnte. Im Jahr 1662 besetzte ein chinesischer Widerstandskämpfer namens Koxinga die Insel und verbot das Christentum, bis dann im Jahr 1683 die mandschurische Qing-Dynastie Taiwan eroberte. Das Christentum blieb allerdings verboten. Erst 1859 begann eine Evangelisierung erneut mit europäischen Dominikanern, die in China tätig waren. Der Pekinger Vertrag, den die Westmächte im Jahr 1860 China aufzwangen, öffnete die Häfen von Formosa für Ausländer, wodurch Missionaren verschiedener christlicher Kirchen eine Tätigkeit ermöglicht wurde. Am schnellsten entwickelte sich die presbyteranische Kirche. Nachdem Taiwan 1895 an Japan fiel, war eben diese Kirche die einzige, deren Wirken von den neuen Machthaber ermutigt wurde, da es mancherlei Vorteile zu bieten schien. Um 1910 konnte sich erneut eine gewisse christliche Pluralität durchsetzen. Eine erste Apostolische Präfektur wurde 1913 eingerichtet. Sie unterstand dem Erzbistum Tokio, was als politische Maßnahme gedacht war, um dem chinesischen Einfluss entgegenzuwirken. Im Jahr 1945, als es ca. 10.000 Katholiken und 15 Priester in Taiwan gab, brach die japanische Herrschaft zusammen und chinesische Nationalisten übernahmen die Macht. Im Jahr 1949 erfolgte die Masseneinwanderung seitens der chinesischen Nationalpartei unter Leitung von Chiang Kai-shek, womit für mehrere Jahrzehnte ein autoritäres Regime begann. Dieses ist inzwischen durch eine recht gut funktionierende Demokratie ersetzt worden.

Von den 23,5 Millionen Einwohnern Taiwans bekennen sich ungefähr 300.000 Menschen zur katholischen Kirche. In den sieben Diözesen wirken 15 Bischöfe, 670 Priester und 1100 Ordensleute. Nur zum Vergleich: In Hongkong gibt es bei einer Einwohnerzahl von 7 Millionen Menschen (also drei Mal weniger als in Taiwan) bereits 250.000 Katholiken, die von einer Diözese mit zwei Bischöfen, 600 Priestern und 600 Ordensleuten betreut werden. Insgesamt soll der Anteil der christlichen Bevölkerung Taiwans 3,5 % betragen. Für alle diejenigen, die von einer Massenbekehrung Chinas träumen, nachdem der „böse Kommunismus“ zusammengebrochen sei, wäre ein genaueres Studium der taiwanesischen Gesellschaft hilfreich: diese ist tief chinesisch geprägt, ausgesprochen wohlhabend, freiheitlich und demokratisch ausgerichtet – und seit Jahrhunderten gibt es hier eine christliche Mission, die aber nur wenig ausrichten kann.

Chen Chien-Jen, Vizepräsident von Taiwan.
Chen Chien-Jen, Vizepräsident von Taiwan.

Ein zweiter thematischer Beitrag unserer Tagung wurde vom Vizepräsidenten Taiwans übernommen, Chen Chien-Jen. Sein Vortrag lautete: „Meine Erfahrung als Katholik in Regierungsdiensten und die Beziehungen von Taiwan zu den Philippinen und Korea“. Er war ursprünglich in der medizinischen Forschung tätig mit einem Schwerpunkt auf Viruserkrankungen und machte dann politische Karriere. Seine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ist bekannt und wird respektiert. Seine Ausführungen waren sehr ermutigend. Er sprach von den guten Beziehungen zu den befreundeten Staaten Philippinen und Korea, was natürlich vor allem die Tagungsteilnehmer aus diesen Ländern sehr interessierte. Nach dem Abendessen gab es Workshops zu den Themen: Benediktiner und Erziehungsarbeit, Benediktineroblaten als assozierte Laien, eine vertiefte Zusammenarbeit von Klöstern in Ostasien und Ozeanien.

Bei jedem BEAO-Treffen gibt es auch eine Exkursion, die uns am Donnerstag zur katholischen Fu Jen-Universität in Tabei führte, wo wir vor allem die theologische Fakultät und das neue Krankenhaus besichtigten. Die Leitung der Hochschule liegt heute bei den Jesuiten, wobei sie ursprünglich im Jahr 1925 von Benediktinern in Peking gegründet worden war. 1933 ging die Leitung an die Steyler Missionare über, wurde 1952 in die Peking-Universität integriert und siedelte 1959 nach Taiwan über, nachdem sich die chinesische Bischofskonferenz, der Steyler Missionsorden und die Jesuiten zu diesem Schritt entschlossen hatten. Die Universität genießt einen sehr guten Ruf.

Nachmittags besuchten wir das Palastmuseum, wo uns chinesische Kunstschätze beeindruckten. Der Abend endete mit einem Festakt, zu dem jedes vertretene Land einen Beitrag lieferte. Damit endete das Treffen, welches Bruder Nicholas Koss ausgesprochen kompetent organisiert und moderiert hatte. Er wirkt als Professor für vergleichende Literaturforschung in Peking.

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Am folgenden Tag reisten Pater Mark, Bruder Nicholas und ich nach Taibei, wo wir das Wimmer-Priorat besuchten. Bei diesem handelt es sich um eine Gründung der Erzabtei St. Vincent (USA) aus dem Jahr 1964, womit die Pekinger Gründung weitergeführt wurde, welche die Fu Jen-Universität ins Leben rief. Nach dem Umzug der Universität nach Taiwan folgte auch die Gemeinschaft, welche heute ein verzweigtes internationales Netzwerk unterhält, zu dem auch Kontakte zu Festlandschina zählen.

Unsere anschließende Reise führte uns auf das chinesische Festland, wo wir Peking, die Mandschurei, Sichuan und Shanghai besuchten. Davon soll aber im kommenden Bulletin mehr erzählt werden. Unsere Fahrt endete bei der Gemeinschaft von Lantao in Hongkong. Pater Mark fuhr von dort weiter zu den Trappistinnen von Macao, während ich nach Frankreich zurückkehrte. Die Reise war für mich ausgesprochen wertvoll und hat mir dank zahlreicher Begegnungen viele Einsichten in die chinesische Realität und die Beziehungen Chinas zur katholischen Kirche und zum Mönchtum eröffnet.

Intermonastische Dialog

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Nachrichten

William Skudlarek OSB

Generalsekretär von DIM

 

Intermonastische Dialog

 

 

 

Ein erster internationaler Dialog zwischen buddhistischen und katholischen Nonnen fand im buddhistischen Kloster Fo Guang Shan in Kaohsiung, Taiwan vom 14. bis 19. Oktober 2018 statt. Die Begegnung, welche 70 buddhistische und katholische Nonnen aus Asien, Europa und Amerika zusammenführte, wurde vor allem vom Päpstlichen Rat für Interreligiösen Dialog unterstützt. Im Vorfeld bat der Rat die benediktinische Organisation DIM-MID um ihre Mitwirkung. Wir stellten daraufhin eine Delegation von 14 Nonnen der Benediktinerfamilie aus neun Ländern zusammen ( Japan, Korea, Indien, Philippinen, Deutschland, Italien, Norwegen, Brasilien und USA). Die meisten von ihnen nahm zum ersten Mal an einer interreligiösen Begegnung teil, doch alle engagierten sich in bewundernswerter Weise bei diesem historischen Ereignis. Es ist schade, dass keine Benediktinerin aus Afrika oder Taiwan teilnehmen konnte. Ausführlichere Informationen zu dem Treffen sind zu finden unter der Webpage von DIM-MID: https://dimmid.org/. Dort ist auch ein Link zur Schlusserklärung zu finden, welche anschließend in den Vatican News veröffentlicht wurde.


Als weitere Neuigkeiten aus DIM-MID ist ein Symposium über Thomas Merton zu erwähnen, das im Juni 2018 in S. Anselmo stattfand, sowie eine Tagung an der Universität von Georgetown im September, bei der es um „Zukünftige Entwicklungen des Interreligiösen Dialogs“ ging. Dabei hielt P. William Skudlarek einen Vortrag über die Rolle von DIM-MID in diesem Bereich, vor allem über die Bedeutung von spiritueller Erfahrung und Praxis.

Communio Internationalis Benedictinarum

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Nachrichten

Thérèse-Marie Dupagne OSB

Priorin von Kloster Notre-Dame d’Hurtebise (Belgien)



Communio Internationalis Benedictinarum


 

Unter den neueren Entwicklungen in der Welt der Benediktinerinnen seien folgende Ereignisse des vergangenen Jahres hervorgehoben.

Beim letzten Symposium der CIB im September 2018 in Rom gab es einen Wechsel im Amt der Moderatorin und bei einem Teil des Verwaltungsrat. Auf Sr. Judith Ann Heble folgte als neue Moderatorin Sr. Lynn McKenzie.

Viel Aufmerksamkeit beanspruchte natürlich die römische Verlautbarung Cor Orans, für die man einige Energie braucht, um zu entscheiden, wie man darauf am Besten reagieren kann. Der dort enthaltene Aufruf zu einer intensiveren Zusammenarbeit durch Zusammenschlüsse ist sicher eine frohe Botschaft, vor allem für isolierte Klöster. Andererseits muss man sehen, dass bereits viele Klöster in verschiedenen Netzwerken zusammengeschlossen sind, die in unterschiedlichen Abstufungen juristisch definiert sind und unterschiedlich eng oder effizient zusammenarbeiten.

Auch wenn die Weisung, dass die Klöster sich zusammenschließen oder bestehenden Kongregationen affilieren sollen, hilfreich ist, muss man sich fragen, ob nicht für viele sehr geschwächte Klöster der Zug schon abgefahren ist? Gibt es gerade in der nördlichen Hemisphäre ausreichend Gemeinschaften, welche schwächeren Klöstern beistehen können, selbst wenn es sich dabei nur um bescheidene Hilfeleistungen handelt? Auf jeden Fall wäre es sehr riskant, wenn Rom von sich aus bestimmte Gemeinschaften bestehenden Kongregationen einfach zuweist, ohne dass die Beteiligten sich dazu äußern dürften.

Gegenüber dem Vorschlag, sich in Föderationen zusammenzuschließen, besteht bei den Benediktinerklöstern eher die Neigung, Kongregationen zu gründen. Dort gibt es eine Präsidentin mit ihrem Rat und ein Generalkapitel, während bei Föderationen die Autorität zwischen einer Generalversammlung, einer Präsidentin und verschiedenen Ortsbischöfen aufgeteilt wäre.

Die meisten Klöster haben inzwischen bereits Initiative ergriffen: Einige überarbeiten gerade ihre Föderations- oder Kongregationsstatuten, damit sie den Weisungen von Cor Orans besser entsprechen. Manche Frauenklöster verstärken ihre Einbindung in Männerkongregationen, mit denen sie affiliert sind. Diese Strategie bringt die Gefahr eines gewissen Klerikalismus lauert, auch wenn viele Kongregationen sich dieser Tendenz zu widersetzen versuchen. Einige Gemeinschaften haben bei den Männerkongregationen, denen sie bisher nur locker assoziert waren, angefragt, ob eine Inkorporation möglich wäre.

Manche Föderationen, z.B. in Italien und Spanien, befanden sich bereits in einem Umwandlungsprozess in Richtung einer Kongregation und führen nun ihren Kurs einfach weiter, indem sie die schon vorbereiteten Konstitutionen den Weisungen von Cor Orans anpassen.

Wieder andere Gemeinschaften wollen einen klaren Neuanfang setzten. So machen es beispielsweise elf europäische Klöster, die beschlossen haben, sich zu einer neuen Frauenkongregation zusammenzuschließen.

Dagegen stehen geographisch isolierte Klöster vor erheblichen Herausforderungen. In Ländern wie Sri Lanka lassen sich kaum ausreichend Klöster für eine Föderation oder Kongregation finden.

Kurz, es braucht Kreativität, um je nach Situation angemessene Lösungen zu finden. Ein großes Fragezeichen ist mit der erheblichen Verlängerung der Ausbildungszeit verbunden. Nach den jeweiligen Konstitutionen besteht bereits die Möglichkeit, die Probezeiten zu verlängern. Doch gerade im Westen scheint eine generelle Verlängerung der Probezeit unbefriedigend, da ja die Kandidatinnen meist schon in fortgeschrittenem Alter eintreten. Hier wäre eine ausgewogene Lösung wirklich wünschenswert.

Ein weiterer Punkt beunruhigt die kleinen Gemeinschaften. Eine ganze Reihe von ihnen gehört zwar zu Kongregationen, besteht aber nur aus wenigen Mitgliedern (und das schon seit langer Zeit). Sie haben Angst, dass sie aufgrund der geringen Mitgliederzahl schließen müssen, obwohl sie für sich eine befriedigende Lebensform gefunden haben, die in Richtung Skite oder Cella geht. Ihr Lebenszeugnis ist authentisch monastisch und strahlt auch in die Umgebung aus.

Auch die Regelung, dass innerhalb von 15 Jahren über die Autonomie oder Schließung einer Gemeinschaft zu entscheiden ist, wirkt sehr kurzfristig. Man könnte auch fragen, warum diese Regel nur für Frauengemeinschaften gelten soll?

Dagegen ist das Thema Klausur, das bei der Herausgabe des Fragebogens vor vier Jahren seitens der Religiosenkongregation die Gemüter aufrührte, kein sonderliches Problem. Die Gemeinschaften können selbst über diese Frage entscheiden.

Im Großen und Ganzen können sich die Benediktinerinnen ohne Weiteres im Artikel 9 von Perfectae Caritatis erkennen, wo die „ehrwürdige Einrichtung des monastischen Lebens“ genannt wird, dagegen sehen sie sich missverstanden durch Artikel 7, wo die Rede ist von „Instituten, die gänzlich auf die Kontemplation hingeordnet sind“. Die Klöster bedauern die ständige Vermischung dieser unterschiedlichen Realitäten.

Offensichtlich wird in Zukunft die Struktur von CIB weiter entwickelt werden. Diese besteht zur Zeit aus 19 geographisch gebildeten Regionen, wird aber demnächst mit Klöstern zu tun haben, die alle in Kongregationen und Föderationen zusammengeschlossen sind. Andererseits hat sich gezeigt, dass für eine Weltorganisation auch eine Organisation nach regionalen Kriterien nötig ist, da die Problemfelder sich nun einmal nach Kulturkreisen unterscheiden.

Für CIB ist die Mitarbeit von Sr. Scholastika Häring eine große Bereicherung. Ihre Dissertation befasste sich mit der Geschichte von CIB und dem Recht der Benediktinerinnen. Die deutsche Arbeit ist bereits ins Englische übersetzt worden und zur Zeit suchen wir noch jemand für eine Übersetzung ins Französische.

Bei der Eröffnung unseres Symposiums wies Abtprimas Gregory Polan in seinem Grußwort auf die zahlreichen Missbrauchsskandale hin, welche zur Zeit die Kirche erschüttern. Wir waren ihm für solche klaren Worte dankbar. Denn auf manchen Kontinenten sind gerade Ordensfrauen Opfer von Missbrauch. Wir sind froh, dass das Problem endlich beim Namen genannt wird und Kontrollmechanismen eingeführt wurden. Wir fürchten freilich, dass noch viele derartige Fälle ans Tageslicht kommen werden. Während die Männerklöster sich gelegentlich damit auseinandersetzen müssen, dass ein oder mehrere Mitglieder missbräuchlich gehandelt haben, haben Frauenklöster eher das Problem, dass bei ihren Mitgliedern seelische Verwundungen durch lang zurückliegenden Missbrauch aufbrechen und Heilung brauchen. Darüber müsste noch mehr nachgedacht werden.

Anlass zur Hoffnung geben Überlegungen zur Gastfreundschaft, welche uns einige neue Teilnehmer am Symposium mit auf den Weg gegeben haben. Sie haben uns die schwierigen politischen Verhältnisse beschrieben, welche in vielen Ländern der Erde bestehen, und klargestellt, dass für sie und ihre Gemeinschaften die Konsequenz darin besteht, auf der Seite der Armen zu stehen und zwar mit Mut und Klugheit. Dabei drückten sie ihre Sehnsucht aus, mitten in der Welt zu Zeuginnen der Hoffnung zu werden.

Schließlich werfen die Veröffentlichung von Cor Orans, die Missbräuche, die in manchen Ländern gegenüber Ordensfrauen verübt werden und der Weltjugendtag jeweils auf ihre Art die Frage auf, wo eigentlich der Ort der Frau in der Kirche ist? Hier liegt zweifellos noch ein weiter Weg vor uns, um ein neues Mönchtum in einer neuen Kirche aufzubauen.

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