Die Beziehung zwischen Geweihtem Leben und Neuevangelisierung –
Eine Antwort der Klöster
Eamon Fitzgerald OCSO, Generalabt
Die monastische Stellungnahme, die hier erfolgt, entspricht den Grundanschauungen der Zisterzienser der strengen Observanz (OCSO), die auch unter dem Namen Trappisten bekannt sind. Wir sind ein kleiner Teil der großen benediktinischen Familie. Die Trappisten haben ihren Ursprung in der klösterlichen Umsetzung des evangelischen Lebens, das seinen Ausdruck in der Klosterregel des hl. Benedikt fand. Die Gründer von Citeaux (woher der Name Zisterzienser stammt) haben im 12. Jahrhundert dieser Tradition eine besondere Form verliehen mit einer besonderen Sehnsucht nach einem einfacheren und ärmeren Leben. Dieser Schwerpunkt wurde zusätzlich betont durch die Reformbewegung der strengen Observanz, die mit dem Kloster La Trappe im Frankreich des 17. Jahrhunderts verbunden wird (daher der Name Trappisten). Die Mönche und Nonnen widmen sich dem Gottesdienst im Kloster unter der Benediktsregel. Im Zusammenhang mit der augenblicklichen Diskussion gibt ein Zitat unserer Konstitutionen eine Richtlinie:
„Treue zum monastischen Lebensweg ist eng mit dem Eifer für das Gottesreich und das Heil der Welt verbunden. Mönche tragen dieses apostolische Anliegen in ihrem Herzen. Das kontemplative Leben selbst ist ihre Art und Weise, wie sie an der Mission Christi und seiner Kirche teilnehmen und so Teil der Ortskirche sind“ (c. 31).
Nach meiner Einschätzung ähneln die allgemeinen Probleme unseres Ordens denen der anderen Ordensverbände: Die Gemeinschaften in den Industriestaaten des Westens bestehen überwiegend aus älteren Mönchen mit einigen jüngeren Mitbrüdern (es gibt aber auch Gemeinschaften, die von dieser Regel vollständig abweichen). Es ist zunehmend schwierig für sie, geeignetes Führungspersonal zu finden, sie stehen wirtschaftlichen Engpässen gegenüber, hängen immer mehr von äußerer Hilfe ab, leben in Baulichkeiten, die für ihre Bedürfnisse überdimensional sind, die Liste ließe sich noch lange weiterführen. Wachsende Gemeinschaften finden sich dagegen in manchen Teilen Asiens, Afrikas und in vielen Gebieten Lateinamerikas. Dafür bestehen dort andere Herausforderungen. Doch die Kernfrage für alle Gemeinschaften besteht in der gegenseitigen Liebe. Wie werden Beziehungen gelebt, der geschwisterliche Umgang mit Schwestern und Brüdern. Viele Gemeinschaften haben in diesem Bereich Dialogprozesse geführt, gruppendynamische Kurse mit Referenten und Kommunikations- und Beziehungsexperten durchgeführt. Zweifellos hat das in den meisten Fällen auch Verbesserungen im Beziehungsgeflecht nach sich gezogen. Dafür muss man dankbar sein, allerdings reicht es nicht. Denn die eigentliche Grundlage unserer Nächstenliebe als christliche Mönche und Nonnen besteht im Glauben und in der Hoffnung auf den lebendigen Gott. Hierin liegt auch der einzige Weg, den wir bei der Frage gehen können, wie es um die Fähigkeit der Kirche bestellt ist, eine wirkliche Gemeinschaft, eine echte geschwisterliche Vereinigung und einen lebendigen Leib Christi zu bilden. Dieser Glaube führt uns selbst den Wert und die Würde vor Augen, die uns und allen Menschen von Gott geschenkt wurde. Eine solche Einsicht stärkt auch die Demut und die Geduld, die an der Wurzel jeder echten Liebe zu finden ist...
Während unseres letzten Generalkapitels im September 2011 gingen wir, wie üblich, die Lageberichte aller Klostergemeinschaften des Ordens durch. Ich würde gerne einige der dabei ersichtlichen Ergebnisse vorstellen; sie zeigen, wie unsere Gemeinschaften der heutigen Welt gegenüberstehen. Abgesehen von individuellen Schwierigkeiten gibt es Anzeichen für eine spirituelle Erneuerung in einigen Teilen des Ordens, die auch alternde Gemeinschaften einschließen. Die Vitalität einer Gemeinschaft hängt weniger von der Mitgliedszahl ab als von ihrer Fähigkeit, das zisterziensische Leben zu verwirklichen. Einige Gemeinschaften bezeugen trotz schwierigster Rahmenbedingungen einen großen Lebensmut, tiefe Hoffnung und heitere Gelassenheit. Das zisterziensische Leben wird dort authentisch geführt, wo die evangelischen Werte gegenseitiger Barmherzigkeit, Versöhnungsbereitschaft, Güte und Einheit gepflegt werden. Wie es scheint, braucht eine Gemeinschaft zwei Eigenschaften, um sich weiterzuentwickeln oder um zumindest einen lebendigen Glauben zu bewahren: 1) die Fähigkeit zur Selbstkritik oder das Bewusstsein, sich zeitlebens in einem Bildungs- und Entwicklungsprozess zu befinden. Daraus ergibt sich die innere Bereitschaft, der Neigung zum Individualismus nicht nachzugeben, und Herzenszufriedenheit; 2) die Fähigkeit, einer Vision Ausdruck zu verleihen oder ein Projekt zu entwickeln, das mit Engagement vorangetrieben und von der ganzen Gemeinschaft getragen wird. Wo solche Fähigkeiten vorhanden waren, konnten einige Gemeinschaften die Kraft aufbringen, ihre Herausforderungen zu meistern.
Andererseits ist es klar, dass manche Gemeinschaften sich in einer Sackgasse befinden und ihre Lage nicht mehr richtig einschätzen können. Andere Gemeinschaften wiederum leiden unter inneren Spaltungen. Ganz konkret haben manche Gemeinschaften über Jahre hinweg ihre Baulichkeiten renoviert, darüber nicht vergessen, ihre mitbrüderlichen Beziehungen und die Treue zu den monastischen Werten zu entwickeln, und dies alles in sehr systematischer und geordneter Weise durchgeführt. Dennoch sind sie am Schluss zum Ergebnis gekommen, dass ihre Situation sich dadurch im Grunde nicht verändert hat, so dass sie nun nach neuen Wegen in die Zukunft suchen. Wieder andere Gemeinschaften haben nach ernsthaften Bemühungen um eine verbesserte Beziehungskultur erkannt, dass darüber ein Stück Innerlichkeit auf der Strecke geblieben ist, und versuchen nun, das verlorene Gleichgewicht durch eine verstärkte Hinwendung zu den monastischen Grundwerten wiederherzustellen. Der Umgang mit modernen Kommunikationstechniken bleibt für viele Gemeinschaften ein ungelöstes Problem. Bei Gesprächen zwischen Klöstern derselben Region wuchs die Einsicht, dass sie ihre Herausforderungen nicht alleine lösen können. Solche Lageberichte geben einen Einblick auf das Verhältnis unseres Ordens zur heutigen Welt.
Geweihtes Leben wird als große Chance für heutige Spiritualität und die sich wandelnde Religiosität der modernen Welt begriffen bzw. als Hilfe beim interreligiösen Dialog mit den Weltreligionen. Viele Klöster machen die Erfahrung, dass besuchende Laien Klöster nicht nur aus touristischen Gründen besuchen, sondern auch um ihr Verständnis für zisterzienisch-trappistische Spiritualität zu vertiefen, damit sie ein erfüllteres christliches Leben in ihren Pfarreien und Diözesen führen können.
Einige Mönche und Nonnen auf beiden Seiten des Atlantiks nehmen am Dialog mit den östlichen Religionen teil, auch wenn es nicht sehr viele sind. Aber mit viel Energie versuchen sie, das Interesse und den Einsatz innerhalb der benediktinischen Welt in diesem Bereich zu wecken. Wir haben eine kleine und zurückhaltend auftretende Vertretung in der islamischen Welt. Das Zeugnis der Mönche von Tibhirine hat zudem viel Resonanz hervorgerufen dank des Films „Von Menschen und Göttern“.
Wie ich schon erwähnte, erfahren viele unserer klösterlichen Gemeinschaften ähnliche Schwierigkeiten wie die Gesamtkirche bei den Versuchen, ihre Lebensform weiterzugeben. Einige können keine geeigneten Leiter für die klösterliche Ausbildung finden, andere mit Mönchen in ihrer Ausbildungsphase bräuchten Gemeinschaftsmitglieder, die als Vorbilder dienen können. Andererseits gibt es hier durchaus Potentiale und positive Erfahrungen, wie die Berichte an das Generalkapitel zeigen. Die Hauptrolle bei der Ausbildung liegt bei der Gemeinschaft selbst, wenn die Gottessuche bei ihren Mitgliedern lebendig und spürbar ist. Jedes Konventsmitglied ist in die Pflicht genommen, die klösterlichen Werte der folgenden Generation weiterzugeben. Zufriedenheit und Konsequenz bei älteren Mitgliedern ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass jüngere Mönche zur Beständigkeit motiviert werden. Sie werden ihren Weg weitergehen, wenn sie berühren und sehen können. Auch eine Gemeinschaftsvision ist wichtig, die von der Unterweisung des Klosterleiters genährt wird. Eine Gemeinschaft muss in sich geeint sein, was einen echten innerklösterlichen Dialog verlangt. Nur so werden die Herzen erreicht und nur so kann die Gnade ihr Werk verrichten. Der biographische Hintergrund vieler Kandidaten verlangt heute mehr noch als in der Vergangenheit ein ernstes und demütiges Erwägen hinsichtlich der Berufung und der Fähigkeit der Gemeinschaft, hier eine Formung durchzuführen. Auch wenn die Gemeinschaft selbst nicht vollkommen ist, darf sie doch dem Novizen für seine Christusnachfolge einiges abverlangen. Die Bereitschaft zur Hingabe ist unverzichtbarer Teil jeder ernsthaften Berufung. Wir sollten daher auch nicht in die Illusion verfallen, dass durch Erleichterungen und Kompromissen bei unseren Lebensidealen wir dem Kandidaten helfen. Die Rolle des Ausbilders besteht darin, dass er jeder Person dabei behilflich ist, das zu verinnerlichen, was er vermittelt bekommt, und sich davon verwandeln zu lassen. Daher muss die anfängliche Ausbildung auch mehr darin bestehen, dass der Kandidat mit dem klösterlichen Alltag konfrontiert wird und sich mit gelebten monastischen Werten auseinandersetzt als in intellektuellem Training. Wichtiger als Katechese ist die lebendige Begegnung mit Christus. Der Ausbilder sollte ein gutes Verhältnis zum Abt und seiner Gemeinschaft haben, damit er dem Novizen ein ähnliches Verhältnis zu seiner Umwelt und zu Gott vermitteln kann. Dadurch kann das klösterliche Leben etwas vom kirchlichen Zeugnis für das Evangelium widerspiegeln. Es ermutigt, wenn man sieht, wie solches erneuertes christliches Leben auch den Mut fördert, die eigenen Fehler zu erkennen und zuzugeben.